Hannes Leidinger, ein Historiker, entführt die Zuhörer in das Wien um 1900, wo große Ideologien aufeinanderprallen. Er diskutiert den Aufstieg des Antisemitismus und die Rolle von Karl Lueger, der diesen aktiv in seiner Rhetorik nutzte. Leidinger beleuchtet auch die pathologisierenden Debatten unter Ärzten und deren Stigmatisierung sozial schwacher Gruppen. Zudem wird die komplexe Beziehung zwischen Hitler und dem Antisemitismus thematisiert und die intellektuelle Bedeutung Wiens, die bis heute nachhallt, hervorgehoben.
Die Diskussion um die Volksgesundheit in Wien um 1900 zeigt, wie gesellschaftliche Ängste in Rassismus und Eugenik umschlagen können.
Karl Luegers politische Rhetorik verstärkt den Antisemitismus und zeigt, dass antisemitische Ideen bereits weit verbreitet waren, bevor es zu Pogromen kam.
Deep dives
Das Ideal des Normmenschen und seine Gefahren
Das Ideal des gesunden Normmenschen wird als gefährlich dargestellt, da es zu einer Pathologisierung von Abweichungen führt. In diesem Kontext wird der Nationalsozialismus nicht als Erfinder solcher Ideen präsentiert, sondern vielmehr als aus bestehenden Ängsten und Wahnvorstellungen hervorgegangen, die in der Gesellschaft bereits vorhanden waren. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Alkoholiker-Debatte und der Diskussion über Menschen, die als 'nicht rettbar' betrachtet werden, was die gesellschaftliche Stigmatisierung verstärkt. Diese Verhaltensmuster finden sich auch in verschiedenen nationalen Gruppen, die einen Drang zur Homogenisierung zeigen und sich abgrenzen wollen, was die gesellschaftlichen Spannungen weiter erhöht.
Karl Lueger und der Aufstieg des Antisemitismus
Karl Lueger wird als bedeutende Figur in der politischen Landschaft Wiens um 1900 hervorgehoben, dessen Rhetorik den Antisemitismus geschickt aufgreift und verstärkt. Dies geschieht in einem Kontext, wo antisemitische Äußerungen bereits weit verbreitet sind, bevor es zu Pogromen kommt. Die Diskussionen über die vermeintliche 'Judenfrage' im Gemeinderat zeigen, dass solche antisemitischen Thesen nicht nur rhetorischer Natur sind, sondern auch zur Gewaltanwendung aufrufen können. Diese Form des politischen Antisemitismus wird als Teil eines breiteren europäischen Trends betrachtet, in dem auch andere gesellschaftliche Bewegungen, wie die soziale und nationale Identität, miteinander verknüpft sind.
Der Einfluss des Zionismus auf die jüdische Identität
Der Zionismus wird als Antwort auf die zunehmende antisemitische Gewalt und Diskriminierung in Europa betrachtet, vor allem im österreichischen Kontext. Figuren wie Theodor Herzl zeigen, wie die jüdische Gemeinschaft in Wien um 1900 trotz der Herausforderungen durch Antisemitismus zur Integration und Mitgestaltung der Gesellschaft beiträgt. Es wird betont, dass die jüdische Intelligenz und Unternehmer in Wien maßgeblich zur kulturellen und wirtschaftlichen Blüte der Stadt beitragen haben, während gleichzeitig der Antisemitismus ungebrochen bleibt. Dies führt zur Notwendigkeit, zwischen der Assimilation in die Gesellschaft und dem Wunsch nach nationaler Identität zu navigieren, was letztlich die Bewegung des Zionismus stärkt.
Politische Extremismen und gesellschaftliche Radikalisierung
Die politische Landschaft Wiens wird von einer zunehmenden Radikalisierung geprägt, die sich sowohl in antisemitischen als auch in anarchistischen Bewegungen manifestiert. Diese Extreme sind nicht nur auf Österreich beschränkt, sondern finden auch in anderen Teilen Europas Anklang, was zu gewaltsamen Auseinandersetzungen führt. Die Suche nach neuen, politischen Erzählungen wird oft mit Gewalt in Verbindung gebracht, besonders bei Gruppen, die sich dem Terror verschreiben. Es wird gezeigt, wie tief diese Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft verwurzelt ist und wie sie von verschiedenen politischen Ideologien getragen wird, die alle in einem breiteren Rahmen des sozialen Wandels stehen.
Wien um 1900 ist eine der größten Städte der Welt, in diesem Schmelztiegel prallen die großen Ideologien und Weltsichten der Zeit aufeinander. Hier befinden sich mit Hitler, Stalin und Tito die drei für Europa prägendsten Diktatoren des zwanzigsten Jahrhunderts zum selben Zeitpunkt nur wenige Kilometer voneinander entfernt, ohne etwas voneinander zu wissen. Die zunächst medizinisch inspirierte Debatte um die Volksgesundheit kippt in Eugenik und Rassismus, der Nährboden für die Unmenschlichkeit der folgenden Jahrzehnte. Das ambivalente Erbe Karl Luegers wird bis heute heftig diskutiert, die Stadt ist damals eine Hochburg des Antisemitismus, aber auch des Zionismus unter der Führung Theodor Herzls. Gleichzeitig floriert die Philosophie, revolutionäre Ideen entstehen, die unser Denken bis in die Gegenwart prägen. In dieser Folge des Podcasts spricht Mariella Gittler mit dem Historiker Hannes Leidinger über soziale und politische Extreme in der Kaiserstadt.
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