Franz Fischler, ehemaliger Landwirtschaftskommissar, Tonia Matrobuoni, Korrespondentin der La Repubblica, und Wolfgang Böhm, Journalist bei Die Presse, diskutieren über die schwerwiegenden Folgen der Pandemie für die EU. Sie beleuchten den Impfnationalismus und die politischen Spannungen innerhalb der EU, insbesondere Österreichs Rolle. Gleichzeitig wird die Herausforderung des europäischen Rechtspopulismus thematisiert und die Notwendigkeit einer stärkeren Zusammenarbeit der Staaten hervorgehoben, um gemeinsame Probleme effektiv zu bewältigen.
Die Diskussion um den Impfstoffeinsatz zeigt, wie nationale Alleingänge das Vertrauen zwischen den EU-Mitgliedstaaten erheblich untergraben können.
Trotz der Herausforderungen bietet die Pandemie die Chance für die EU, durch gemeinsame Maßnahmen und Investitionen wie den Recovery Fund gestärkt aus der Krise hervorzugehen.
Deep dives
Impfnationalismus in Europa
Die Diskussion über den Impfstoffeinsatz in Europa verdeutlicht den aufkommenden Impfnationalismus, da ursprünglich eine gemeinsame Bestellung von Impfstoffen angestrebt wurde, die jedoch nicht einheitlich durchgeführt wurde. Anstatt Solidarität zu zeigen, sind Mitgliedstaaten wie Österreich auf nationale Strategien umgeschwenkt, was zu einem Durcheinander führte und einer Spaltung innerhalb der EU Vorschub leistete. Österreichs Kanzler hat versucht, sich für mehr Impfstoff für benachteiligte Länder einzusetzen, jedoch zeigt die Realität, dass dies eher negative Auswirkungen auf die internationale Reputation Österreichs hatte. Diese Entwicklungen werfen Fragen über die Effizienz der gemeinsamen europäischen Impfstoffbeschaffung und das Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten auf, die durch einzelne nationale Alleingänge untergraben wird.
Österreichs Rolle in der EU-Dynamik
Österreich hat durch seinen nationalen Alleingang in der Impfstoffverteilung sowohl politisches Ansehen als auch internationale Beziehungen gefährdet. Es wurde kritisiert, dass der österreichische Kanzler mit seiner Forderung nach größerer Solidarität und der anschließenden Zurücknahme dieses Anliegens die EU-Idee untergraben hat. Dies wird als Versuch interpretiert, interne Probleme abzulenken, wobei Österreich nicht zu den Ländern gehört, die am meisten unterversorgt sind, und daher nicht gegenüber anderen Staaten solidarisch handeln kann. Auch wenn Österreich auf ein besseres Impfangebot für Bulgarien gedrängt hat, steht das Land im mittleren Bereich der Impfquote da, ohne einen nennenswerten Gewinn an Impfstoff zu erzielen.
Zukunft der politischen Einheit in Europa
Die Pandemie hat sowohl Herausforderungen als auch Chancen für die europäische Einheit offenbart, da viele Mitgliedstaaten zögerlich sind, ihre Souveränität aufzugeben. Das Missmanagement der Impfstoffbeschaffung zeigt die Notwendigkeit einer stärkeren zentralen Steuerung, um die Effizienz zu steigern und die Probleme gemeinschaftlich anzugehen. Es gibt jedoch also auch Optimismus, dass die Europäische Union aus dieser Krise wachsen kann, insbesondere durch die Einführung von Maßnahmen wie dem Recovery Fund, der bedeutende Investitionen ermöglicht. Der Fokus auf soziale Themen und eine effektivere Zusammenarbeit könnten langfristig dazu führen, dass das Vertrauen der Bürger in die EU wächst, insbesondere wenn die Union zeigen kann, dass sie in der Lage ist, ihre Herausforderungen erfolgreich zu meistern.
US-Nobelpreisträger Paul Krugman attestiert durch die Pandemie schwere Schäden für die Europäische Union. Hat Krugman recht? Zu hören: EU-Abgeordneter Thomas Waitz (Grüne), Ex-Landwirtschaftskommissar Franz Fischler, Journalistin Tonia Matrobuoni (La Repubblica), Journalist Wolfgang Böhm (Die Presse)
Lesen Sie den FALTER vier Wochen lang kostenlos: https://abo.falter.at/gratis
Diese Debatte können Sie ab Freitag auch auf https://www.falter.tv sehen