Julia Ebner, Extremismusexpertin am Institute for Strategic Dialogue und der Universität Oxford, beleuchtet die alarmierende Radikalisierung in Europa und den USA. Sie diskutiert die Auswirkungen von Verschwörungstheorien wie QAnon auf die Gesellschaft und die Jugend. Besonders eindrücklich sind ihre Analysen zur Identitätsfusion in extremistischen Gruppen, die Gewaltbereitschaft fördern. Der Sturm auf das Kapitol wird als Wendepunkt für die Demokratie betrachtet, während die Dynamik der Massenradikalisierung die Herausforderungen für Journalisten und Wissenschaftler verdeutlicht.
Die Radikalisierung breitet sich von extremistischen Randgruppen hin zur Mitte der Gesellschaft aus, was alarmierende gesellschaftliche Veränderungen aufzeigt.
Die Identitätsfusion innerhalb extremistischer Gruppen erhöht die Gewaltbereitschaft ihrer Mitglieder, da persönliche und Gruppenidentität verschmelzen.
Deep dives
Radikalisierung der Mitte
Es wird beobachtet, dass Extremismus nicht mehr nur am Rand der Gesellschaft auftritt, sondern auch in der Mitte der Bevölkerung angekommen ist. Besonders auffällig ist dies an den Ereignissen rund um den Sturm auf das Kapitol in den USA, wo Menschen aus verschiedenen gesellschaftlichen Schichten an der Mobilisierung beteiligt waren. Ähnliche Bewegungstrends wurden auch in Europa verzeichnet, wie etwa der versuchte Sturm auf den Reichstag in Deutschland. Diese Veränderungen deuteten auf eine besorgniserregende Massenradikalisierung hin, die zuvor als untypisch für die Mitte der Gesellschaft galt.
Die Rolle von QAnon
QAnon stellt ein bedeutendes Beispiel für die Verbreitung von Verschwörungstheorien dar, die durch gesellschaftliche Krisen, wie die COVID-19-Pandemie, an Zugkraft gewonnen hat. Ursprünglich als US-amerikanisches Phänomen gestartet, hat sich die Bewegung internationalisiert und zahlreiche Menschen in unterschiedlichen Ländern angezogen. QAnon verbindet eine Vielzahl von Verschwörungserzählungen und hat sich erfolgreich in den öffentlichen Diskurs integriert. Diese steigende Präsenz in sozialen Netzwerken zeigt, wie gefährlich solche Ideologien werden können, wenn sie an übergeordnete gesellschaftliche Legitimitäten gekoppelt sind.
Identitätsfusion und Radikalisierung
Ein zentrales Konzept der Diskussion ist die Identitätsfusion, bei der persönliche und Gruppenidentität miteinander verschmelzen. Diese Fusion führt dazu, dass Angriffe auf die Gruppe als persönliche Angriffe wahrgenommen werden, was die Bereitschaft zur Gewaltanwendung erhöht. Studien belegen, dass Personen mit starker Identitätsfusion eher gewalttätige Handlungen für ihre Gruppe in Betracht ziehen. Diese Dynamik ist besonders relevant für extremistische Bewegungen, wo eine enge Bindung innerhalb der Gruppe entstand, die ihre Mitglieder dazu ermutigt, die Werte der Gruppe über persönliche Ansichten zu stellen.
Gesellschaftliche Resilienz und Prävention
Um der Massenradikalisierung entgegenzuwirken, müssen Regierungen und Gesellschaften präventive Maßnahmen ergreifen. Dies beinhaltet die Förderung von Bildung, die Sensibilisierung für Verschwörungserzählungen und das Implementieren technischer Lösungen zur besseren Überwachung extremistischer Inhalte online. Zudem sollte ein Dialog zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen gefördert werden, um eine offene und inklusive Gesellschaft zu schaffen. Solche Ansätze sind entscheidend, um die Resilienz gegenüber extremistischen Narrativen zu stärken und zukünftige Radikalisierungen zu verhindern.
Extremismusexpertin Julia Ebner diagnostiziert eine Radikalisierung der Mitte in den USA und Europa. Eine FALTER Radio Lecture mit Tessa Szyszkowitz am Vienna Humanities Festival.