#243 deep dive: Anneliese Rohrer über Österreichs Politik
Feb 15, 2023
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Anneliese Rohrer, eine Pionierin im österreichischen Politikjournalismus mit über 50 Jahren Erfahrung, beleuchtet die zunehmend angespannte Beziehung zwischen Politik und Medien. Sie diskutiert das schwindende Vertrauen der Bürger in beide Bereiche und hebt die Verantwortung der Journalisten für eine objektive Berichterstattung hervor. Außerdem wird die Rolle der direkten Demokratie und die Verbesserung der politischen Bildung thematisiert. Rohrers Einsichten zur Zukunft der Medien und die Herausforderungen für den Journalismus runden das aufschlussreiche Gespräch ab.
Anneliese Rohrer hebt hervor, dass das Vertrauen zwischen Journalisten und Politikern heute stark gesunken ist, was die Berichterstattung negativ beeinflusst.
Der Wandel im Journalismus seit den 1970er Jahren zeigt, dass persönliche Kontakte und tiefere Gespräche zur Qualität der Berichterstattung beitrugen, was heute oft fehlt.
Rohrer betont die Rolle der Zivilgesellschaft und die Notwendigkeit, dass Bürger aktiver an politischen Diskussionen teilnehmen, um die Demokratie zu stärken.
Deep dives
Anfänge der Karriere von Anneliese Rohrer
Anneliese Rohrer begann ihre journalistische Karriere im Jahr 1974, als sie ohne vorherige Veröffentlichung direkt die Chefredaktion der Tageszeitung "Die Presse" betrat. Sie brachte keine formelle Journalismus-Ausbildung mit, sondern einen ungewöhnlichen Werdegang, der sie von Neuseeland zurück nach Österreich führte. Ihr Zugang zu Bildungsthemen wurde geschätzt, was dazu führte, dass sie schnell eingestellt wurde. Dies verdeutlicht, wie sich der Zugang zum Journalismus im Laufe der Jahre verändert hat, wobei heutige Aspiranten oft über formale Ausbildungen in Journalismus-Schulen in den Medienmarkt eintreten müssen, was eine Diversität behindert, die damals noch gegeben war.
Entwicklung des Journalismus in Österreich
Rohrer reflektiert über die Veränderungen im Journalismus seit den 1970er Jahren, insbesondere über die Zeit, die Journalisten für Recherche und Informationssammlung hatten. Damals war es normal, Mittagsessen mit Politikern zu verbringen, um tiefere Einblicke in politische Themen zu gewinnen. Diese direkten Kontakte und informellen Gespräche trugen zur Qualität und Genauigkeit der Berichterstattung bei. Im Gegensatz dazu ist der heutige Journalismus oft durch eine sterile und distanzierte Berichterstattung geprägt, da viele Journalisten jetzt lieber per Livestream oder auf Computerbildschirme schauen, anstatt direkt mit Informanten zu sprechen.
Verhältnis zwischen Politik und Medien
Das Verhältnis zwischen Journalisten und Politikern hat sich in den letzten Jahrzehnten drastisch verändert, wobei Rohrer anmerkt, dass Misstrauen und Distanz gewachsen sind. Während der Vergangenheit eine informelle Vertrautheit und gegenseitigen Respekt herrschte, wird heute eine tiefes Misstrauen zwischen beiden Seiten beobachtet. Rohrer argumentiert, dass dadurch die Qualität der Berichterstattung leidet, da Journalisten nicht mehr die gleichen Einblicke in die politische Realität erhalten. Sie schlägt vor, dass Journalisten zu einer sachlicheren Berichterstattung zurückkehren sollten, um das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Medien und die Politik wiederherzustellen.
Kritik an der politischen Berichterstattung
Anneliese Rohrer kritisiert die Tendenz der Medien, persönliche und emotionale Aspekte der Politik über konstruktive, sachorientierte Analysen zu stellen. Diese Fokussierung auf persönliche Anektoten führt oft zu Sensationsberichterstattung, welche die eigentlichen politischen Probleme ausblendet. Sie hebt hervor, dass die Medien eine Verantwortung haben, die Wahrheit abzubilden und sich weniger von populistischen Strömungen leiten zu lassen. Dieser trend, so Rohrer, hat nicht nur Auswirkungen auf das Vertrauen der Bürger zu ihrer politischen Vertretung, sondern untergräuft auch die Demokratie selbst.
Zukunft des Journalismus und der Zivilgesellschaft
Rohrer betont die Notwendigkeit einer aktiven, informierten Zivilgesellschaft und hebt hervor, wie wichtig es ist, dass Bürger sich für politische und gesellschaftliche Themen interessieren und engagieren. Die politischen Verhältnisse in Österreich, sowie der Wandel der Medienlandschaft erforden, dass sich die Menschen nicht einfach abwenden, sondern an der Diskussion aller öffentlichen Angelegenheiten teilnehmen. Sie empfiehlt, dass Schulen in der politischen Bildung verbessert werden, um ein kritisches Bewusstsein zu fördern. Wille zur Teilnahme und der Einfluss von sozialen Medien könnten dazu beitragen, Veränderungen in der politischen Landschaft herbeizuführen.
Anneliese Rohrer beobachtet Politik und Medien seit 50 Jahren. Beide haben ähnliche Probleme: Die Menschen schenken ihnen wenig Vertrauen. Der Politik treten sie sogar oft mit Verachtung gegenüber. Das Verhältnis von Journalisten und Politikern zeichnet sich auch nicht unbedingt durch gegenseitigen Respekt aus. Wie kommen wir da raus? Ein deep dive.
Anneliese Rohrer gilt als "Grande Dame" des österreichischen Politikjournalismus, auch wenn sie den Ausdruck selbst nicht mag. Sie schreibt für Die Presse, schrieb für den Kurier, das DATUM und viele mehr.
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