Wie spricht man mit Menschen über ihre tiefsten Abgründe, Jürgen Domian?
Jun 9, 2020
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Jürgen Domian, Talkshow-Moderator und bekannt für seine einfühlsamen Gespräche mit Menschen in Krisen, teilt seine Erfahrungen aus über 23.000 Interviews. Er erzählt, wie der nächtliche Gesprächsrahmen das Vertrauen der Anrufer fördert und reflektiert über die Kunst der Gesprächsführung, insbesondere bei emotionalen Themen. Domian beleuchtet die Herausforderungen empathischer Kommunikation und den Einfluss des Zen-Buddhismus auf seine Arbeit. Zudem diskutiert er die Veränderungen in Gesprächen über Sexualität und die persönliche Entwicklung durch Begegnungen im Alltag.
Jürgen Domian betont, dass ehrliches Zuhören ohne Vorurteile zu offenen Gesprächen führt, die Menschen ermutigen, ihre Probleme zu teilen.
Die erzielten positiven Rückmeldungen von Anrufern zeigen, dass seine Gespräche oft als seelsorgerische Unterstützung wahrgenommen werden, über reine Unterhaltung hinaus.
Deep dives
Veränderung der Themen während der Pandemie
Die Krisensituation hat die Art der Fragen beeinflusst, die Menschen an Jürgen Domian richten. Zu Beginn der Pandemie wollten die Zuhörer vor allem über ihre Sorgen und Ängste im Zusammenhang mit Corona sprechen. Mit der Zeit hat sich das jedoch verändert und viele Menschen suchen nun auch nach Themen, die nicht direkt mit der Krise zu tun haben. Domian stellt fest, dass das Bedürfnis nach leichten, unverfänglichen Gesprächen gestiegen ist, was zeigt, dass die Zuhörer einen Ausgleich zur ständigen Berichterstattung über die Pandemie suchen.
Der Ansatz der urteilsfreien Kommunikation
Domians Ansatz besteht darin, seinen Gesprächspartnern ohne Vorurteile zuzuhören. Diese Methode hat sich über die Jahre bewährt und führt zu offenen und ehrlichen Gesprächen, in denen die Menschen sich trauen, auch schwierige oder abweichende Themen anzusprechen. Er betont, dass er kein Therapeut ist, sondern ein Journalist, der es schätzt, eine Meinung zu haben und nicht neutral zu sein. Dies wird von den Zuhörern geschätzt, da sie sich wohlfühlen, ihre Sorgen und Probleme zu teilen.
Erfolgsgeschichten durch Gespräche
Domian erhält häufig Rückmeldungen von Anrufern, die durch die Gespräche auf einen besseren Weg in ihrem Leben gefunden haben. Viele berichten, dass sie durch die Kommunikation mit ihm den Mut gefunden haben, etwa zu Therapeuten zu gehen oder ihre belastenden Erfahrungen zu teilen. Diese positiven Rückmeldungen sind für ihn die wichtigsten Erfolge seiner Arbeit, weit über Einschaltquoten hinaus. Dadurch erkennt er die tiefgreifende Wirkung, die ehrliche Gespräche auf das Leben der Menschen haben können.
Die Balance zwischen Beruf und Emotionen
Domian reflektiert darüber, wie er mit den emotional belastenden Geschichten umgeht, die ihm während seiner Arbeit begegnen. Obwohl er sehr intensive Gespräche führt, fühlt er sich nicht überfordert, da er Unterstützung durch ein Psychologenteam hat, mit dem er nach der Arbeit spricht. Diese Nachbesprechungen helfen ihm, die Erlebnisse zu verarbeiten und ihm gibt es die Möglichkeit, emotionalen Abstand zu finden. Er betrachtet es als normal, wenn ihn die Geschichten berühren, da dies zeigt, dass er empathisch und menschlich ist.
"Auch nach fast 23.000 Interviews gibt es Anrufer und Themen, bei denen mein Team und ich sagen: Das ist ja unfassbar!", sagt der Talkshow-Moderator Jürgen Domian im ZEIT-ONLINE-Podcast Frisch an die Arbeit. Bekannt wurde der heute 62-Jährige mit seinem nächtlichen Radio-TalkDomian, der seit Mitte der Neunzigerjahre mit Unterbrechung im Radio und neuerdings auch im WDR-Fernsehen ausgestrahlt wird. Die Sendung bekam er nach einem Volontariat beim WDR. Damals schlug er dem Intendanten des Senders, Fritz Pleitgen, eine sogenannte Call-in-Sendung vor, in Anlehnung an die aufkommenden Talk-Formate in den USA. "Pleitgen sagte zu mir: Versuchen Sie, mit den Menschen privat zu reden. Sprechen Sie, als säßen Sie beim Kaffee oder Bier zusammen." Der spätnächtliche Programmplatz, eigentlich eine Notlösung, stellte sich bald als großer Vorteil heraus – weil die Anrufer in der Ruhe der Nacht offenbar ein größeres Zutrauen entwickelten, erzählt Domian im Arbeitspodcast. Drei Monate nach Sendestart meldete sich ein junger Mann namens Hubert, der Leukämie im Endstadium hatte und zum Sterben in seine Wohnung zurückgekehrt war, erinnert sich der Moderator. Domian kam mit ihm ins Gespräch: "Da habe ich gemerkt: das ist nicht einfach nur Talk! Das ist vielleicht sowas wie Seelsorge."
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