Gabriel Felbermayr, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts WIFO und Experte für europäische Wirtschaft, und Kurt Bayer, wirtschaftspolitischer Analyst und ehemaliger Direktor der Weltbank, diskutieren die stagnierende Wirtschaftslage in Österreich. Sie sprechen über die Vertrauenskrise, die Konsum und Investitionen belastet. Ein Transformationsfonds über 20 Milliarden Euro soll die Wirtschaft modernisieren. Zudem wird die geopolitische Lage Europas, insbesondere im Kontext von Russland und den Herausforderungen durch mögliche Veränderungen in den USA, kritisch beleuchtet.
Die wirtschaftliche Lage in Österreich zeigt besorgniserregende Perspektiven mit stagnierender Arbeitslosigkeit und stark gesunkenen Konsum- und Investitionsausgaben.
Eine zukünftige Industriepolitik erfordert eine koordinierte europäische Strategie, um ökologische und soziale Nachhaltigkeit angesichts geopolitischer Herausforderungen voranzutreiben.
Deep dives
Wirtschaftliche Stagnation in Österreich
Die wirtschaftliche Lage in Österreich wird als besorgniserregend beschrieben, mit einem prognostizierten Wachstum, das hinter dem in anderen EU-Ländern zurückbleibt. Obwohl die Arbeitslosigkeit relativ stabil geblieben ist, gibt es Bedenken, dass dies nicht von Dauer sein könnte, insbesondere wenn der erhoffte wirtschaftliche Aufschwung ausbleibt. Die Unternehmen scheinen auf einen zukünftigen Anstieg der Aufträge zu warten, was jedoch zu möglichen Entlassungen führen könnte, wenn diese nicht eintreffen. Konsum- und Investitionsausgaben sind stark gesunken, was ein allgemeines Misstrauen in die wirtschaftliche Erholung widerspiegelt und langfristige Probleme aufwirft für die Gesellschaft und die sozialen Sicherungssysteme.
Wachstum jenseits des BIP
Es wird betont, dass ein rein auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) fokussiertes Wirtschaftswachstum nicht ausreicht, um den gesellschaftlichen Wohlstand zu messen. Anstatt nur quantitative Wachstumsziele zu verfolgen, sollte auch die Lebensqualität berücksichtigt werden, etwa durch mehr Freizeit, eine bessere Umweltqualität und eine gesündere Bevölkerung. Das Wirtschaftsforschungsinstitut hat bereits Konzepte entwickelt, die über das BIP hinausdenken und auf den umfassenden Wohlstand der Gesellschaft abzielen. Die Herausforderung liegt darin, in einer alternden Gesellschaft Wachstum zu generieren, das zur Aufrechterhaltung der sozialen Systeme beiträgt, ohne die Umwelt zu gefährden.
Inflation und ihre sozialen Auswirkungen
Die Inflationsrate in Österreich hat sich als höher erwiesen als in vielen anderen Euro-Ländern, und das hat bedeutende soziale Folgen. Während viele Haushalte infolge der Inflation unter finanziellen Druck geraten, hat die Regierung versucht, dies mit verschiedenen Hilfsmaßnahmen zu mildern. Trotzdem bleibt die Kaufkraft für viele auf der Strecke, was zu Verunsicherung und einer insgesamt schwächeren Konsumnachfrage führt. Die Inflation wird als besonders belastend für einkommensschwache Bürger angesehen, da diese überproportional von den Preissteigerungen betroffen sind, während die Diskussion über steuerliche Anpassungen und soziale Ausgleichsmaßnahmen an Bedeutung gewinnt.
Zukunftsstrategien für die europäische Wirtschaft
Die Diskussion um eine zukunftsorientierte Industriepolitik und den notwendigen Umbau Europas angesichts geopolitischer Herausforderungen wird als drängend bezeichnet. Der Vorschlag eines Transformationsfonds für die Modernisierung der Wirtschaft wird als Möglichkeit angesehen, den ökologischen Umbau voranzutreiben und gleichzeitig Investitionen in sozial nachhaltige Bereiche zu fördern. Es wird kritisch angemerkt, dass die europäische Politik dringend eine gemeinsame Strategie benötigt, um nicht nur auf die gegenwärtigen Krisen zu reagieren, sondern auch um langfristig handlungsfähig zu bleiben. Der Fokus sollte auf der Koordination und der Integration wirtschaftlicher Strategien liegen, um den Herausforderungen der Zukunft gerecht zu werden.
WIFO-Chef Gabriel Felbermayr diskutiert über die Gefahr von wirtschaftspolitischen Sackgassen durch Konjunkturpolitik mit dem Ökonomen Kurt Bayer und Falter-Radio-Host Raimund Löw.