"Stören die Bilder vom Krieg beim gemütlichen Kaffeetrinken auf der Terrasse?"
Oct 11, 2024
auto_awesome
Nico Lange, Militärexperte und Lehrender für Militärgeschichte an der Universität Potsdam, spricht über seine jahrelange Erfahrung in der Ukraine. Er widerspricht der Ansicht, dass Russland unbesiegbar ist, und kritisiert die deutsche »Kriegsmüdigkeit«. Lange hebt die Ungewissheit der amerikanischen Wahlkampfpositionen und die geopolitischen Konsequenzen einer nachlassenden Unterstützung der Ukraine hervor. Außerdem betont er die Bedeutung kollektiver Selbstverteidigung und die Veränderungen in Deutschlands Sicherheitsstrategie durch den Ukraine-Krieg.
Trotz der Herausforderungen an der Front wird festgestellt, dass Russland nach mehr als zwei Jahren Kampf nicht überlegene Kontrolle hat.
Die Unterstützung der Ukraine durch den Westen ist entscheidend und sollte nicht von Zögern oder politischen Debatten geprägt sein.
Deep dives
Aktuelle Frontlage in der Ukraine
Die Frontlage in der Ukraine ist derzeit angespannt, insbesondere im Donbass, wo die ukrainischen Streitkräfte vor erheblichen Herausforderungen stehen, insbesondere um Pokrovsk und Vuledar. In diesem südlichen Bereich gibt es Schwierigkeiten, während die Ukraine jedoch in bestimmten Gebieten wie Kursk Fortschritte erzielt hat, die für Russland militärisch kostspielig wären, wenn sie versuchen würden, diese zurückzuerobern. Trotz der Rückschläge wird festgestellt, dass Russland nach mehr als zwei Jahren Kampf noch immer nicht die vollständige Kontrolle über den Donbass hat, was die russische Überlegenheit in Frage stellt. Diese dynamische Situation erfordert eine differenzierte Betrachtung der militärischen Effizienz beider Seiten und legt nahe, dass ein russischer Sieg nicht vorprogrammiert ist.
Wahrnehmung der Kriegsmüdigkeit
Es wird auf die zunehmende Kriegsmüdigkeit, insbesondere in Deutschland, eingegangen, die oft zu dem ideologischen Gedankengefängnis führt, dass Russland überlegene Kräfte hat und letztlich den Krieg gewinnen wird. Viele westliche Entscheidungsträger scheinen an dieser Annahme festzuhalten und fördern somit die Idee von Zugeständnissen seitens der Ukraine, anstatt Russland zu einem echten Verhandlungstisch zu drängen. Präsident Zelensky verfolgt mit seinem 'Siegesplan' das Ziel, die westlichen Verbündeten zu einer Neubewertung ihrer Haltung zu bewegen und den militärischen Druck auf Russland zu fördern. Den Entscheidern wird geraten, nicht nur die Vergangenheit zu betrachten, sondern auch die veränderte militärische Realität zu verstehen, die darauf hinweist, dass Russland besiegbar ist.
Die Rolle der westlichen Unterstützung
Die Unterstützung der Ukraine durch den Westen wird als entscheidend für den militärischen Druck auf Russland hervorgehoben, wobei es wichtig ist, dass diese Hilfe nicht länger von Zögern und politischen Debatten geprägt ist. Der Experte stellt fest, dass eine gezielte militärische Unterstützung notwendig ist, um Russland in der Ukraine unter Druck zu setzen und damit den Weg für Verhandlungen zu ebnen. Es wird angemerkt, dass der Gedanke eines Waffenstillstands ohne klare Bedingungen und Zusicherungen an die Ukraine ein Denkfehler ist, der auf Missverständnissen beruht. Die derzeitige Unterstützung der Ukraine ist nicht nur eine Frage des Militärs, sondern auch eine Frage der europäischen Werte und der regionalen Stabilität.
Zukunft der NATO und europäische Sicherheit
Die Diskussion über die Zukunft der NATO und die Sicherheit in Europa zeigt die Notwendigkeit eines klaren strategischen Ziels in der Unterstützung der Ukraine auf. Der Experte betont, dass die Unklarheit über die langfristigen Ziele westlicher Partner ein Hindernis darstellt, wenn es darum geht, einen nachhaltigen Frieden zu erreichen. Es wird gefordert, dass Deutschland und andere europäische Staaten eine aktivere Rolle bei der Führungsübernahme innerhalb der NATO und der EU einnehmen, um eine klare gemeinsame Strategie zu entwickeln. Nur durch eine kohärente und entschlossene Haltung kann das transatlantische Sicherheitssystem gestärkt werden, um einer möglichen Aggression Russlands entgegenzuwirken.
Militärexperte Nico Lange hat sechs Jahre in der Ukraine gelebt. Trotz ukrainischer Probleme an der Front, hält er Russland für bezwingbar.
Eigentlich wollten sich an diesem Wochenende die Staats- und Regierungschefs der Ukraine-Unterstützerländer im US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein treffen. Dort wollte Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj seinen »Siegesplan« vorstellen. Ein Plan, der laut Selenskyj Russland »mittels militärischen Drucks« zu ernsthaften Friedensverhandlungen bringen soll.
In dieser Folge von »Acht Milliarden« spricht Host Juan Moreno mit Nico Lange. Der Militärexperte lehrt unter anderem Militärgeschichte an der Universität Potsdam und ist Senior Fellow der Münchner Sicherheitskonferenz. Zuvor war er stellvertretender Bundesgeschäftsführer der CDU. Lange widerspricht der weitverbreiteten Meinung, dass Russlands Sieg nur eine Frage der Zeit sei und hat kein Verständnis für »deutsche Kriegsmüdigkeit«. Er fragt: »Stören die Bilder vom Krieg beim gemütlichen Kaffeetrinken auf der Terrasse?«
+++ Alle Infos zu unseren Werbepartnern finden Sie hier. Die SPIEGEL-Gruppe ist nicht für den Inhalt dieser Seite verantwortlich. +++
Mehr Hintergründe zum Thema erhalten Sie mit SPIEGEL+. Entdecken Sie die digitale Welt des SPIEGEL, unter spiegel.de/abonnieren finden Sie das passende Angebot.