Prof. Dr. Lars Feld, Lehrstuhlinhaber für Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg und persönlicher Beauftragter des Bundesministers der Finanzen, diskutiert die kritische wirtschaftliche Lage Deutschlands. Er thematisiert die enormen Kapitalabflüsse, die Herausforderungen der Subventionskultur und die Notwendigkeit von grundlegenden Reformen zur Stabilisierung der Wirtschaft. Auch die Rolle von künstlicher Intelligenz in der Arbeitswelt und die Probleme der Energiepolitik kommen zur Sprache, wobei er innovative Lösungen zur Bewältigung dieser Krisen skizziert.
Deutschland steckt in einer tiefen wirtschaftlichen Krise, die durch Deindustrialisierung und Wohlstandsverlust gekennzeichnet ist, während die Politik oft die Wahrheit verschweigt.
Die übermäßige Subventionskultur verdeckt strukturelle Probleme und behindert notwendige Reformen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.
Um wettbewerbsfähig zu bleiben, sind umfassende Reformen nötig, insbesondere in den Bereichen Arbeitskosten, Energiekosten und Digitalisierung.
Deep dives
Die wirtschaftliche Krise in Deutschland
Deutschland befindet sich in einer ernsthaften wirtschaftlichen Krise, die über eine bloße Stagnation hinausgeht. Anstatt von einer fünfjährigen Stagnation zu sprechen, sollte man den Druck der Deindustrialisierung und den Verlust von Wohlstand betonen. Die Politik scheint aufgrund von Angst vor der Wahrheit und der Verantwortung für die prekäre Situation nicht zu handeln. Es ist entscheidend, dass die politischen Akteure ehrlich sind über die Herausforderung, vor der das Land steht.
Die Rolle der Subventionen
Die Subventionskultur in Deutschland hat sich im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt stark ausgeweitet und stellt ein Problem dar. Diese Landesmittel werden häufig genutzt, um die Folgen von ineffektiver Politik zu verbergen, was letztlich zu einer übergriffigen staatlichen Kontrolle führt. Der Anstieg der Subventionen zeigt nicht die Gesundheitszustände der Wirtschaft, sondern vielmehr die Unfähigkeit, strukturelle Probleme anzugehen. Es wird vorgeschlagen, den Fokus auf gezielte Reformen zu legen, anstatt die Umverteilung durch immer mehr Subventionen zu fördern.
Die Auswirkungen der Klimapolitik auf die Industrie
Die herkömmlichen Ansätze zur Klimapolitik gefährden die industrielle Basis Deutschlands. Während die Unterstützung für Emissionshandelssysteme vorhanden ist, ist die Dringlichkeit und Regulierung, die gegenwärtig besteht, schädlich für Unternehmen. Dies führt zu einem übermäßigen Dirigismus, der die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie beeinträchtigt. Es wird argumentiert, dass eine Marktorientierung entscheidend sein wird, um die langfristige Nachhaltigkeit der Wirtschaft zu fördern.
Pläne zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit
Um Deutschland wieder auf den richtigen Kurs zu bringen, ist eine umfassende Reform der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen notwendig. Dazu gehört eine Reduzierung der Arbeitskosten, Energiekosten sowie der Regulierungskosten, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Es wird auch angemerkt, dass eine Deregulierung des Energie- und Arbeitsmarktes entscheidend ist, um wieder Investitionen zu fördern. Ohne diese Maßnahmen werden Unternehmen sich abwenden und ihre Standorte ins Ausland verlagern.
Soziale Absicherung und Bürgergeld
Das Bürgergeld soll sicherstellen, dass Arbeit lohnenswert ist und somit die Bereitschaft zur Arbeit steigert. Es wird ein Konzept vorgeschlagen, das die soziale Absicherung verbessern und gleichzeitig Anreize bieten kann, in den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Die anhaltenden Herausforderungen im Arbeitsmarkt erfordern jedoch gleichzeitig sozialpolitische Reformen, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Es wird unterstrichen, dass soziale Maßnahmen eingehend überprüft und angepasst werden sollten, um effektiv zu sein.
Die Herausforderungen der Digitalisierung
Die Digitalisierung in Deutschland zeigt Fortschritte, bleibt jedoch hinter dem internationalen Standard zurück. Die Strategie zur digitalen Infrastruktur muss dynamischer gestaltet werden, um die wachsenden Anforderungen zu erfüllen. Dabei gilt es auch, den politischen Willen zu stärken, um eine nachhaltige digitale Transformation zu gewährleisten. Der Mangel an schnellem Internet und effektiven digitalen Verwaltungsdienstleistungen ist ein Hindernis, das es zu überwinden gilt, um die Wettbewerbsfähigkeit in einer globalisierten Welt zu sichern.
bto#273 – Dass Deutschland in einer Krise steckt, merkt jeder, der sich mit Wirtschaft beschäftigen will oder muss. So stellt sich die Frage, ob wir es bei den Verantwortlichen im Regierungsamt oder in den Parteien mit einem Erkenntnisproblem zu tun haben oder etwa mit der Angst, den Bürgern und Wählern die Wahrheit zu sagen. Eine Wahrheit, an deren Gehalt unsere Politiker einen erheblichen Anteil haben. Offenbar trägt also auch die Peinlichkeit des notwendigen Eingeständnisses, eine Mitschuld an der schlechten Lage des Landes zu haben, dazu bei.
Was zu tun wäre diskutiert Daniel Stelter in dieser Episode mit Prof. Dr. Lars Feld, von 2022 bis 2024 persönlicher Beauftragter des Bundesministers der Finanzen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung.
Seit 2010 ist Feld Lehrstuhlinhaber für Wirtschaftspolitik und Ordnungsökonomik an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.
Hörerservice
Das Interview mit Patrick Graichen zu den hohen Energiekosten in Deutschland finden Sie hier: https://is.gd/bhZeJF
Die Studie zur Entwicklung der Direktinvestitionen finden Sie hier: https://is.gd/w52Y2c
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