Im Jugendclub mit Beate Zschäpe - Was Jugendarbeit kann und was nicht
Feb 14, 2025
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Heike Radvan, Erziehungswissenschaftlerin und Rechtsextremismusforscherin an der Universität Tübingen, beleuchtet die Herausforderungen in der Jugendarbeit zur Prävention von Rechtsextremismus. Sie erklärt, wie sich extrem rechte Ideologien unter Jugendlichen entwickeln, insbesondere durch soziale und online Einflüsse. Radvan diskutiert Geschlechterperspektiven und die Bedeutung von Bildungsarbeit. Zudem hebt sie die Notwendigkeit hervor, alltägliches Wissen in die Prävention zu integrieren und reflektiert die Erfahrungen von Studierenden im Kontext rechtsextremer Orientierungen.
Die Wirksamkeit traditioneller Bildungsarbeit zur Prävention von Rechtsextremismus wird durch ihre oft reaktive Natur in Frage gestellt.
Junge Menschen tendieren in kritischen Identitätsphasen verstärkt zu extremen Ideologien, was durch sozioökonomische Bedingungen beeinflusst wird.
Die Genderperspektive spielt eine entscheidende Rolle im Verständnis von Rechtsextremismus, da auch Frauen spezifische Motive zur Hinwendung haben.
Deep dives
Einblicke in die Jugendarbeit der 1990er Jahre
In den 1990er Jahren war die Jugendarbeit ein entscheidendes Feld, in dem Sozialarbeiter mit Jugendlichen wie Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in Jena arbeiteten. Trotz intensiver sozialpädagogischer Bemühungen wandten sich diese Jugendlichen extrem rechten Ideologien zu, was die Wirksamkeit traditioneller Bildungsarbeit in Frage stellt. Der Sozialarbeiter Thomas G. schildert seine Erinnerungen an Zschäpe als eine junge Frau ohne politisches Interesse, obwohl sie in einem für Gruppen erklärte Lebensumfeld rassistische Äußerungen tätigte. Diese Diskrepanz wirft Fragen auf, wie Fachkräfte soziale Prozesse und Ideologien frühzeitig erkennen können, um präventiv zu handeln.
Grenzen der politischen Bildungsarbeit
Die politische Bildungsarbeit wird oft als ein Mittel zur Prävention von Rechtsextremismus betrachtet, stößt jedoch an mehrere Grenzen. Diese Praxis wird häufig als reaktive Maßnahme betrachtet, die meist erst nach einem Vorfall zum Einsatz kommt, was ihre Wirksamkeit untergräbt. Sozialpädagog:innen kritisieren die Feuerwehrfunktion ihrer Profession, bei der sie kurzfristige Lösungen für tiefere gesellschaftliche Probleme finden sollen. Eine umfassende Bildung erfordert mehr als nur kurzfristige Interventionen; sie muss als Teil eines gesamtgesellschaftlichen Ansatzes verstanden werden.
Erklärungstheorien für Rechtsextremismus
In der Wissenschaft sind verschiedenste Erklärungsansätze zur Entstehung von rechtsextremen Orientierungen zu finden, darunter psychologische, soziologische und historische Ansätze. Diese Theorien beleuchten die Auswirkungen von gesellschaftlichen Veränderungen, wie etwa Desintegration und Deprivation, auf die Hinwendung zu extremen Ideologien. Insbesondere im Jugendalter gibt es kritische Phasen der Identitätsfindung, in denen rechtsextreme Gruppen oft Ansprechend wirken. Die Forschung zeigt, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen sozioökonomischen Bedingungen und der Entscheidung für rechtsextreme Ideen oft nur schwer nachzuvollziehen ist.
Die Rolle von Gender im Rechtsextremismus
Traditionell wird der Rechtsextremismus oft als männliches Phänomen betrachtet, was genderspezifische Aspekte ignoriert. Neue Forschungsergebnisse verdeutlichen, dass Frauen und ihre Motivationen für eine Hinwendung zu extremen Rechten ebenfalls von zentraler Bedeutung sind. Diese Stereotypisierung erschwert nicht nur die Wahrnehmung der Rolle von Frauen im Rechtsextremismus, sondern behindert auch präventive Maßnahmen im Bildungsbereich. Umgekehrt müssen geschlechterreflektierte Perspektiven in der Bildungsarbeit stärker Berücksichtigung finden, um die Komplexität des Phänomens angemessen zu erfassen.
Einflüsse der sozialen Medien auf Jugendliche
Die Interaktion von Jugendlichen mit sozialen Medien zeigt, wie rechtsextreme Ideologien strategisch auf digitalen Plattformen verbreitet werden. Musik und Online-Inhalte spielen eine bedeutende Rolle bei der Anwerbung neuer Anhänger, insbesondere unter Jugendlichen. Untersuchungen haben gezeigt, dass immer mehr junge Wähler:innen durch soziale Netzwerke mit rechtsextremen Inhalten in Kontakt kommen, was sich in den Wahlen in Ostdeutschland widerspiegelt. Die Forschung zu diesen Phänomenen bleibt jedoch unzureichend, und es sind dringend neue Ansätze notwendig, um das Verständnis sowie die Präventionsarbeit in diesem Kontext zu verbessern.
Ein Vortrag der Erziehungswissenschaftlerin Heike Radvan Moderation: Katja Weber
********** Warum wenden sich junge Menschen rechtsextremen Szenen zu? Was kann Jugend- und Bildungsarbeit leisten? Die Erziehungswissenschaftlerin Heike Radvan gibt einen Überblick über der Forschungsstand.
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Heike Radvan ist Erziehungswissenschaftlerin und Rechtsextremismusforscherin am Institut für Rechtsextremismusforschung der Universität Tübingen.
Ihren Vortrag mit dem Titel "Erklärungsansätze für das Entstehen extrem rechter Orientierungen. Antworten (und Begrenzungen) der politischen Bildungsarbeit" hat sie am 15. Januar 2025 im Rahmen der Reihe "Rechtsextremismus: Erforschen und Entgegentreten" an der Eberhard Karls Universität Tübingen gehalten. Dort hat sie die Professur für Rechtsextremismusforschung mit dem Schwerpunkt Politische und kulturelle Bildung inne.
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Ihr hört in diesem Hörsaal:
00:02:17 - Beginn des Votrags
00:05:44 - Grundsätzliche Überlegungen
00:13:37 - Verschiedene Erklärungsansätze und Theorien