Nach dem Holocaust (2/4) - Die Wucht einer Fernsehserie
May 1, 2025
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Katrin Hammerstein ist Historikerin und leitet den Fachbereich Gedenkstättenarbeit in Baden-Württemberg. Sie diskutiert, wie die US-Serie "Holocaust" im Jahr 1979 Millionen Deutsche schockierte und die Debatte über NS-Verbrechen veränderte. Der Begriff „Holocaust“ fand durch die Serie Eingang in den deutschen Diskurs. Hammerstein beleuchtet die gesellschaftlichen Reaktionen, Antisemitismus und die Entwicklung der Erinnerungs- und Gedenkkultur. Zudem wird die ablehnende Haltung der DDR zur Serie thematisiert, was zu einer verzerrten Geschichtserzählung führte.
Die Ausstrahlung der Serie 'Holocaust' 1979 führte zur Etablierung des Begriffs im deutschen Diskurs und schuf ein neues Bewusstsein für die NS-Vergangenheit.
Die emotionale Darstellung in der Serie beeinflusste die Debatte über die Verjährung von NS-Verbrechen und führte zu rechtlichen Veränderungen im deutschen Strafrecht.
Deep dives
Die Auswirkungen der Serie 'Holocaust'
Die Serie 'Holocaust', die Anfang 1979 im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde, führte zu enormen Einschaltquoten und regen Diskussionen in der Gesellschaft. Millionen von Zuschauern verfolgten die fiktive Geschichte der jüdischen Familie Weiß, was nicht nur ein gesteigertes Bewusstsein für den Holocaust schuf, sondern auch erste Identifikation mit dem Thema in deutschen Wohnzimmern ermöglichte. Die emotionale Darstellung in der Serie, die sowohl die Perspektive der Opfer als auch die der Täter einbezog, führte viele Menschen dazu, sich intensiv mit der NS-Vergangenheit auseinanderzusetzen. Diese Art der Präsentation war ungewöhnlich für ein Massenmedium und förderte eine Diskussion über Verantwortung und Schuld, die zuvor vielfach vermieden wurde.
Der Begriff 'Holocaust' in der deutschen Sprache
Mit der Ausstrahlung der Serie etablierte sich auch der Begriff 'Holocaust' in der deutschen Sprache, der zuvor selten verwendet wurde. Die Historikerin Katrin Hammerstein erläuterte, dass bis dahin häufig Begriffe wie 'Völkermord' oder 'Endlösung' verwendet wurden, während 'Holocaust' in den USA bereits verbreitet war. Der Begriff wurde symbolisch für die nationalsozialistische Verfolgung und Vernichtung der Juden und erhielt aufgrund der überwältigenden Wirkung der Serie den Status eines ikonikalen Begriffs. 1979 wurde 'Holocaust' sogar zum Wort des Jahres gewählt, was die immense Einflussnahme der Serie auf das gesellschaftliche Verständnis und Gedächtnis des Verbrechens verdeutlicht.
Politische und gesellschaftliche Debatten nach der Ausstrahlung
Die Debatte über die Verjährung von NS-Verbrechen wurde durch die Serie maßgeblich beeinflusst, und die öffentliche Reaktion führte zu einem Umdenken in der politischen Landschaft. Während der Bundestag über die Aufhebung der Verjährungsfrist entschied, griffen zahlreiche Abgeordnete auf die emotionalen Berichte und Reaktionen zurück, die durch die Serie ausgelöst wurden. Der damalige Justizminister rief zu einer vertieften Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit auf, was schließlich zur Änderung des Strafrechts führte, um sicherzustellen, dass Mord nicht verjährt. Diese rechtlichen und gesellschaftlichen Veränderungen zeugen von der nachhaltigen Wirkung der Serie und deren Rolle in der Aufarbeitung der deutschen Geschichte.
Im Januar 1979 hängen Millionen Bundesbürger vor ihren Fernsehern. Sie schauen die US-Serie "Holocaust" - und viele von ihnen sind schockiert und aufgerüttelt. Die Serie sollte die Debatte über NS-Verbrechen verändern.
Das erwartet Euch in dieser Folge:
(03:40) Der Begriff „Holocaust“ kam mit der US-Serie in den deutschen Diskurs (06:07) Von Hadamar bis Auschwitz: Was die Serie erzählt (13:28) Kritik an der Ausstrahlung (16:50) Die Debatte über die Verjährung von Mord und die Wirkung der Serie (19:30) Weltmeister der Vergangenheitsbewältigung?
Unser Gast in dieser Folge:
Katrin Hammerstein ist Historikerin. Sie leitet den Fachbereich Gedenkstättenarbeit bei der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg. Ihre Doktorarbeit hat sie über den Umgang mit der NS-Vergangenheit in der Bundesrepublik, der DDR und Österreich geschrieben ("Gemeinsame Vergangenheit - getrennte Erinnerung?", Wallstein 2017).
Die Macherinnen und Macher dieser Folge:
Host: Anh Tran Regie, Produktion und Musik: Robert Hauspurg Recherche und Redaktion: Monika Dittrich
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