Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Siemens-Industrievorstand Cedrik Neike im Interview
Dec 20, 2024
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Robert Habeck, Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister der Grünen, diskutiert offen über die Herausforderungen der deutschen Wirtschaft und die Energiewende. Er spricht über den Umgang mit Konflikten in der Politik und die Notwendigkeit, die Industrie zu stärken. Cedrik Neike, Siemens-Industrievorstand, erläutert die Strategie des Unternehmens in Bezug auf China, trotz geopolitischer Spannungen. Beide betonen die Bedeutung von Innovation und günstigen Energiepreisen für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie.
Robert Habeck betont die Notwendigkeit einer Transformation der Industrie, um die Wettbewerbsfähigkeit in einem globalisierten Markt zu gewährleisten.
Cedric Neike legt dar, wie wichtig die effektive Nutzung von Daten und Künstlicher Intelligenz für die Optimierung industrieller Prozesse ist.
Die Diskussion über kleinere, flexiblere Produktionsstandorte weist auf einen Trend hin, der sowohl ökonomische als auch ökologische Vorteile fördern kann.
Deep dives
Die Herausforderungen der deutschen Industrie
Die aktuelle Lage der deutschen Industrie ist ernst, mit Rückgängen in der Auslastung, die sogar unter den Werten früherer Rezessionsphasen liegen. Besondere Schwierigkeiten treten in energieintensiven Branchen sowie in der Automobilindustrie auf, die durch verstärkten Wettbewerb, insbesondere aus China, unter Druck geraten sind. Wirtschaftsminister Robert Habeck wies darauf hin, dass die Abhängigkeit von ausländischen Halbleitern eine strategische Herausforderung darstellt und eine Transformation der Industrie erforderlich ist. Diese Transformation ist entscheidend, um in einem globalisierten Markt konkurrenzfähig zu bleiben und den Verlust von Arbeitsplätzen zu verhindern.
Strategien zur Wettbewerbsfähigkeit
Habeck betont, dass die Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen durch steuerliche Gutschriften und Subventionen für Technologieunternehmen notwendig ist, um Investitionen in Deutschland zu fördern. Er argumentiert, dass der bestehende Subventionsansatz in der Vergangenheit nicht den gewünschten Erfolg brachte und es an der Zeit sei, neu zu denken. Ein konkretes Beispiel, das er anführt, ist der Inflation Reduction Act in den USA, der als Vorbild für ähnliche Anreize in Deutschland dienen kann. Die Herausforderung besteht darin, eine Politik zu entwickeln, die sowohl wirtschaftlichen Erfolg als auch Energiewende mit sozialer Verantwortung vereint.
Die Rolle der Technologie und KI
Es wird hervorgehoben, dass Technologie, insbesondere Künstliche Intelligenz (KI), eine Schlüsselrolle bei der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie spielt. Cedric Neike, CEO von Siemens Digital Industries, erklärt, dass die deutschen Unternehmen ihre Daten effektiv nutzen müssen, um spezifische KI-Modelle für industrielle Anwendungen zu entwickeln. Solche Modelle können helfen, Prozesse zu optimieren und somit die Effizienz zu steigern. Zudem wird darauf hingewiesen, dass der richtige Umgang mit der gesellschaftlichen Akzeptanz von KI entscheidend ist, um das Vertrauen der Arbeitnehmer zu gewinnen und neue Lösungen erfolgreich zu integrieren.
Möglichkeiten für eine Reindustrialisierung
Die Diskussion berührt auch die Möglichkeit einer Reindustrialisierung in Deutschland, die durch kleinere, flexiblere Produktionsstandorte vorangetrieben werden könnte. Im Gegensatz zu großen Gigafactories wird ein Trend hin zu kleineren, effizienteren Produktionsanlagen sichtbar, um die Kosten zu reduzieren und die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Unternehmen wie Gustavo Gusto, ein Start-up für Tiefkühlpizzas, zeigen bereits, wie lokale, nachhaltige Produktionsmethoden implementiert werden können. Diese Entwicklung könnte nicht nur der deutschen Wirtschaft zugutekommen, sondern auch die ökologische Nachhaltigkeit unterstützen.
Zukunftsausblick und Schlussfolgerungen
Die Experten betonen die Notwendigkeit von Investitionen in Innovation und Technologie, um die deutsche Industrie für die Zukunft zu rüsten. Dabei sind mentale Flexibilität und die Bereitschaft, sich an globalen Entwicklungen zu orientieren, entscheidend. In der Zukunft wird die Verbindung zwischen digitaler und physischer Produktion vermutlich einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, den es zu nutzen gilt. Die Integration von Innovationen könnte die Chance bieten, die deutsche Industrie auf internationalem Niveau zu stärken und den Herausforderungen der Zeit erfolgreich zu begegnen.
In der neuen Folge von Handelsblatt Disrupt hören Sie zwei Interviews vom Handelsblatt-Industriegipfel: Dort hat Chefredakteur Sebastian Matthes zunächst mit Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gesprochen und anschließend mit Siemens-Industrievorstand Cedrik Neike.
Habeck räumt im Interview mit Matthes ein, dass das Bild, das die inzwischen zerbrochene Ampelkoalition in der Öffentlichkeit abgegeben habe, oft das einer Zank-Koalition gewesen sei. Gefragt, ob er sich vorstellen könne, in der Zukunft mit der CSU zu regieren, antwortet Habeck: „Es ist der richtige Umgang mit Konflikten, der ein Land zusammenhält und eine gute Regierung ausmacht. Und ich habe nicht viel Vertrauen, dass dieser Umgang gerade in der Union geübt wird.“ Und dann macht er einen überraschenden Vergleich auf: zur Liebe.
Habeck und Matthes diskutieren außerdem über den Zustand der deutschen Wirtschaft und Wege, um aus der Krise zu gelangen. Wie kann die heimische Industrie gestärkt werden? Was sind Habecks Antworten auf die Kritik an der Industriepolitik der Ampel? Und wie steht es um die Klimaziele sowie den Kurs für die Energiewende? Die Antworten hören Sie im ersten Teil dieser Folge.
Mit Siemens-Manager Neike spricht Matthes über den richtigen Umgang mit China. Trotz der wachsenden geopolitischen Spannungen setzt Siemens stark auf den chinesischen Markt. „Wir dürfen uns jetzt vor allem nicht aus China zurückziehen“, sagt Neike, der bei Siemens die Sparte Digital Industries (DI) verantwortet.
In dem Gespräch räumt Neike auch Fehler in der eigenen China-Strategie ein: „Wir sind wahrscheinlich nicht schnell genug in China gewesen.“ Somit hätten starke lokale Wettbewerber nachwachsen können. Und das habe auch Konsequenzen für das Gesamtgeschäft von Siemens. Im November hatte der Konzern zwar einen Rekordgewinn verzeichnet, aber trotzdem einen Stellenabbau im Automatisierungsbereich angekündigt.
Vor seiner Zeit bei Siemens hat Neike 16 Jahre lang bei Cisco im Silicon Valley gearbeitet. Im Gespräch mit Matthes geht es auch um den Wechsel von dort zu einem deutschen Traditionskonzern, um die Chancen und Risiken der deutschen Wirtschaft und die Bedeutung von Neugier, Mut und Erdung bei Führungskräften, um die Herausforderungen der Zukunft anzugehen.
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