Jean Asselborn, der luxemburgische Außenminister und Experte für europäische Außenpolitik, und Heinz Fischer, ehemaliger Bundespräsident Österreichs, diskutiere die europäische Verantwortung nach Covid-19. Asselborn kritisiert den Egoismus der Nationalstaaten und betont die Notwendigkeit einer humanitären Flüchtlingspolitik. Beide lehnen Israels Annexionspläne ab und plädieren für einen einheitlichen europäischen Standpunkt im Nahen Osten. Ihre Diskussion beleuchtet auch die Herausforderungen einer koordinierten Migrationspolitik in Europa.
Jean Asselborn kritisiert den nationalen Egoismus Österreichs und fordert stärkere europäische Solidarität zur Bewältigung wirtschaftlicher Herausforderungen.
Die dringende Notwendigkeit einer einheitlichen europäischen Migrationspolitik wird hervorgehoben, um humanitäre Verpflichtungen gegenüber Flüchtlingen zu erfüllen.
Deep dives
Die wirtschaftlichen Herausforderungen Europas
Europa muss in der post-Corona-Phase wirtschaftliche Herausforderungen gemeinsam bewältigen. Es wird betont, dass zur Überwindung dieser Krise erhebliche finanzielle Mittel benötigt werden, um die schwächeren Länder zu unterstützen. Ein Vorschlag von der Europäischen Kommission in Höhe von 750 Milliarden Euro wird als notwendig erachtet, um die wirtschaftliche Erholung voranzutreiben. Die Diskussion dreht sich um die Verwendung dieser Mittel und die Gewährleistung von Rechtsstaatlichkeit in der Verwendung der Gelder.
Solidarität vs. nationaler Egoismus
Die österreichische Regierung wird kritisiert, weil sie sich gegen eine stärkere europäische Solidarität stellt und stattdessen auf nationalen Egoismus setzt. Der externe Druck von Ländern wie Deutschland und Frankreich für gemeinschaftliche Lösungen wird ignoriert, und dies könnte schädlich für die Einheit Europas sein. Es wird gefordert, dass Österreich im europäischen Zentrum steht und Solidargedanken ernst nimmt, statt sich in ein selbstzentriertes nationalstaatliches Denken zurückzuziehen. Die Menschheit ist in der gegenwärtigen Debatte gefordert, bessere Prinzipien zu verfolgen, damit die Kollaboration in Europa nicht gefährdet wird.
Themen der internationalen Sicherheit
Die Situation im Nahen Osten und die Pläne zur Annexion des Westjordanlandes werden als drängende außenpolitische Themen hervorgehoben. Es wird gefordert, dass Europa eine klare Position einnimmt, um gegen solche Annexionen einzutreten, die im Widerspruch zum internationalen Recht stehen. Der luxemburgische Außenminister weist darauf hin, dass jede Annexion als Diebstahl betrachtet werden sollte und dass Europa sich nicht einfach zurückziehen kann. Eine mögliche Anerkennung eines palästinensischen Staates wird als wichtiger diplomatischer Schritt vorgeschlagen, um den Willen der internationalen Gemeinschaft zu demonstrieren.
Migration und humanitäre Verantwortung
Die Diskussion über die Aufnahme von Flüchtlingen, insbesondere von unbegleiteten Minderjährigen aus griechischen Lagern, wird als wichtiger humanitärer Schritt betrachtet, den viele europäische Länder scheuen. Luxemburg hat erfolgreich eine Gruppe von Flüchtlingen aufgenommen, während andere Lockerungen zeigen, dass menschliches Elend oft ignoriert wird. Die Notwendigkeit einer europäischen Migrationspolitik, die nicht auf Freiwilligkeit basiert, wird betont, um die Flüchtlingskrise effektiv zu bewältigen. Die Debatte um Migration stellt letztlich die Menschlichkeit der europäischen Staaten auf die Probe und fordert ein Umdenken im Umgang mit diesen Fragen.
Die ablehnende Haltung der Regierung zum 750 Milliarden Wirtschaftsaufbauplan der EU ist für Jean Asselborn nicht europäisch. Gemeinsam mit Ex-Bundespräsident Heinz Fischer kritisiert er den Egoismus der Nationalstaaten in der EU und die fehlende Humanität im Umgang mit Flüchtlingen. Israels Annexionspläne lehnt er ab. Raimund Löw erkundet europäische Hintergründe mit Buchautorin Margaretha Kopeinig und FALTER-Redakteurin Eva Konzett.