Gabriel Felbermayr, Volkswirtschaftler und Direktor des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung WIFO, diskutiert wichtige Aspekte des internationalen Handels. Er beleuchtet die strategischen Handelsentscheidungen von Donald Trump und deren globale Auswirkungen. Felbermayr plädiert für eine proaktive EU-Strategie statt Repressalien, um Chancen im Handelskonflikt zu nutzen. Die Gespräche reichen von der Stärke des US-Dollars über geopolitische Herausforderungen bis hin zu den Notwendigkeiten einer neuen Industriestrategie in Europa.
Die US-Zollmaßnahmen könnten einen Handelskrieg auslösen, der globale Wirtschaft und Wohlstand gefährdet, insbesondere für die amerikanischen Bürger.
Trumps Handelsstrategie verbindet wirtschaftliche Ziele mit geopolitischen Sorgen, was die nationale Sicherheit und industrielle Basis der USA betrifft.
Die EU hat die Möglichkeit, offensiv auf Trumps Zölle zu reagieren und Vorschläge zur Handelsreform zu unterbreiten, um protektionistische Spiralen zu verhindern.
Deep dives
Trumps Zollpolitik und ihre Auswirkungen
Donald Trump kündigte am Liberation Day die Erhebung historisch hoher Zölle auf Importe an, um die amerikanische Wirtschaft zu stärken und Arbeitsplätze zurückzuholen. Diese Maßnahmen könnten jedoch einen negativen Einfluss auf den Welthandel haben und potenziell globale Rezessionen auslösen. Kritiker argumentieren, dass die wirtschaftlichen Effekte, wie steigende Inflation und geringere Beschäftigung, erheblich unterschätzt werden. Trumps Rhetorik zielt darauf ab, das Bild eines Wiederauflebens der amerikanischen Industrie zu vermitteln, während Experten vor den realen Konsequenzen warnen.
Trumps Motivationen hinter den Zöllen
Trump verfolgt drei Hauptziele mit seinen Zollmaßnahmen: die Steigerung von Steuereinnahmen zur Bekämpfung des Haushaltsdefizits, die Rückholung von abgewanderten Produktionsstätten in die USA und die Erreichung außenpolitischer Ziele. Die Herausforderung besteht darin, all diese Ziele gleichzeitig zu erreichen, was als äußerst ambitioniert angesehen wird. Die langjährige Frustration Trumps über Handelsdefizite gegenüber anderen Ländern, insbesondere Japan, ist ein zentraler Bestandteil seiner Argumentation. Diese Sichtweise wird durch historische Aussagen Trumps untermauert, in denen er fordert, dass andere Nationen für den Schutz ihrer Interessen zahlen müssen.
Die geopolitischen Implikationen der Zölle
Die Zölle stehen im Kontext einer zunehmenden geopolitischen Spannungen und der Notwendigkeit, eine interne industrielle Basis in den USA aufrechtzuerhalten. Die Abhängigkeit von internationalen Lieferketten wird als potenzielles Risiko für die nationale Sicherheit betrachtet. Experten postulieren, dass ein starkes Fertigungssektor für militärische und strategische Interessen unerlässlich sei. In diesem Sinne zielen die Zollmaßnahmen nicht nur auf wirtschaftliche, sondern auch auf sicherheits- und geopolitische Anliegen ab.
Reaktionen der EU auf Trumps Handelsstrategien
Die EU sieht sich mit der Notwendigkeit konfrontiert, effektiv auf Trumps Zollpolitik zu reagieren, um eigene wirtschaftliche Interessen zu wahren. Experten betonen die Bedeutung eines koordinierten Ansatzes unter den betroffenen Ländern, um protektionistische Spiralen zu vermeiden. Es wird diskutiert, dass eine maßvolle und verantwortungsvolle Reaktion notwendig ist, um eine größere Handelskrise zu verhindern. Die EU könnte versuchen, sowohl Vergeltungsmaßnahmen zu ergreifen als auch gleichzeitig Verhandlungsangebote zu unterbreiten, um einen konstruktiven Dialog aufrechtzuerhalten.
Langfristige wirtschaftliche Perspektiven
Trumps Handelsmaßnahmen könnten zu strukturellen Veränderungen in der globalen Wirtschaft führen, indem sie einen Trend zur Deglobalisierung verstärken. Diese Deglobalisierung könnte höhere Inflation und Marktineffizienzen zur Folge haben, was langfristige Wachstumsprobleme für die USA und andere Länder mit sich bringt. Einige Experten glauben, dass die USA möglicherweise auf eine Überbewertung des Dollar und die damit verbundenen Handelsdefizite verzichten müssen. Gleichzeitig könnte die EU die Situation als Gelegenheit nutzen, um ihre eigene wirtschaftliche Struktur zu reformieren und ein harmonischeres Handelsumfeld zwischen den Akteuren zu schaffen.
bto#289 – Europa sei vorbereitet auf den Handelskrieg des US-Präsidenten Donald Trump, so kann man es in diesen Tagen überall hören und lesen. Die Berichte sind verbunden mit der berechtigten Sorge, dass eine solche Auseinandersetzung niemandem nützt, dafür aber weltweit viel Wohlstand kosten wird, allen voran die Bürger in den USA. Bei aller Aufregung tritt etwas in den Hintergrund, dass die Unzufriedenheit der US-Regierung über jahrzehntelange Ungleichgewichte im Handel eine gewisse Berechtigung hat. China, Deutschland und Japan betreiben durchaus eine merkantilistische Politik, die auf Handelsüberschüsse setzt, um die fehlende Inlandsnachfrage zu kompensieren. Es sind vor allem die USA, die diese Exporte aufnehmen und deshalb entsprechende Defizite aufweisen. Die EU sollte Trumps Angriff auf die bestehende Welthandelsordnung daher als Chance begreifen und statt sich nur auf Vergeltungsmaßnahmen zu fokussieren, offensiv einen Vorschlag machen, wie es künftig besser und gemeinsam funktionieren kann. Eine Möglichkeit wäre der einseitige Abbau von Hemmnissen. Das wäre eine Charmeoffensive, der sich wohl auch Donald Trump kaum entziehen könnte. Im Expertengespräch interviewt Daniel Stelter Professor Gabriel Felbermayr, Volkswirtschaftler und Direktor des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung WIFO in Wien.
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