Stephan Anpalagan über die Leitkultur-Debatte, polizeiliche Kriminalstatistiken und poröse Brandmauern
May 20, 2024
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Stephan Anpalagan, Experte für gesellschaftliche Debatten und Autor, beleuchtet die Herausforderungen der aktuellen Leitkultur-Debatte. Er kritisiert die Doppelmoral von Politikern, die sich gegen Rassismus positionieren, aber selbst rechte Narrative fördern. Anpalagan spricht über die verzerrte Medienberichterstattung, die Vorurteile gegenüber ethnischen Gruppen schürt, und die Einflussnahme von Polizeigewerkschaften auf Kriminalstatistiken. Er thematisiert die Integrationsproblematik und deren Auswirkungen auf Gesellschaft und Identität.
Die problematische Rhetorik vieler Politiker verstärkt rassistische Stereotype und schadet dem gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland.
Die ineffektive Strategie der CDU zur Bekämpfung von Rechtsextremismus wird als opportunistisch kritisiert und gefährdet die Demokratie.
Die mediale Berichterstattung trägt zur Spaltung der Gesellschaft bei, indem sie negative Narrative über Migranten verstärkt und positive Geschichten ignoriert.
Deep dives
Kritik an Politischer Rhetorik
Ein zentrales Thema ist die problematische Rhetorik vieler Politiker in Bezug auf den Islam und Muslime in Deutschland. Aussagen, die Muslime häufig als eine Bedrohung oder als nicht zu Deutschland gehörend darstellen, stärken rassistische Stereotype und führen zu einer Stigmatisierung. Die selektive Ansprache von Muslimen in politischen Diskussionen, während andere religiöse Gruppen unbeachtet bleiben, verzerrt das Bild einer pluralistischen Gesellschaft. Diese Doppelmoral wird als schädlich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt wahrgenommen und hinterfragt die tatsächlich vertretenen Werte der Freiheit und Gleichheit in Deutschland.
„Brandmauer“ gegen Rechtsextremismus
Die Notwendigkeit einer kraftvollen Brandmauer gegen Rechtsextremismus wird betont, wobei die derzeitige politische Strategie der CDU als ineffektiv und opportunistisch kritisiert wird. Es wird argumentiert, dass die CDU versucht, durch rassistische Narrativen Wählerstimmen zurückzugewinnen, anstatt sich klar gegen Extremismus zu positionieren. Diese Taktik wird als gefährlich für die Demokratie angesehen, da sie die Normalisierung extremistischer Ansichten fördert. Der Verlust an inhaltlicher Substanz innerhalb der CDU, gepaart mit einem Überangriff auf gesellschaftliche Werte, trägt dazu bei, dass rechtsextreme Positionen mehr Gehör finden.
Medien und ihre Rolle im Rassismus-Diskurs
Die Berichterstattung der Medien zu Migration und Kriminalität wird als ein entscheidender Faktor für die Verstärkung von Rassismus und Vorurteilen identifiziert. Medien tendieren dazu, bestimmte Narrative und Klischees zu wiederholen, die die Wahrnehmung von Migrantengruppen beeinflussen. Die Neigung, negative Berichterstattung über Ausländer zu priorisieren und positive Geschichten zu ignorieren, erzeugt ein verzerrtes Bild in der Öffentlichkeit. Dies führt zu einer Normalisierung von Stereotypen, die die gesellschaftliche Spaltung weiter vorantreibt und das Vertrauen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen erschwert.
Die Sichtweise und Identität von Migranten
Die Frage der Identität und Zugehörigkeit von Migranten und deren Nachkommen wird als komplex und vielschichtig dargestellt. Ein Gefühl der Entfremdung entsteht, wenn Migranten und ihre Kinder trotz ihrer langjährigen Integration in die Gesellschaft weiterhin als „Fremde“ wahrgenommen werden. Diese Ausgrenzung führt oft zu einem Identitätskonflikt, der mit der Frage „Wo kommst du her?“ verstärkt wird, und bewirkt, dass sich viele auch im eigenen Land nicht vollständig akzeptiert fühlen. Der historische Kontext der Migration und der damit verbundenen Diskriminierung ist entscheidend, um die aktuellen Herausforderungen zu verstehen und angemessen darauf zu reagieren.
Kombination von Politischer Macht und Rassismus
Die politische Nutzung rassistischer Narrative zur Machterhalt wird als strategisches Manöver beschrieben, um Wählerstimmen zu gewinnen. Der Zusammenhalt zwischen Teilen der CDU und rechtsextremen Positionen wird deutlich, was Bedenken hinsichtlich der Integrität der Demokratie aufwirft. Die Behauptung, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen für soziale Probleme verantwortlich gemacht werden, zeigt, wie Rassismus zur politischen Instrumentalisierung wird. Diese Verquickung von Macht und Rassismus führt zu einer gefährlichen Dynamik, die die demokratischen Werte untergräbt und gesellschaftliche Spannungen verstärkt.
In den letzten Monaten wurde viel über die sogenannte demokratische Brandmauer gesprochen. Nach den Enthüllungen von Correctiv zu einem Geheimtreffen von Rechtsextremen in Potsdam gingen in ganz Deutschland Millionen Menschen gegen Rassismus auf die Straße. Aber… wie glaubwürdig sind so manche Lippenbekenntnisse von Politikerinnen, die sich sonst gerne mal bei Wahlkampfevents in Bierzelten für rassistische Ausfälle beklatschen lassen? Und was würde es eigentlich erfordern, wenn wir das als Gesellschaft ernsthaft mit der Brandmauer gegen Rechtsextremismus durchziehen wollen würden?
Stephan Anpalagan ist Autor und Geschäftsführer bei “Demokratie in Arbeit”. Und er lehrt an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung in NRW. In seinem Buch “Kampf und Sehnsucht in der Mitte der Gesellschaft” schildert er eindrücklich die Folgen rassistischer Narrative und prangert die Doppelmoral so mancher Politikerin an.