Andreas Kraft, Hoffnungsforscher und Dozent, erforscht seit über zehn Jahren die transformative Kraft der Hoffnung. Cecily Corti, Gründerin von VinziRast, teilt ihre berührenden Erfahrungen im Umgang mit Hoffnung in der Obdachlosenhilfe. Franz Lackner, der katholische Erzbischof von Salzburg, bringt die religiöse Perspektive ins Spiel. Helga Rabl-Stadler, Festspielpräsidentin, leitet die Diskussion ein. Gemeinsam ergründen sie, wie Hoffnung uns in Krisenzeiten leitet und welche Rolle Gemeinschaft und Solidarität dabei spielen.
Hoffnung beeinflusst das psychische Wohlbefinden und hilft Menschen, besser mit Stresssituationen umzugehen und Solidarität zu fördern.
Die kollektive Dimension von Hoffnung entsteht in Gemeinschaften, wo persönliche Beziehungen und Unterstützung ein Gefühl von Sicherheit vermitteln.
Hoffnung wird im Kontext der Säkularisierung relevant, da Privatisierung zu Isolation führen kann, wodurch gemeinsames Hoffen entscheidend wird.
Deep dives
Die Bedeutung der Hoffnung
Hoffnung wird als zentraler Aspekt des menschlichen Lebens betrachtet, insbesondere im Kontext von Widerstand gegen Herausforderungen und Schwierigkeiten. Der Hoffnungsforscher Andreas Kraft erklärt, dass Hoffnung kein garantiertes positives Ergebnis bedeutet, sondern der Glaube an einen Sinn in den Handlungen, egal wie sie ausgehen. Diese Perspektive wurde an Beispielen erörtert, wie etwa dem individuellen Widerstand einer literarischen Figur, die trotz widriger Umstände an die Möglichkeit eines selbstbestimmten Lebens glaubt. Dies deutet darauf hin, dass Hoffnung nicht nur eine emotionale Reaktion ist, sondern auch eine aktive Haltung zur Bewältigung von Lebenshindernissen darstellt.
Hoffnung in Krisenzeiten
In der Diskussion wurde betont, dass Krisen wie die COVID-19-Pandemie neue Herausforderungen mit sich bringen, die die Gesellschaft spalten und Unsicherheiten hervorrufen. Hoffnung ist dabei entscheidend, um durch schwierige Zeiten zu navigieren und die eigene Handlungsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Es wurde erwähnt, dass Menschen, die eine positive Erwartungshaltung pflegen, besser mit Stresssituationen umgehen können und dazu neigen, in Krisenzeiten solidarischer zu handeln. Diese Solidarität kann zu einem kollektiven Wiederaufbau von Hoffnung und Optimismus führen.
Der Einfluss von Hoffnung auf das individuelle Wohlbefinden
Die Forschung zeigt, dass Hoffnung mit einer Verbesserung des psychischen Wohlbefindens verbunden ist, da personen, die Hoffnung empfinden, auch weniger anfällig für Depressionen und Ängste sind. Kraft hebt hervor, dass die Beschäftigung mit positiven Zukunftsperspektiven auch als revolutionär angesehen werden kann, da sie den Menschen dazu anregt, aktiv über ihre Wünsche und Hoffnungen nachzudenken. Die jährliche Erhebung des Hoffnungsbarometers, bei dem tausende von Menschen befragt werden, zeigt, dass die Mehrheit der Befragten Hoffnung für Gesundheit, Familie und persönliche Erfüllung äußert. Diese Erkenntnis unterstreicht die Notwendigkeit, das individuelle und gesellschaftliche Hoffnungspotenzial zu fördern.
Die Rolle der Gemeinschaft in der Hoffnung
Der Symposiumsbeitrag thematisiert die kollektive Dimension von Hoffnung, die in Gemeinschaften entsteht und verstärkt wird. Ein Beispiel ist die Notschlafstelle Winzerast, wo Hoffnung und Hilfe in der Zusammenarbeit und Solidargemeinschaft verwirklicht werden. Die Gründerin Cecily Corti betont, dass persönliche Beziehungen und tatsächliche Hilfsangebote für viele Menschen Hoffnung spenden und eine Gemeinschaft bilden, in der sich Individuen gegenseitig unterstützen. Solche Gemeinschaften können ein Gefühl von Zugehörigkeit und Sicherheit vermitteln, das für die individuelle Hoffnungsbildung von wesentlicher Bedeutung ist.
Die Herausforderung der Hoffnung in der modernen Welt
Die Diskussion um Hoffnung wird auch von der Säkularisierung und den Herausforderungen des modernen Lebens geprägt, wo traditionelle Werte und Überzeugungen oft infrage gestellt werden. Es wird argumentiert, dass die Privatisierung von Hoffnung zu einer gespaltenen Gesellschaft führt, in der viele Menschen völlig alleine mit ihren Hoffnungswünschen umgehen müssen. Diese Isolation kann zu einem Mangel an Hoffnung und einem Gefühl der Ausweglosigkeit führen, weshalb es entscheidend ist, Räume für gemeinsames Hoffen und Handeln zu schaffen. Der Erzengel und andere Teilnehmer betonten, dass Hoffnung nicht nur eine individuelle Angelegenheit ist, sondern in der sozialen Interaktion verwurzelt sein sollte.
Johann Wolfgang von Goethe beschrieb die Hoffnung als Triebfeder des Lebens. Hoffnung ist eine große Macht, vielleicht die größte von allen. Doch wann hilft die Hoffnung dem Menschen und wann schadet sie mehr? Was bedeutet Hoffnung für Kranke oder gar für Sterbende? Und: Gibt es Alternativen zur Hoffnung?
Im ersten Teil des Symposiums der Salzburger Festspiele 2021 wird das Konzept der Hoffnung seziert. Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler spricht einleitende Wort; es folgen Beiträge von Hoffnungsforscher Andreas Kraft, Cecily Corti, Gründerin der Obdachlosen-Notschlafstelle Vinzi Rast, sowie dem katholischen Erzbischof von Salzburg, Franz Lackner. Die Veranstaltung vom 30. Juli 2021 hat Michaell Kerbler moderiert.
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