Marlen Hobrack: Benachteiligung durch Klassenzugehörigkeit
Nov 4, 2024
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Marlen Hobrack, eine deutsche Literaturkritikerin und Schriftstellerin, diskutiert mit Jürgen Wiebicke die tiefgreifenden Auswirkungen von Klassenzugehörigkeit auf Chancengleichheit. Sie beleuchtet, wie Klassismus, Rassismus und Sexismus miteinander verknüpft sind und fordert ein Umdenken in der Gesellschaft. Hobrack zeigt auf, wie Identitätsbildung durch Klassen beeinflusst wird und thematisiert den Teufelskreis von Armut und Bildung. Anhand der Theorie von Pierre Bourdieu erklärt sie, wie Essgewohnheiten durch soziale Herkunft geprägt sind.
Klassismus beeinflusst signifikant die Chancen und Möglichkeiten von Individuen, insbesondere durch die Prägung der sozialen Herkunft.
Die Sozialisierung innerhalb einer Klasse formt unbewusst das Verhalten und den Habitus von Individuen, was soziale Abgrenzungen verstärkt.
Ein bewusster Umgang mit Klassismus und sozialen Ungleichheiten kann politische Veränderungen anstoßen und zu mehr Chancengleichheit führen.
Deep dives
Die Relevanz von Klassenkämpfen im 21. Jahrhundert
Klassengesellschaften und Klassenkämpfe sind nach wie vor relevante Themen im 21. Jahrhundert, trotz der Veränderungen im Kapitalismus seit dem 19. Jahrhundert. Die ursprüngliche Idee von Marx und Engels, dass die Geschichte von Klassenkämpfen geprägt ist, wird als noch gültig erachtet, auch wenn die sozialen Strukturen komplexer geworden sind. Manchmal scheinen diese Kämpfe im Alltag subtiler, doch sie manifestieren sich in alltäglichen Interaktionen und einem unbewussten Abwerten anderer Klassen. Der gesellschaftliche Fokus auf Klassenunterschiede bleibt stark, auch wenn viele diese Unterschiede nicht offen zugeben oder wahrnehmen möchten.
Definition und Bedeutung von Klassismus
Klassismus wird definiert als die Diskriminierung und Benachteiligung von Menschen aufgrund ihrer sozialen bzw. ökonomischen Klasse. Ähnlich wie bei Rassismus und Sexismus ist Klassismus nicht nur ein Diskriminierungsthema, sondern umfasst eine Ideologie, die solche Diskriminierungen rechtfertigt. Der Begriff hilft, soziale Ungleichheiten zu benennen und deren gesellschaftliche Akzeptanz zu hinterfragen. Die Diskussion über Klassismus zeigt, dass die Wahrnehmung von Klassen und deren zum Teil negativen Eigenschaften immer noch stark verwurzelt ist, auch in den Medien und der öffentlichen Wahrnehmung.
Herkunft und individueller Habitus
Die Sozialisierung in einer bestimmten Klasse beeinflusst das individuelle Verhalten und den sogenannten Habitus einer Person erheblich. Faktoren wie Essgewohnheiten, Kleidung und Verhaltensweisen sind tiefer mit der sozialen Herkunft verwoben, als es vielen bewusst ist. Der Einfluss der Eltern auf die eigene Identität und die Herausforderung, soziale Zugehörigkeit zu definieren, sind zentrale Themen in der Diskussion über Klassismus. Selbst Klassenaufsteiger kämpfen oft mit dem Gefühl, nicht vollständig zu den sozialen Kreisen zu gehören, die sie erreichen möchten.
Klassismus und die Schule
Der Einfluss von Klassenunterschieden ist in Bildungseinrichtungen besonders deutlich zu erkennen. Kinder aus sozial benachteiligten Verhältnissen haben oft schlechtere Bildungschancen, unabhängig von ihren individuellen Fähigkeiten. Diese Korrelation zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg wird als ungerecht empfunden und trägt zur Reproduktion sozialer Klassen bei. Innovative Ansätze in Schulen sind entscheidend, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen und Chancengleichheit zu schaffen.
Politische Implikationen und Zukunftsvisionen
Es wird betont, dass das Bewusstsein für Klassismus und soziale Ungleichheiten zu politischen Aktionen führen sollte, anstatt sich nur mit persönlichem Schuld- oder Schamgefühl zu beschäftigen. Der Gedanke einer klassenlosen Gesellschaft bleibt ein wünschenswerter, jedoch schwieriger Traum, dessen Realisierung konkrete Maßnahmen erfordert. Die Diskussion über Klassismus erfordert, dass soziale Strukturen und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft kritisch hinterfragt werden. Letztlich ist die Herausforderung, soziale Gerechtigkeit zu fördern und aktiv gegen die bestehenden Klassenunterschiede vorzugehen.
Die Herkunft hat in Deutschland immensen Einfluss darauf, welche Chancen sich im Lauf eines Lebens ergeben. Die Autorin Marlen Hobrack spricht mit Jürgen Wiebicke über die Ursachen von Klassismus, die Formen der Benachteiligung und die gesellschaftliche Verantwortung zum Umdenken.
Marlen Hobrack (*1986) ist eine deutsche Literaturkritikerin und Schriftstellerin. In ihrem ersten Buch "Klassenbeste" hat sie am Beispiel ihrer Mutter untersucht, wie sich der soziale Status auf die Chancengleichheit in unserer Gesellschaft auswirkt. Klassismus bleibt eines ihrer Hauptinteressen. Sie fordert ein Umdenken und zeigt Wege zu einer gerechteren Gesellschaft auf.
Woher der Klassenbegriff kommt und wie er sich verändert hat (02:31)
Wie Zuordnung zu einer Klasse über Generationen hinweg funktioniert und sich in den Körpern einschreibt (06:50)
Klassismus, Rassismus, Sexismus: Was Diskriminierung und eine Ideologie der Überlegenheit bewirken (11:59)
Berechtigte Kritik am Begriff Klassismus – und warum er dennoch hilfreich ist (14:18)
Warum Klassismus eine ökonomische, aber heute vor allem auch eine soziale und kulturelle Dimension hat (18:01)
Identitätsbildung: Wie Menschen verschiedener Klassen sich unbewusst voneinander abgrenzen (28:08)
Der Teufelskreis von Armut und mangelnder Bildung: Wie die Klassengesellschaft sich selbst reproduziert (31:22)
Der Habitus-Begriff von Pierre Bourdieu am Beispiel Ernährung: Wir finden das Essen lecker, das ökonomisch zu uns passt (36:22)
Wie das Tattoo als Symbol der Zugehörigkeit funktioniert - in verschiedenen Klassen mit verschiedenen Motiven (43:10)
Klassenkampf: Warum es nicht reicht, Privilegien zu erkennen, sondern die Verhältnisse geändert werden müssen (46:17)
Marlen Hobrack (2022): Klassenbeste: Wie Herkunft unsere Gesellschaft spaltet. Berlin: Hanser. 224 Seiten. 22 Euro. ISBN 978-3446274778
Philosophieren Sie mit über die großen Themen unserer Zeit. Lassen Sie uns gemeinsam nachdenken über KI und Klimawandel, über Einsamkeit und Zusammenhalt, über Glück und Glaube. Das philosophische Radio mit Jürgen Wiebicke immer montags um 19:04 Uhr live in WDR 5. https://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/philosophisches-radio/index.html
Im nächsten Podcast sprechen wir mit Jean-Pierre Wils über Freiheit und Verzicht.
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