Michaela Lindinger, Wiener Historikerin und Expertin für Sexualität im 19. Jahrhundert, beleuchtet die dunklen Facetten der Sexualität dieser Zeit. Sie erläutert, wie Frauen oft unterdrückt wurden und Ehen meist unglücklich verliefen. Besonders erschreckend ist die frühzeitige Heiratspraktik von Bräuten wie Kronprinzessin Stephanie. Lindinger diskutiert auch die Rolle von Sexarbeiterinnen in einer tabuierten Gesellschaft und die wachsende Popularität der Pornografie, die trotz Prüderie blühte und viele gesundheitliche Risiken mit sich brachte.
Im 19. Jahrhundert erlebten viele Frauen eine traumatisierende Hochzeitsnacht, die oft als Vergewaltigung empfunden wurde und ihre Unwissenheit widerspiegelte.
Sexarbeiterinnen waren eine wichtige, wenn auch stigmatisierte, Gruppe in der Gesellschaft, die unter ökonomischen Bedingungen überlebte und kreative Berufe unterstützte.
Deep dives
Sexualität im 19. Jahrhundert
Im 19. Jahrhundert war Sexualität oft ein Tabuthema und wurde nur im Kontext der Ehe als Fortpflanzung betrachtet. Frauen erhielten kaum Bildung über Sex und waren zudem oft traumatisiert von ihren ersten Erfahrungen in der Hochzeitsnacht. Die gesellschaftlichen Normen schränkten die Sexualaufklärung drastisch ein, wodurch viele Frauen unwissend in die Ehe gingen und mit einer enormen Erwartungshaltung konfrontiert wurden. Anhand der Erlebnisse historischer Figuren wie der Kronprinzessin Stefanie wird deutlich, dass dies für viele Frauen eine brutale Realität darstellte, da sie nicht wussten, was sie während der Hochzeitsnacht erwartete und oft dem Partner ausgeliefert waren.
Die Rolle der Sexarbeiterinnen
Sexarbeiterinnen spielten im 19. Jahrhundert eine bedeutende Rolle in der Gesellschaft, waren aber gleichzeitig stark stigmatisiert. Viele Frauen in kreativen Berufen, wie Schauspielerinnen oder Tänzerinnen, konnten sich mit sexuell orientierten Nebenverdiensten über Wasser halten, um ihre künstlerischen Ambitionen zu finanzieren. Diese Frauen waren oft besser bezahlt als in anderen Berufen und konnten unter schwierigen ökonomischen Bedingungen überleben. Obwohl sie überall in der Stadt präsent waren, wurden hauptsächlich die registrierten Sexarbeiterinnen kontrolliert, während informelle Praktiken und soziale Kodizes im Verborgenen blühten.
Pornografie und gesellschaftliche Normen
Die Entwicklung der Fotografie im 19. Jahrhundert führte zu einem Anstieg in der Erstellung und Verbreitung von pornografischen Inhalten, was in Wien besonders beliebt war. Die Nacktfotografie, auch wenn sie im Vergleich zu heutigen Standards harmlos erscheint, hatte einen enormen Reiz auf die Gesellschaft. Pornografie war in der damaligen Zeit eine geheime, aber weit verbreitete Industrie, und die Bilder wurden unter dem Tisch verkauft, meist über persönliche Kontakte. Dabei reflektierte die Nachfrage nach solchen Inhalten auch die doppelten Standards der Gesellschaft hinsichtlich Sexualität, wobei Männer oft in der Lage waren, diese Praktiken ohne negative Konsequenzen zu praktizieren, während Frauen dafür stigmatisiert wurden.
Sex hat im 19. Jahrhundert wenig Beglückendes, vor allem der eheliche - nicht umsonst fällt er in die Kategorie „eheliche Pflichten“. Frauen waren selten aufgeklärt, die Hochzeitsnacht empfanden viele als Vergewaltigung. In Arbeiterhaushalten, die oft nur ein Zimmer für die ganze Familie hatten, fand der elterliche Sex im Beisein der Kinder statt, Geburten ebenso. In höheren Kreisen wurden Bräute noch im Kindesalter verheiratet, so etwa Kronprinzessin Stephanie mit fünfzehn Jahren an ihren Ehemann Kronprinz Rudolf. Sie hatte zu dem Zeitpunkt noch nicht einmal die Regel. Unter der Decke einer ausgeprägten Prüderie blühten unterdrückte sexuelle Phantasien in der Gesellschaft – und natürlich auch die Prostitution. Ein Gespräch von Mariella Gittler mit der Wiener Historikerin Michaela Lindinger.
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