Warum Putin nicht zurückschlägt (Tag 912 mit Margarete Klein)
Aug 23, 2024
auto_awesome
Margarete Klein, Expertin von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, analysiert die Reaktionen Russlands auf den ersten Einmarsch ausländischer Truppen seit dem Zweiten Weltkrieg. Sie erklärt, warum Putin zögert und wie der Ukraine-Angriff in Kursk strategisch wichtig für Kiew ist, um in Friedensgespräche zu gehen. Zudem erörtert sie, wie Russland langfristig Soldaten rekrutiert, während eine Pattsituation an der Front droht. Klein beleuchtet auch die geopolitischen Implikationen dieser Entwicklungen und die Rolle internationaler Unterstützung.
Die ukrainische Offensive in Kursk zeigt, dass die Ukraine unerwartete strategische Vorteile nutzen kann, während Russland aufgrund der militärischen Erfolge im Donbass unter Druck steht.
Die militärische Situation zwingt sowohl die Ukraine als auch Russland aufgrund begrenzter Ressourcen zu Verhandlungen, während westliche Unterstützung zudem neue Möglichkeiten eröffnet.
Deep dives
Geheime Ukraine-Invasion in Kursk
Ukrainische Streitkräfte haben eine geheime Operation in die russische Region Kursk gestartet, an der schätzungsweise zwischen 10.000 und 15.000 Soldaten beteiligt sind. Diese unerwartete militärische Bewegung kam ohne vorherige Abstimmung mit westlichen Führungspersönlichkeiten, was von Beobachtern als bedeutend eingeschätzt wird. Diese Aktion hat die russischen Kräfte, die auf den Vorstoß unvorbereitet waren, überrascht und zeigt, dass die Ukraine in der Lage ist, einen Überraschungseffekt zu nutzen. Es bleibt jedoch unklar, wie lange die ukrainischen Streitkräfte ihre Offensive fortsetzen können und welche strategischen Ziele sie in dieser Region verfolgen.
Zunehmender Druck im Donbass
Während die Aufmerksamkeit auf die Region Kursk gerichtet ist, verzeichnete die Ukraine im Donbass teilweise kritische Entwicklungen, einschließlich des Verlusts des strategisch wichtigen Ortes New York an die russischen Truppen. Dieser Verlust ist alarmierend, da er die ukrainischen Positionen in der Nähe von Torjetsk weiter gefährdet. Trotz des Drucks der russischen Angreifer meldet das Institute for the Study of War, dass ein vollständiger Einkesselungsversuch durch die russischen Streitkräfte bislang gescheitert ist. Dennoch zeigt die Lage, dass die Ukraine sehr wachsam bleiben muss, um weitere Verluste zu vermeiden.
Russische Reaktionen auf ukrainische Angriffe
Auf die beschleunigten Angriffe der Ukraine reagiert Russland, indem es militärisches Personal verlegt und seine Luftangriffe intensiviert, auch weit hinter der Front. Ukrainische Angriffe auf russische militärische Stützpunkte zeigen bisher Wirkung, was sich in einer Abnahme der russischen Luftoperationen in der Ukraine niederschlägt. Berichten zufolge sind ukrainische Drohnenangriffe auf russische Ziele in Krasnodar und Volgograd erfolgreich gewesen, wobei unter anderem russische Flugzeuge beschädigt oder zerstört wurden. Diese Entwicklungen verdeutlichen, dass die Ukraine weiterhin die Fähigkeit besitzt, offensiv zu agieren und die russischen Streitkräfte zu fordern.
Herausforderungen auf dem Weg zu einer Verhandlungslösung
Die militärische Situation hat die Ukraine und Russland in eine Sackgasse geführt, in der beide Seiten auf Verhandlungslösungen zusteuern müssen. Berichte zeigen, dass beiden deren militärischen Mittel fehlen, um offensiv umfassende Fortschritte zu erzielen; die Ukraine kann die russischen Artillerieangriffe nicht ausreichend kontern. In diesem Kontext haben westliche Politiker wie Kamala Harris ihre Unterstützung für die Ukraine bekräftigt, während gleichzeitig neue Militärhilfen in Aussicht gestellt werden. Die Komplexität der Lage deutet darauf hin, dass die Ukraine strategische Vorteile erarbeiten möchte, um ihre Verhandlungsposition zu stärken, was jedoch durch die bevorstehenden Herausforderungen des Winters und die Zerstörung ihrer Infrastruktur erschwert wird.
Wie reagiert Russland auf den ersten Einmarsch fremder Truppen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs? Bislang zögert Wladimir Putin. Das bedeute nicht, dass vielleicht doch noch eine harte Reaktion komme, sagt Margarete Klein von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Für die Ukraine sei der Angriff in der Region Kursk militärisch riskant, weil man jetzt an drei Fronten kämpfe, so Klein im Interview mit Anna Engelke. Für mögliche Friedensgespräche im Herbst sei der Schritt aber nachvollziehbar, weil Kiew nun weitere Gefangene und besetztes Gebiet als Verhandlungsmasse habe. Außerdem gehe es der Regierung in Kiew auch darum, zu zeigen, dass die Ukraine ein Momentum nutzen und in die Offensive gehen könne. Gleichzeitig habe man gezeigt, dass ein Überschreiten mutmaßlich “roter Linien” nicht automatisch zur Eskalation führe. Das könne ein wichtiges Argument für neue Waffenlieferungen sein. Im Interview geht es auch darum, wie Russland langfristig Soldaten rekrutiert. Aus dem Donbass melde Russland Erfolge bei der Offensive, berichtet Carsten Schmiester. Laut amerikanischem Geheimdienst zeichne sich dennoch eine Pattsituation an der Front ab.