Gwendolyn Sasse, Einstein-Professorin für Vergleichende Demokratie- und Autoritarismusforschung, beleuchtet die komplexe Geschichte der Krim und die Geopolitik seit 2014. Sie erklärt die Hintergründe der Krim-Annexion und die sozialen Auswirkungen auf die Bevölkerung. Das Gespräch behandelt die historischen Ansprüche und die kulturelle Identität der Menschen vor Ort. Zudem geht es um die verschlechterten Lebensbedingungen und die strategische Bedeutung der Krim im aktuellen Konflikt. Sasses Einsichten fördern ein besseres Verständnis für diese Region.
Die Annexion der Krim durch Russland 2014 wurde von einem politischen Vakuum und den Unruhen in der Ukraine katalysiert, was die geopolitische Lage nachhaltig veränderte.
Heute leben viele Krim-Tataren unter Repression, während die ethnische Vielfalt der Bevölkerung die komplexen kulturellen und politischen Identitäten in der Region widerspiegelt.
Deep dives
Die Besetzung der Krim 2014
Im Februar 2014 besetzten russische Sondereinheiten die Krim, was innerhalb weniger Tage zu einer faktischen Kontrolle der Region führte. Diese ohne Hoheitsabzeichen agierenden Soldaten schufen die Grundlage für ein umstrittenes Referendum am 16. März, bei dem angeblich eine Mehrheit der Krim-Bevölkerung für einen Anschluss an Russland stimmte. Der anschließende Beitritt der Krim zu Russland wurde international als illegitim angesehen, da die Bedingungen für die Durchführung des Referendums nicht demokratischen Standards entsprachen. Die Besetzung war eng mit den politischen Unruhen in der Ukraine und dem Euromaidan verbunden, der gegen die Korruption und die autoritäre Herrschaft des Präsidenten Janukowitsch gerichtet war.
Die Rolle der Ukraine im Konflikt
Die Proteste in der Ukraine, die sich gegen den korrupten Präsidenten Janukowitsch richteten, bildeten den Rahmen für die russische Annexion der Krim. Diese Proteste, die ihren Höhepunkt im Euromaidan erreichten, führten zu einem politischen Vakuum in Kiew, als Janukowitsch nach Russland floh. Russland nutzte diese instabile Situation aus, um die Kontrolle über die Krim zu übernehmen und gleichzeitig die narrative Rhetorik eines 'faschistischen Staatsstreichs' in der Ukraine zu etablieren. Der Verlust von Einfluss in der Ukraine stellte für Russland eine ernsthafte Bedrohung dar, da es um die Wahrung seiner imperialen Ansprüche ging.
Bevölkerung und Identität auf der Krim
Die Bevölkerung der Krim ist ethnisch vielfältig, wobei ein großer Teil sich als russisch identifiziert. Seit der Annexion 2014 sind jedoch viele Krim-Tataren, die gegen die russische Besatzung protestierten, aus der Region geflohen oder wurden repressiv verfolgt. Vor der Annexion war die Krim über Jahrzehnte hinweg ein Teil der Ukraine, und es gab keine nennenswerte Bewegung für einen Anschluss an Russland. Das komplexe Identitätsgefüge zeigt, dass kulturelle Affinitäten zu Russland nicht notwendigerweise den Wunsch nach politischer Integration bedeuteten.
Zukunft der Krim im aktuellen Konflikt
Die Möglichkeit einer Rückkehr der Krim zur Ukraine ist durch die anhaltenden Konflikte und die Invasion im Jahr 2022 wieder aktuell geworden. Der ukrainische Präsident Zelensky hat ein klares Ziel formuliert, das gesamte Staatsgebiet, einschließlich der Krim, zurückzuerobern. Die militärische und politische Dynamik der nächsten Monate wird entscheidend dafür sein, in welche Richtung dieser Konflikt sich entwickeln wird. Obwohl Verhandlungen über den Status der Krim derzeit in der Ferne liegen, bleibt die Situation fluid, und alle Optionen sind theoretisch möglich.
Auf der Krim hat 2014 alles angefangen. Wir nehmen uns Zeit und blicken zurück: Was ist damals passiert? Wie lebt es sich heute dort? Und was sollte man über Kultur und Geschichte der Halbinsel wissen? Gwendolyn Sasse erklärt.
Gwendolyn Sasse ist Einstein-Professorin für Vergleichende Demokratie- und Autoritarismusforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin. Gwendolyn auf Twitter.
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