Daniel Cohn-Bendit, ehemaliger Europaabgeordneter und Aktivist der 68er-Bewegung, und Claus Leggewie, Politikwissenschaftler und Experte für europäische Politik, tauchen tief in die Herausforderungen des Nationalismus und die Bedeutung der Europawahlen 2019 ein. Sie beleuchten die gesellschaftlichen Veränderungen seit 1968, diskutieren die emotionale Dimension der europäischen Integration und analysieren Angela Merkels Einfluss. Zudem wird die Verbindung zwischen Klimapolitik, sozialer Gerechtigkeit und nationaler Souveränität thematisiert.
Die Diskussion unterstreicht die Notwendigkeit, ein kämpferisches Selbstverständnis für die Europäische Union zu fördern, um den Nationalismus zu bekämpfen.
Die Reflexion über die 68er-Bewegung zeigt, wie historische Proteste heute die europäische Identität und politische Landschaft beeinflussen können.
Deep dives
Die Rolle der Europäischen Union in der Gegenwart
Die Diskussion betont die entscheidende Rolle der Europäischen Union, die aktuellen Herausforderungen anzugehen und ihre Souveränität zu stärken. Insbesondere wird hervorgehoben, dass das Projekt Europa vor großen Herausforderungen steht, einschließlich des grassierenden Nationalismus und des Brexits. Der Dialog zwischen den Diskutanten deutet darauf hin, dass das Gefühl der persönlichen Verantwortung für Europa gestärkt werden muss, um den Druck auf nationalistische Tendenzen zu verringern. Dabei soll ein kämpferisches Selbstverständnis gefördert werden, sodass die Menschen motiviert werden, sich aktiver in europäischen Belangen zu engagieren.
Rückblick auf die 68er-Bewegung
Die Bedeutung der 68er-Bewegung wird analysiert und in den Kontext der heutigen Herausforderungen gestellt. Die Diskutanten reflektieren, wie die politischen und kulturellen Proteste damals den europäischen Raum, in dem sie aufwuchsen, prägten, ohne dass Europa selbst eine zentrale Rolle spielte. Hierbei wird aufgezeigt, dass die Bewegungen von 1968 einen grundlegenden Wandel in der Gesellschaft initiieren konnten, auch wenn sie im politischen Sinne an Boden verloren. Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit wird als wichtig erachtet, um die gegenwärtige politische Landschaft in Europa besser zu verstehen.
Die Zukunft Deutschlands und Europas
Die Rolle Deutschlands in Europa, insbesondere im Licht des bevorstehenden Abschieds von Angela Merkel, wird kritisch beleuchtet. Es wird diskutiert, dass Merkels Unsicherheiten und Widersprüche dazu geführt haben, dass sie die notwendigen Herausforderungen für Europa nicht wirksam adressieren konnte. Der anstehende Bundestagswahlkampf wird als Gelegenheit gesehen, Europa wieder zu einer zentralen politischen Frage zu machen, die nicht ignoriert werden kann. Der Dialog deutet an, dass die neuen politischen Akteure in Deutschland gefordert sind, klare europäische Positionen zu beziehen und gemeinsam Lösungen zu entwickeln.
Herausforderungen der sozialen Gerechtigkeit in Europa
Ein weiterer kritischer Punkt sind die Herausforderungen der sozialen Gerechtigkeit und der notwendigen politischen Antworten auf globale Probleme wie den Klimawandel und Migration. Die Diskutanten sind sich einig, dass nationale Lösungen für diese komplexen Herausforderungen unzureichend sind und eine europäische Zusammenarbeit erfordert wird. Es wird betont, dass die Schaffung von gerechten sozialen Rahmenbedingungen und einer solidarischen Migrationspolitik Priorität haben muss, um dem Aufstieg nationalismusieller Tendenzen entgegenzutreten. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass die europäische Solidarität und eine sozial gerechte Politik in der Debatte um die Zukunft der Union im Vordergrund stehen müssen.
Der grüne Europapolitiker Daniel Cohn-Bendit und der deutsche Politikwissenschaftler Claus Leggewie diskutieren über die Abgründe des Nationalismus und die Chancen der Europawahlen 2019.
Teil 1: Das Gespräch im Belvedere 21 in Wien zur Jahrestagung der europäischen Kulturjournale.