Tamara Ehs, Politikwissenschaftlerin und Buchautorin, die sich intensiv mit der Autokratisierung der Demokratie beschäftigt, und Herfried Münkler, renommierter Politikwissenschaftler und Experte für politische Umbrüche, beleuchten die aktuellen Gefahren für unseren demokratischen Rechtsstaat. Sie diskutieren, wie autoritäre Regierungen und Populismus das Vertrauen in die Politik untergraben. Außerdem analysieren sie die Rolle von Feindschaften in Demokratien und betonen die Bedeutung des aktiven Bürgerengagements für die Stabilität der Demokratie.
Der Rückzug demokratischer Rechtsstaaten wird durch autoritäre Regime verstärkt, die als handlungsfähige Alternativen erscheinen.
Die sinkende Beteiligung an demokratischen Prozessen und die Sehnsucht nach starken Führern gefährden die Stabilität liberale Demokratie.
Deep dives
Die Bedrohung der Demokratie durch Autoritarismus
Demokratische Rechtsstaaten sehen sich weltweit einer wachsenden Bedrohung durch autoritäre Regime gegenüber, die oft als handlungsfähige Alternativen präsentiert werden. Diese Autoritarismen unterminieren die liberalen Demokratien, eine Situation, die in Ländern wie Polen zu beobachten ist, wo eine pro-europäische Koalition die nationalistische Regierung abgelöst hat. Dennoch ist es eine Herausforderung, den autoritären Umbau des Staates rückgängig zu machen, weil die Unterstützung für demokratische Institutionen häufig durch eine Missachtung und Entfremdung von diesen Institutionen behindert wird. Viele Menschen suchen nach Führern, die einfache Lösungen versprechen, was die Begünstigung populistischer und autoritärer Figuren fördert, auch wenn diese oft nicht die notwendigen Kompetenzen oder das Vertrauen verdienen.
Das Vexierbild der Demokratie
Das Konzept des Vexierbildes wird verwendet, um zu verdeutlichen, dass die Demokratie in der Wahrnehmung oft als fest und stabil erscheint, während die autokratischen Tendenzen im Hintergrund lauern. Obwohl Umfragen zeigen, dass viele Menschen weiterhin die Demokratie unterstützen, ist die Beteiligung sinkend und der Rückhalt für autoritäre Strukturen bleibt bestehen. Historisch gesehen haben Krisen wie die Finanzkrise und die Corona-Pandemie zu einer Erschöpfung und Frustration über die Demokratie geführt, was den Rückfall in autoritäre Strukturen fördert. Dies verstärkt den Eindruck, dass Menschen sich nach einem starken Führer sehnen, der die Schwierigkeiten der Demokratie schnell und effizient löst.
Pluralisierung des Parteiensystems und deren Folgen
Die zunehmende Pluralisierung des Parteiensystems führt zu einer Zersplitterung und einem Verlust an Regierungsfähigkeit, was die Unzufriedenheit der Wähler verstärkt. Parteien sind oft nicht in der Lage, klare und überzeugende Lösungen zu präsentieren, was zu einem Vertrauensverlust in die etablierten Institutionen führt. Das Versprechen von mehr direkter Demokratie kann sich als trügerisch herausstellen, da es oft den Raum für gravierende Diskussionen und komplexe Aushandlungen schließt, die für eine gesunde Demokratie notwendig sind. Vielmehr wird die einfache Zustimmung bei Referenden oft von unverarbeiteten Emotionen und Ressentiments getrieben, was letztlich die demokratische Entwicklung gefährden kann.
Die Politikwissenschaftlerin Tamara Ehs und ihr Kollege Herfried Münkler sezieren, warum sich der demokratische Rechtsstaat auf dem Rückzug befindet und welche Gegenstrategien möglich sind. Im Rahmen einer Wiener Vorlesung ein Gespräch mit Günter Kaindlstorfer.