Kai Kupferschmidt, ein Wissenschaftsjournalist mit Fokus auf Infektionskrankheiten und Desinformation, diskutiert die komplexe Welt der Misinformation. Er erklärt, warum Pandemien ein Nährboden für Falschnachrichten sind und beleuchtet die Schwierigkeiten bei der Definition von Misinformation. Zudem wird erörtert, wie Desinformation das Vertrauen in Informationen untergräbt. Kupferschmidt zieht Parallelen zwischen Informationskrisen und Ernährung und schlägt Lösungen für einen bewussteren Medienkonsum vor.
Die Unsicherheiten und Ängste zu Beginn einer Pandemie fördern die Verbreitung von Misinformation, was in der COVID-19-Pandemie deutlich sichtbar wurde.
Die Differenzierung zwischen Missinformation und Desinformation ist entscheidend, da sie unterschiedliche Ursachen und Wirkungen auf das menschliche Verhalten haben können.
Deep dives
Die Rolle von Desinformation in der Pandemie
Die Pandemie hat die Aufmerksamkeit auf Desinformation und Missinformation erhöht, insbesondere im Zusammenhang mit Infektionskrankheiten. Dies wird als ein bedeutendes Problem angesehen, da die Ängste und Unsicherheiten, die zu Beginn eines Ausbruchs vorhanden sind, oft das Nährboden für Gerüchte und falsche Informationen darstellen. Bereits in früheren Ebola-Ausbrüchen war Desinformation ein zentrales Thema, jedoch wurde es während der COVID-19-Pandemie auf ein neues Niveau gehoben. Treffer von Desinformation, wie die über die Gefährlichkeit von SARS-CoV-Varianten, zeigen, dass der Informationsbedarf oft durch unwahre Behauptungen gestillt wird, bevor belastbare Daten vorliegen.
Unterscheidung zwischen Missinformation und Desinformation
Die Unterscheidung zwischen Missinformation und Desinformation ist entscheidend, da Missinformation unabsichtlich verbreitet wird, während Desinformation absichtlich irreführend ist. Diese Differenzierung hilft, die Mechanismen zu verstehen, die dazu führen, dass falsche Informationen verbreitet werden. Ein Beispiel sind Gerüchte, die in Krisenzeiten entstehen; obwohl sie möglicherweise nicht immer falsch sind, tragen sie oft zur Verwirrung bei, da ihre Richtigkeit zunächst unklar ist. Forscher wie Kate Starbird argumentieren, dass Gerüchte weniger wertend sind und somit ein nützliches Konzept sind, um über die Ungewissheit in der frühen Phase von Infektionsausbrüchen zu sprechen.
Die historische Perspektive der Desinformationsforschung
Die Forschung zu Gerüchten und Desinformation reicht weit zurück, einschließlich bedeutender Studien im Kontext des Zweiten Weltkriegs. Diese frühen Arbeiten erblickten die Gefahren von Gerüchten als eine Bedrohung für die gesellschaftliche Stabilität. Doch erst nach den politischen Umwälzungen von 2016, wie dem Brexit und der Wahl von Donald Trump, erlebte das Thema ein Comeback und wurde zur aktuellen Herausforderung der Fake News modernisiert. Der Wechsel von der spezifischen Fake-News-Analyse zu einem breiteren Fokus auf Missinformation reflektiert die Komplexität und das Ausmaß der Herausforderungen in der heutigen Informationslandschaft.
Auswirkungen von Missinformation auf das Verhalten
Die Auswirkungen von Missinformation sind umfassend, mit einem besonderen Fokus auf deren Einfluss auf Einstellungen und Verhalten der Menschen. Studien zeigen, dass Menschen durch falsche Informationen in ihrer Entscheidungsfindung beeinflusst werden können, was besonders bei gesundheitlichen Themen wie Impfungen von Bedeutung ist. Die Herausforderungen bei der Messung und dem Nachweis dieser Effekte sind jedoch ausgeprägt, da viele Variablen ins Spiel kommen und direkte Experimente unethisch sein können. Es bleibt unklar, wie groß die Auswirkungen auf breiter Basis sind, aber eindringliche Beispiele wie die Pizzagate-Verschwörung illustrieren die potenziellen Gefahren von Desinformation im echten Leben.
Normalerweise beschäftgt sich Wissenschaftsjournalist Kai Kupferschmidt mit Pandemien. Dass er sich nun mit dem Thema Misinformation befasst hat, ist kein Zufall. Denn vor allem die Anfänge einer Pandemie eigneten sich für Misinformation, sagt Kupferschmidt, „weil die Leute unsicher sind, wie sie sich verhalten sollen, weil sie manchmal einen Grund suchen oder einen Schuldigen“. Und weil so ein Ausbruch Angst schüre. Das habe nicht nur die Covid19-Pandemie gezeigt, sondern auch schon die Spanischen Grippe vor mehr als hundert Jahren.
Kupferschmidt hat sich in einem Stipendium am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston mit den Herausforderungen der Misinformations-Forschung beschäftigt. Vor allem damit, wie schwer es ist, einheitlich zu definieren, was Misinfomation ist. Auch die Auswirkungen sind schwer nachzuweisen. So ist sich die Forschung zwar einig, dass Fehlinformationen Meinungen verändern können, es bleibt aber unklar, inwiefern sie das Verhalten der Menschen beeinflussen.
Warum ist das alles so kompliziert? Sind Fake News doch nicht so gefährlich wie gedacht? Wie grenzt man Misinformation, Desinformation und Fake News voneinander ab? Und was haben Falschnachrichten und Viren gemeinsam? Darüber sprechen Holger Klein und Kai Kupferschmidt diese Woche im Übermedien-Podcast.