Leobersdorf: Geschäftemacherei mit einem früheren KZ - #1259
Nov 15, 2024
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Eva Konzett, Leiterin des Politikressorts beim Falter und Expertin für österreichische Innenpolitik, spricht über die umstrittenen Pläne, einen Gewerbepark auf einem ehemaligen KZ-Gelände in Leobersdorf zu errichten. Sie beleuchtet die finanziellen Machenschaften des Bürgermeisters und die mangelnde Erinnerungskultur in der Gemeinde. Außerdem wird die Korruption in der Kommunalpolitik thematisiert, während das Schicksal der 400 Frauen, die während des Zweiten Weltkriegs dort litten, in den Fokus rückt. Konzett kritisiert auch die Rolle des Bundesdenkmalamtes.
Der geplante Gewerbepark auf dem Gelände eines ehemaligen Konzentrationslagers wirft bedeutende ethische und historische Fragen auf, die oft ignoriert werden.
Die Vermischung von politischen und geschäftlichen Interessen des Bürgermeisters führt zu einem Interessenkonflikt, der die Transparenz im Kommunalwesen gefährdet.
Deep dives
Die Geschichte des Grundstücks
Das Grundstück in Leobersdorf, das vom Bürgermeister Andreas Ramharter verkauft wurde, war früher der Standort eines der größten Frauenkonzentrationslager in Österreich. Diese neun Hektar große Brache, die nun für einen Gewerbepark vorgesehen ist, birgt bedeutende historische Fragestellungen. Überreste, wie alte Bauten und Gegenstände aus der NS-Zeit, sind auf dem Grundstück noch sichtbar, auch wenn die meisten Bürger diese Vergangenheit kaum registrieren. Die Entscheidung, dieses belastete Gelände für wirtschaftliche Zwecke zu nutzen, wirft erhebliche ethische Bedenken auf, da es nicht nur Frauenlager, sondern auch ein Zwangsarbeiterlager beherbergte, was die Erinnerung an die Opfer stark belastet.
Der Bürgermeister und seine Interessenkonflikte
Andreas Ramharter agiert nicht nur als Bürgermeister, sondern auch als erfolgreicher Geschäftsmann, der Immobilienfirmen betreibt und im Gemeinderat eine Mehrheitsliste führt. Dies ermöglicht ihm, Entscheidungen zu treffen, die seinen eigenen finanziellen Interessen dienlich sind, wie die Umwidmung des Grundstücks, die seinen Verkaufspreis dramatisch steigert. Diese praxisnahe Vermischung von politischen und geschäftlichen Interessen stellt einen klaren Interessenkonflikt dar, besonders da Ramharter persönlich von den gewinnbringenden Verkäufen profitiert hat. Solche fragwürdigen Maßnahmen, wie das Umwidmen von Flächen, werfen Fragen zur ethischen Verantwortung und zur Transparenz im Kommunalwesen auf.
Öffentliche Wahrnehmung und Erinnerungskultur
In der Gemeinde scheint das Wissen um die dunkle Geschichte des Grundstücks weitgehend verdrängt zu sein, was auf eine unzureichende Erinnerungskultur hinweist. Viele Bürger sind sich der historischen Bedeutung des ehemals besetzten Geländes nicht bewusst, was durch die Tatsache untermauert wird, dass es kaum öffentliche Diskussionen über die Vergangenheit gibt. Initiativen zur Erinnerung an die Opfer sind spärlich und oft nicht direkt an den historischen Orten angesiedelt. Gleichzeitig gibt es in der Gesellschaft eine Verantwortung, diese Geschichte aktiv aufzuarbeiten, um zukünftige Generationen für die grausame Vergangenheit zu sensibilisieren und das Vergessen zu verhindern.
Im Speckgürtel von Wien soll auf dem Gelände eines ehemaligen Konzentrationslagers ein Gewerbepark gebaut werden – nachdem der örtliche Bürgermeister bei Umwidmungen mitgeschnitten hat. Matthias Winterer und Michael Ortner von der Wiener Zeitung und Eva Konzett berichten im Gespräch mit Lale Ohlrogge (FALTER) über ihre Recherche zu diesem Fall.