Miriam Beller und Paul Grisey, ORF-Korrespondenten in Moskau und Co-Autoren des Buches "Russland von innen", analysieren die turbulente Lage in Russland. Sie beleuchten, wie der Ukrainekrieg und die Rebellion der Wagner-Söldner das Land prägen. Die Gäste diskutieren die Verschlechterung der politischen Landschaft, die Rolle der Propaganda und die Isolation der Opposition. Auch die emotionalen Herausforderungen beim Verlassen Russlands werden angesprochen, was ein eindringliches Bild der gegenwärtigen Krisensituation vermittelt.
Der gescheiterte Ukrainekrieg hat zu einer wachsenden inneren Anspannung in Russland geführt, auch wenn die Bevölkerung größtenteils apathisch bleibt.
Die gescheiterte Revolte der Wagner-Söldner hat die Unsicherheit innerhalb der Kremlführung verstärkt und die Autoritarisierung des Regimes unterstrichen.
Die staatlich kontrollierte Propaganda beeinflusst die öffentliche Wahrnehmung, wodurch viele Russen den Krieg unterstützen oder akzeptieren.
Deep dives
Wladimir Putins kritisches Jahr
2023 wird als entscheidendes Jahr für Wladimir Putin angesehen, da sein Angriffskrieg gegen die Ukraine als gescheitert gilt. Die ukrainischen Truppen setzen fortwährend Angriffe fort, um besetztes Gebiet zurückzuerobern, während Drohnenangriffe sogar bis nach Moskau vordringen. Diese Entwicklungen tragen dazu bei, dass der Krieg nicht mehr ignoriert werden kann, und fördern eine spürbare Anspannung innerhalb der russischen Bevölkerung. Zudem hat die gescheiterte Revolte der Wagner-Söldner die Unsicherheit der Kremlführung zusätzlich verdeutlicht.
Alltägliche Veränderungen in Russland
Obwohl sich im Alltag der Menschen in Russland nicht viel verändert hat, wurde durch die Teilmobilmachung im September 2022 die Realität des Krieges greifbarer. Dieser Einschnitt führte dazu, dass viele erkennen mussten, dass der Konflikt näher kommt und nicht mehr zu verdrängen ist. Die jüngsten Drohnenangriffe auf Moskau haben das Bewusstsein für die Kriegsgefahr geschärft, auch wenn die Mehrheit der Bevölkerung weiterhin apathisch bleibt. Diese Apathie wird von den Korrespondenten als besorgniserregend wahrgenommen, da die alltäglichen Nachrichten über Drohnenangriffe nicht zu einem signifikanten politischen Mobilisierungseffekt führen.
Erosion von Demokratie und Zunahme der Repression
Russland hat sich zunehmend zu einem autoritären Regime entwickelt, in dem die Repression gegen politische Gegner erheblich zugenommen hat. Der Einfluss von westlicher Propaganda und die Entfremdung von demokratiefreundlichen Werten zeigen sich in der öffentlichen Wahrnehmung und im politischen Diskurs. Kritiker werden mit hohen Haftstrafen konfrontiert, und ihre Stimmen werden systematisch zum Schweigen gebracht, was zu einer Verdrängung der pro-demokratischen Elemente in der Gesellschaft führt. Diese Entwicklungen sind besonders alarmierend, da sie die Grundlage für eine mögliche Faschisierung des Staates legen.
Die Rolle der Propaganda in der Gesellschaft
Die russische Propaganda hat immense Auswirkungen auf die politische Einstellung der Bevölkerung, die den Krieg zum Teil aktiv unterstützt oder zumindest passiv akzeptiert. Viele Menschen nehmen die Narrative an, dass die Ukraine von einem 'bösen Regime' unterdrückt wird und dass Russland eingreifen müsse, um zu helfen. Diese verzerrte Wahrnehmung der Realität wird durch jahrzehntelange staatskontrollierte Medien gefördert und findet auch bei jüngeren Generationen zunehmend Gehör. Es gibt ein tiefes imperialistisches Gefühl in der Gesellschaft, das das Bedürfnis nach einer größeren Sichtbarkeit Russlands im globalen Kontext fördert.
Persönliche Auswirkungen auf Journalisten und Exil
Die schwierigen Bedingungen für Journalisten in Russland führen zu einer gesteigerten Sorge um ihre Sicherheit und ihr Wohlbefinden. Die Verhaftung von internationalen Korrespondenten und die Bedrohung der Pressefreiheit zwingen viele ausländische Journalisten zur Flucht oder zu einer starken Selbstzensur. Dies hat zur Folge, dass die Informationen über die Situation in Russland immer mehr eingeschränkt werden und die Berichterstattung unter extremen Bedingungen stattfindet. Trotz dieser Herausforderungen sieht die journalistische Gemeinschaft dennoch die Notwendigkeit, über Russland zu berichten und die Stimme der Menschen zu Gehör zu bringen.
Was der Ukrainekrieg und die Revolte der Wagner Söldner für Russland bedeuten und wie die Menschen mit der Extremsituation umgehen analysieren die ORF-Moskau Korrespondentinnen Miriam Beller und Paul Krisai im Sommergespräch mit Raimund Löw.