Kann Österreich jetzt alle Syrer nach Hause schicken?
Dec 10, 2024
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Judith Kohlenberger, Migrationsexpertin an der Wirtschaftsuniversität Wien, und Wolfgang Böhm von der 'Presse' analysieren die komplexe Situation syrischer Flüchtlinge in Österreich. Sie diskutieren die anhaltenden Konflikte in Syrien und warnen vor einer verfrühten Rückkehr. Auch die rechtlichen Hürden von Abschiebungen werden behandelt, da derzeit nur freiwillige Rückkehr möglich ist. Besonders im Fokus stehen die Unsicherheiten der Asylverfahren und die politischen Debatten über die Auswirkungen auf geflüchtete Syrer.
Die aktuelle politische Unsicherheit in Syrien macht eine schnelle Rückführung von Flüchtlingen rechtlich und praktisch problematisch.
Trotz der Euphorie über mögliche Rückkehrmöglichkeiten benötigen syrische Flüchtlinge Unterstützung, um nachhaltig zum Wiederaufbau ihres Landes beizutragen.
Deep dives
Euphorie und Rückkehrpotential der Syrer
Die Stimmung unter Syrern ist nach dem Sturz von Bashar al-Assad euphorisch, da viele an eine Rückkehr in ihre Heimat glauben und hoffen, in einem stabilen Umfeld leben zu können. Dieser Optimismus ist deutlich in den Straßen zu hören, wo Tausende für die Einheit des syrischen Volkes demonstrieren. Europäische Länder, wie Deutschland und Österreich, haben bereits Asylverfahren für Syrer ausgesetzt, in der Erwartung, dass sich viele Flüchtlinge schnell wieder in ihre Heimat begeben werden. Gleichzeitig äußern einige Experten, dass diese Euphorie verfrüht sein könnte, da radikal-islamistische Gruppen immer noch aktiv sind und die Sicherheitslage in Syrien weiterhin instabil bleibt.
Ungewisse Asylverfahren und Abschiebepolitik
Österreich hat die laufenden Asylverfahren für syrische Flüchtlinge gestoppt, was als eine reaktive Maßnahme auf die Veränderung der politischen Lage betrachtet wird. Der Grund dafür liegt darin, dass der Sturz des Assad-Regimes den ursprünglichen Fluchtgrund, die Verfolgung, in Frage stellt, was die Behörden vor neue Herausforderungen stellt. Es besteht die Möglichkeit, dass Asylentscheidungen nach mehr als fünf Jahren nicht rückgängig gemacht werden, während neuere Asylbewerber mit Aberkennungsverfahren rechnen müssen. Diese rechtlichen Unsicherheiten zeigen, dass es für eine schnelle Rückführung von Flüchtlingen noch zu früh ist, da die Lage in Syrien weiterhin unklar bleibt.
Rolle der Migranten und internationale Unterstützung
Syrische Flüchtlinge können bei einer Rückkehr entscheidende Beiträge zum Wiederaufbau ihres Landes leisten, indem sie nicht nur finanzielle Unterstützung bereitstellen, sondern auch demokratische Werte und Erfahrungen aus den Ländern, in denen sie gelebt haben, einbringen. Organisationen wie die Internationale Organisation für Migration (IOM) spielen eine wichtige Rolle, indem sie die Zahl der Binnengeflüchteten erfassen und Unterstützung für Rückkehrende anbieten. Eine Rückkehr sollte jedoch idealerweise von den Aufnahmeländern und internationalen Organisationen so unterstützt werden, dass die Rückkehr nachhaltig und sicher gestaltet werden kann. Der Erfolg einer Rückkehr hängt stark von der Entwicklung der politischen Situation in Syrien und der wirtschaftlichen Lage vor Ort ab.
Zu Gast in der heutigen Podcastfolge sind Migrationsexpertin Judith Kohlenberger von der WU Wien und EU-Experte Wolfgang Böhm von der "Presse". Beide stellen fest, dass es noch viel zu früh ist, um zu sagen, wie sich die politische Lage in Syrien nun entwickeln wird. Der Krieg in Syrien ist noch nicht vorbei, das zeigen auch die Ereignisse seit Sonntag: im Norden Syriens eskalieren die Kämpfe zwischen protürkischen Milizen und Kurden. In der Nacht auf Dienstag hat Israel massive Luftangriffe gegen Syrien gestartet. Und dennoch wollen viele der geflohenen Syrer zurück in ihre Heimat. Bisher neun EU-Länder haben mitgeteilt, die laufenden Asylverfahren von Syrern auszusetzen. Und Österreich preschte vor und kündigte auch Abschiebungen von nicht mehr schutzbedürftigen Syrern an. Doch rechtlich ist das nicht so einfach. Freiwillig darf jeder zurück in sein Land gehen, aber Abschiebungen sind derzeit rechtlich nicht erlaubt. Mehr dazu hören Sie heute in unserem täglichen Podcast.
Gast: Migrationsexpertin Judith Kohlenberger (WU Wien), Wolfgang Böhm "Die Presse"
Moderation: Anna Wallner
Schnitt: Audiofunnel/Dominik Lanterdinger
Credits: Global News
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