#639 - Historiker Meron Mendel über Israel, Palästina & Antisemitismus
Apr 27, 2023
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Meron Mendel, israelisch-deutscher Pädagoge und Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, spricht über Antisemitismus, Antijudaismus und den Israel-Palästina-Konflikt. Er reflektiert über seine Kindheit im Kibbuz und die Herausforderungen des Militärdienstes in Israel. Mendel kritisiert den Aufstieg extremistischer Ansichten in der israelischen Politik und die deutsche Staatsräson in Bezug auf Israel. Außerdem beleuchtet er die Rolle der BDS-Bewegung und diskutiert die komplexen Beziehungen zwischen Israel, Palästina und Antisemitismus.
Mendel erläutert den Unterschied zwischen Antisemitismus und Antijudaismus, wobei Letzterer tiefere kulturelle Wurzeln in Europa hat.
Die Bildungsstätte Anne Frank fördert interkulturelle Begegnungen und thematisiert Vorurteile und Diskriminierung für verschiedene Zielgruppen.
Mendel kritisiert die BDS-Bewegung für ihre potenziellen antisemitischen Tendenzen, die den Dialog zwischen Israelis und Palästinensern gefährden könnten.
Die komplexen geopolitischen Herausforderungen Israels und deren Auswirkungen auf interne ethnische Beziehungen erfordern differenzierte Perspektiven für Lösungen.
Mendel fordert Deutschland auf, sich ehrlich mit seiner Geschichte auseinanderzusetzen, um aktuelle Diskurse über Israel und Palästinenser zu gestalten.
Deep dives
Mehron Mendels Hintergrund und Bildungsarbeit
Mehron Mendel lebt in Frankfurt und ist Professor für soziale Arbeit sowie Leiter der Bildungsstätte Anne Frank. Dort engagiert er sich seit vielen Jahren in der Bildungsarbeit, die sich mit Toleranz, Demokratie und den Gefahren des Rechtsextremismus auseinandersetzt. Mandel hat einen besonderen Fokus auf die Relevanz von Anne Franks Tagebuch für die heutige Zeit und hebt hervor, wie ihre Fragen zur Menschlichkeit auch gegenwärtige gesellschaftliche Konflikte widerspiegeln. Diese Bildungsstätte versucht, Jugendlichen und anderen Gruppen eine neue Perspektive zu bieten, um Vorurteile und Diskriminierung zu hinterfragen.
Die Rolle der Bildungsstätte Anne Frank
Die Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt fungiert als ein Ort des Lernens für verschiedene Bevölkerungsgruppen, einschließlich Jugendlicher, Polizei und Firmen. Sie zielt darauf ab, Themen wie Vorurteile, Diskriminierung und Menschenrechte auf eine verständliche Art und Weise zu vermitteln. Mit einem innovativen Konzept, das auf Peer-Gruppen basiert, lernen die Jugendlichen von Gleichaltrigen und können mit eigenen Erfahrungen sowie aktivem Handeln zur Diskussion beitragen. Darüber hinaus wird betont, dass die schulischen Systeme oft nicht genug auf solche wichtigen Themen eingehen, was die Bildungsstätte umso relevanter macht.
Ambivalenz des Antisemitismus und Vorurteile
Mendel diskutiert, dass jeder Mensch Vorurteile hat, die aus persönlichen Erfahrungen und sozialer Prägung resultieren. Er beleuchtet, wie gefährlich es ist, Unbewusstheit über eigene Vorurteile zu entwickeln, und bringt Beispiele, wie Vorurteile nicht nur in der Jugend, sondern auch in professionellen Umfeldern wie der Polizei präsent sind. Besonders wichtig ist ihm, dass nicht nur Jugendliche, sondern auch Erwachsene lernen müssen, diese Vorurteile zu reflektieren und zu hinterfragen. Er betont, dass das Verständnis, woher Vorurteile kommen, entscheidend ist, um sie zu überwinden.
Die Wurzeln des Antisemitismus
Mendel thematisiert die historischen Wurzeln des Antisemitismus und wie dieser über die Jahrhunderte in europäischen Kulturen verwurzelt ist. Er erläutert, dass Antisemitismus oft mit religiösen und kulturellen Vorurteilen einhergeht und von einer tiefen Ausgrenzung von Juden zeugt. Diese beschleunigte gesellschaftliche Teilung hat nie wirklich aufgehört und manifestiert sich bis heute in Vorurteilen, die in ganz unterschiedlichen Gesellschaften, auch in Asien, entstanden sind. Mendel plädiert dafür, sich mit diesen historischen Kontexten auseinanderzusetzen, um das gegenwärtige Verständnis des Antisemitismus zu schärfen.
Vergangenheit und gegenwärtige Konflikte in Israel
Mendel erläutert, dass die Gründung Israels viele unterschiedliche Perspektiven hat und historische Kontextualisierung erfordert. Er erkennt an, dass das emotionale Gewicht des Holocaust bedeutend ist, um den Ursprung Israels zu verstehen, während gleichzeitig die Rechte der Palästinenser nicht aus den Augen verloren werden dürfen. Diese Komplexität erzeugt Spannungen und Herausforderungen, die in aktuellen sozialen Diskussionen berücksichtigt werden müssen. Die Verhältnisse zwischen Israelis und Palästinensern sind geprägt von der Notwendigkeit, dies zu reflektieren und eine friedliche Lösung zu finden.
Antisemitismus und koloniale Diskurse
Der Podcast beleuchtet die Thematik des Antisemitismus im Kontext kolonialer Herrschaft und wie diese historische Prägung zu gegenwärtigen Konflikten beiträgt. Mendel erklärt, dass Antisemitismus oft als koloniale Binarität gesehen wird, die Juden in einen Opfer- oder Täterstatus zwingt. Dies beeinflusst nicht nur den Diskurs über Antisemitismus, sondern auch, wie das Existenzrecht Israels wahrgenommen wird. Mendel plädiert dafür, kollektive Identitäten differenzierter zu betrachten, um Vorurteile zu reduzieren und gegenseitige Verständigung zu fördern.
Boykott und die Kritik an BDS
Mendel äußert Kritiken an der BDS-Bewegung, insbesondere in Bezug darauf, wie diese das Diskussionsklima in Bezug auf Israel und Palästinenser beeinflusst hat. Er argumentiert, dass während die Bewegung legitime Ansprüche hat, sie auch radikale Kräfte auf beiden Seiten stärkt und damit den friedlichen Dialog gefährdet. Die Problematik bei BDS besteht darin, dass diese Bewegung auch antisemitische Tendenzen beherbergen kann, was die Komplexität der Diskussion weiter steigert. Er fordert eine differenzierte Betrachtung der Boykottbewegung und die Suche nach Alternativen, die friedliche Koexistenz fördern.
Die geopolitische Dynamik und ihre Herausforderungen
Mendel beschreibt die geopolitischen Herausforderungen, mit denen Israel konfrontiert ist, und wie diese das interne Zusammenleben der verschiedenen Ethnien und Kulturen beeinflussen. Er betont, dass der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern nicht nur einen lokalen Charakter hat, sondern in einem größeren internationalen Kontext steht, der durch Sicherheitsbedenken geprägt ist. Diese Dimensionen müssen in die Diskussion einbezogen werden, um den komplexen Realitäten zu begegnen und Lösungen zu finden. Mendel zieht Parallelen zwischen der internationalen Politik und den lokalen Auswirkungen und fordert ein Umdenken in der Dialogkultur.
Der Umgang mit der deutschen Geschichte
Der Podcast thematisiert, wie Deutschland mit seiner Geschichte im Kontext des Antisemitismus und der Staatsräson umgeht. Mendel fordert eine ehrliche Auseinandersetzung mit der Geschichte, die nicht von der Schuld des Holocaust ablenkt, sondern vielmehr als Fundament dient, um aktuelle Diskurse zu führen. Gleichzeitig warnt er vor einer Verflachung des Diskurses, die zu einer verkürzten Betrachtung der Realität führt, indem einfach auf das Schuldthema verwiesen wird. Die Notwendigkeit, Deutschland als Teil des Dialogs zu sehen, wird als essenziell erachtet, um eine wechselseitige Perspektive im Umgang mit Israel und den Palästinensern zu schaffen.
Perspektiven für die Zukunft
Mendel betont die Wichtigkeit, konstruktive und empowernde Ansätze zu fördern, die den Dialog zwischen Israelis und Palästinensern unterstützen. Er sieht die aktuellen Entwicklungen in Israel kritisch, hat jedoch auch Hoffnung, dass durch Bildung und interkulturelle Zusammenarbeit Veränderungen möglich sind. Diese Perspektiven erfordern eine engagierte Diskussion über die Herausforderungen, die die jeweiligen Gemeinschaften überwinden müssen. Der Ausblick auf eine Potenzialveränderung hin zu einem respektvollen Miteinander wird als positiver Schritt gesehen, den es zu fördern gilt.
Politik für Desinteressierte
Zu Gast im Studio: Meron Mendel, israelisch-deutscher Pädagoge, Professor für Soziale Arbeit und Direktor der Bildungsstätte Anne Frank. Im März 2023 erschien beim Verlag Kiepenheuer & Witsch sein Buch "Über Israel reden. Eine deutsche Debatte"
Ein Gespräch über Antisemitismus vs Antijudaismus vs Judenhass und der Unterschied zu Rassismus, Merons Jugend im Kibbuz, seine Zeit im Militär und das Begreifen der israelischen Besatzung der Palästinensergebiete, Itamar Ben-Gvir und der Aufstieg der Faschisten in Israel, Israels Weg in die Diktatur, deutsche Staatsräson, Propaganda und Hasbara, Frieden und der Kampf gegen die Besatzung der Palästinenser, Zionismus und Antizionismus, der jüdische Staat und Demokratie, Apartheid, Gaza, die BDS-Bewegung und Antideutsche uvm. + eure Fragen via Hans
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