#31 Journalismus unter Zensur - was Miriam Beller und Paul Krisai vom ORF-Büro Moskau erlebten
Sep 29, 2023
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Miriam Beller, ORF-Korrespondentin in Moskau und Autorin, sowie ihr Kollege Paul Krisai teilen eindrucksvolle Einblicke in den Journalismus unter russischer Zensur. Sie berichten von bedrückenden Erlebnissen seit dem Ukraine-Konflikt und den Herausforderungen, kritische Stimmen im repressiven System zu äußern. Die Auswirkungen von Militärzensur auf die Gesellschaft sowie die Apathie der Bevölkerung werden thematisiert. Ihre persönlichen Beweggründe für die Berichterstattung und die Wertschätzung von Meinungsfreiheit werden ebenfalls diskutiert.
Die journalistische Arbeit in Russland ist durch strikte Zensurgesetze stark eingeschränkt, was kritische Berichterstattung extrem erschwert.
Die verstärkte Militärzensur führt zu verzerrten Informationen in den Medien, wodurch das Verständnis der russischen Bevölkerung über den Ukraine-Konflikt stark beeinträchtigt wird.
Die Zivilgesellschaft in Russland leidet unter Apathie und Entfremdung, was öffentlichen Widerstand gegen autoritäre Maßnahmen erheblich erschwert.
Deep dives
Die Herausforderungen der journalistischen Arbeit in Russland
Die journalistische Arbeit in Russland hat sich mit der politischen Entwicklung und insbesondere nach dem Überfall auf die Ukraine erheblich verändert. Pressefreiheit ist mittlerweile stark eingeschränkt, und Jounalisten stehen aufgrund von Zensurgesetzen unter enormem Druck. In diesen neuen Gesetzen, die abrupt nach Kriegsbeginn erlassen wurden, ist es u.a. verboten, die russische Armee zu diskreditieren oder als aggressor zu bezeichnen. Diese rechtlichen Einschränkungen machen es sehr schwierig, objektiv über die tatsächlichen Ereignisse zu berichten, wodurch viele Journalisten zur Selbstzensur gezwungen sind.
Die Ausweitung der Militärzensur
Mit dem Krieg in der Ukraine hat die russische Regierung die Militärzensur verstärkt, was weitreichende Auswirkungen auf die Medienlandschaft hat. Journalisten dürfen nicht mehr über militärische Verluste oder kritische Berichterstattungen berichten, was dazu führt, dass die Öffentlichkeit mit verzerrten Informationen konfrontiert wird. Ein Beispiel hierfür ist das Verbot, das Wort "Krieg" zu verwenden; stattdessen muss von "Spezialoperationen" gesprochen werden. Diese Absurditäten beeinflussen nicht nur die Berichterstattung der Medien, sondern auch das Verständnis der russischen Bevölkerung über den Konflikt und die Realität.
Die Psyche der Journalisten unter Druck
Die ständige Überwachung und der Druck, den Journalisten in Russland erleben, prägen ihre Arbeitsweise und Psyche. Interviews und Recherchen werden häufig von der Angst begleitet, dass Gespräche abgehört werden könnten oder dass Interviewpartner in Schwierigkeiten geraten. Diese belastenden Umstände führen dazu, dass Journalisten oft kreative Wege finden müssen, um Informationen zu beschaffen und zu übermitteln, während sie gleichzeitig ihre eigene Sicherheit und die ihrer Quellen im Auge behalten. Letztendlich ist jeder Schritt im journalistischen Prozess ein Balanceakt zwischen dem Streben nach Wahrheit und dem Risiko von Repression.
Der Einfluss der Zivilgesellschaft und deren Apathie
Die Zivilgesellschaft in Russland leidet unter einer tiefen Lethargie und Apathie, die durch jahrelange autoritäre Herrschaft gefördert wurde. Viele Menschen fühlen sich von der Politik entfremdet und glauben nicht, dass sie etwas bewirken können, was zu einer hohen Hürde für öffentlichen Widerstand führt. Proteste gegen den Krieg oder gegen die Mobilisierung wurden hart niedergeschlagen, und dies hat viele Menschen davon abgehalten, sich gegen die Regierung zu äußern. Der Mangel an Rechenschaftspflicht und das Gefühl der Machtlosigkeit haben dazu geführt, dass viele den Status quo akzeptieren, auch wenn sie mit der Richtung des Landes unzufrieden sind.
Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Sanktionen
Die Sanktionen gegen Russland haben tiefe wirtschaftliche Löcher gerissen und Auswirkungen auf das tägliche Leben der Bevölkerung. Es wird berichtet, dass die russische Autoindustrie massiv unter Druck ist, da viele westliche Hersteller das Land verlassen haben und die Produktion stark beeinträchtigt wurde. Gleichzeitig gelingt es Russland, einige Märkte, wie den aus China, zu nutzen, was die wirtschaftliche Isolation nicht so sehr wie gewünscht zur Geltung bringt. Dennoch hat die staatliche Propaganda dazu beigetragen, die Wahrnehmung der Sanktionen zu verzerren und die Verantwortung dafür auf den Westen zu schieben.
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"Russland von innen / Leben in Zeiten des Krieges": Das ist der Titel eines druckfrischen Buches, das im Verlag Zsolnay erschienen ist.
Geschrieben haben es Paul Krisai und Miriam, die seit Jahren für den ORF aus Moskau berichten.
Seit Russland Überfall auf die Ukraine hat sich dort vieles verändert und das nicht zum Guten.
Es sind bedrückende Schilderungen aus einem Land, das die Pressefreiheit abgeschafft und kritische Stimmen ausgeschaltet hat, ein Land in dem Militärzensur und Kriegspropaganda die Gesellschaft durchdringen.
Kann man da überhaupt noch journalistisch arbeiten? Und warum tut man sich das an?
Darüber spreche ich im Studio mit Miriam Beller und Paul Krisai. Das Transkript des Gesprächs wird in Kürze hier nachgereicht.
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