Faule Gen Z und langsame Boomer? Psychologe erklärt, warum Generationenklischees nur erfunden sind
Aug 26, 2024
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Prof. Dr. Hannes Zacher, ein Leipziger Arbeits- und Organisationspsychologe, beleuchtet die Herausforderungen von Generationenklischees in der Arbeitswelt. Er argumentiert, dass solche Stereotypen keine wissenschaftliche Grundlage haben und eher als Verkäufertaktiken von Beratungsfirmen fungieren. Zacher betont die Bedeutung der individuellen Lebensspanne und kritisiert die Diskriminierung älterer Arbeitnehmer. Seiner Meinung nach sollten wir die Arbeitswelt für alle verbessern, anstatt veraltete Vorstellungen zu pflegen.
Der Gast betont, dass Generationenklischees konstruiert sind und individuelle Eigenschaften sowie Lebensumstände mehr Einfluss auf das Arbeitsverhalten haben.
Eine differenzierte Betrachtung der Mitarbeitermotivationen ist entscheidend, um Diskriminierung und Missverständnisse im Arbeitsumfeld zu vermeiden.
Deep dives
Die Erfindung von Generationen
Der Gast argumentiert, dass Generationen, wie sie oft dargestellt werden, in Wahrheit konstruiert und nicht real sind. Der Fokus auf Generationen als Kategorisierungsinstrument verschleiert individuelle Eigenschaften und fördert stereotype Annahmen. Empirische Studien, die zur Unterscheidung von Generationen verwendet werden, messen häufig lediglich das Alter und verleihen den Gruppen dann bedeutungsvolle Labels. Dies führt dazu, dass die komplexe Realität menschlichen Verhaltens und Erlebens stark vereinfacht und verzerrt wird.
Komplexität der menschlichen Entwicklung
Es wird darauf hingewiesen, dass historische Ereignisse und technologische Entwicklungen zwar Einfluss auf Menschen haben, jedoch dazu tendieren, übermäßig stark vereinfacht zu werden, wenn diese in Generationen eingeordnet werden. Der Gast betont, dass Menschen dynamisch sind und sich im Laufe der Zeit entwickeln, was der starren Zuordnung zu einer Generation entgegensteht. Eigenschaften und Verhaltensweisen sind nicht festgelegt, sondern verändern sich in der Regel mit der Lebenssituation und den Erfahrungen eines Individuums. Der Fehlschluss, dass alle Mitglieder einer Generation die gleichen Merkmale teilen, führt zu Diskriminierung und Missverständnissen in der Kommunikation und im Management.
Negative Auswirkungen von Stereotypen
Die Verwendung von Generationen als Erklärung für individuelles Verhalten kann zu ökologischen Fehlschlüssen führen. Ein konkretes Beispiel ist die Annahme, dass ein junger Mitarbeiter, der zu spät kommt, dies aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Generation Z tut, anstatt persönliche Umstände in Betracht zu ziehen. Solche Stereotype verstärken nicht nur Vorurteile, sondern können auch die Leistung der Betroffenen negativ beeinflussen, indem sie ihnen suggerieren, dass sie den Erwartungen ihrer Generation nicht genügen. Diese Ängste, bekannt als Stereotype-Threat, schränken das Potenzial der Individuen ein, wenn sie in Schubladen gesteckt werden.
Die Drama der Individualität in der Arbeit
Der Gesprächspartner hebt hervor, dass es entscheidend ist, die individuelle Lebensgeschichte eines Mitarbeiters zu verstehen, anstatt sich ausschließlich auf Generationenlabels zu verlassen. Eine differenzierte Betrachtung von Mitarbeitern fördert das Verständnis für deren Bedürfnisse und Motivationen, was in der Arbeitswelt zu besseren Ergebnissen führen kann. Die Gefahr des Generationalismus besteht darin, dass die relevanten Einflussfaktoren auf Einstellungen und Verhalten, wie Arbeitsbedingungen oder persönliche Umstände, übersehen werden. Eine herkömmliche Betrachtung der Generationen untergräbt die gemeinschaftlichen Bedürfnisse und Werte, die alle Menschen teilen, unabhängig von ihrem Geburtsjahr.
Die junge Generation will nicht arbeiten, die alte Generation versteht nichts von Technik und generell war früher alles besser: Gefühlt vergeht keine Woche, in der nicht auf die verschiedenen Generationen geschimpft wird.
Der Leipziger Arbeits- und Organisationspsychologie Prof. Dr. Hannes Zacher forscht unter anderem zu dem Bereich Altern im Arbeitskontext und sagt: „Generationen werden erfunden“.
Seiner Forschung zufolge gibt es keine wissenschaftlichen Beweise dafür, dass Altersgrenzen mit bestimmten Charaktereigenschaften einhergingen. „Letztendlich geht es hier um eine ganz geschickte Verpackung von Stereotypen, vor allen Dingen gegenüber jüngeren Menschen, aber auch gegenüber Älteren“, sagt Zacher. Mit diesen Stereotypen würden Beraterfirmen Geld verdienen, Medien Aufreger schaffen – nur die dringend benötigten Veränderungen am Arbeitsmarkt würden dadurch nicht geschaffen.
„Wir müssen Arbeit für alle besser machen. Die Jüngeren von heute sind die Alten von morgen“, sagt er. Die sollten gerne, motiviert, länger und auch besser arbeiten wollen. „Aber das ganze Generationenkonzept kann man da aus meiner Sicht ohne Verluste rausstreichen“, sagt Zacher.
Welche Faktoren aus seiner Sicht tatsächlich Auswirkungen auf unsere Arbeitsweise haben, warum Diskriminierung von älteren Arbeitnehmern ein unterschätztes Thema ist und ob Hannes Zacher aller Wissenschaft zum Trotz auch gerne mal über die Gen Z lästert, erfahren Sie in der aktuellen Folge Handelsblatt Rethink Work.
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