Massenentlassungen: Welche Jobs wegfallen - und wie es weitergeht
Nov 30, 2024
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Sebastian Dullien, Professor für Volkswirtschaft, beleuchtet die aktuellen Herausforderungen der deutschen Industrie. Er analysiert die drohenden Massenentlassungen und die Auswirkungen hoher Inflationsraten sowie geopolitischer Spannungen. Dullien plädiert für eine gezielte Industriepolitik und Reformen zur Unterstützung des Wachstums. Besonders wichtig ist ihm, die Deindustrialisierung Deutschlands zu stoppen. Zudem wird die Rolle von KI auf dem Arbeitsmarkt und die potenziellen Alternativen für betroffene Arbeitnehmer thematisiert.
Die hohe Inflation und die daraus resultierende Kaufzurückhaltung führen zu massiven Arbeitsplatzverlusten in der deutschen Automobil- und Stahlindustrie.
Geopolitische Spannungen, insbesondere mit China, verschärfen den Wettbewerb für deutsche Exporte und gefährden deren Marktanteile erheblich.
Deep dives
Entlassungen in der deutschen Industrie
Die deutsche Industrie steht vor massiven Herausforderungen, die zu einer Welle von Entlassungen führen. Unternehmen wie VW, Ford und ThyssenKrupp planen, zehntausende Arbeitsplätze abzubauen, was auf eine ausgeprägte Kaufzurückhaltung der Verbraucher zurückzuführen ist. Im Jahr 2023 sind die Neuwagenverkäufe in Deutschland um 25 Prozent gesunken, was zeigt, dass die Konsumenten nicht nur weniger neuere Modelle kaufen, sondern generell weniger Autos erwerben. Diese gesamtwirtschaftliche Unsicherheit hat zur Folge, dass nicht nur die Automobilindustrie leidet, sondern auch Industriezulieferer stark betroffen sind, da sie zunehmend unter Druck stehen, ihre Kosten zu senken und ihre Kapazitäten anzupassen.
Einfluss geopolitischer Faktoren auf die Wirtschaft
Die geopolitischen Spannungen, insbesondere zwischen China und den USA, haben einen erheblichen Einfluss auf die deutsche Wirtschaft. China strebt danach, weniger abhängig von Importen zu sein, was dazu führt, dass deutsche Unternehmen ihre Marktanteile in einem der größten Wachstumsmärkte verlieren. Diese Entwicklung wird zusätzlich verstärkt durch die Strategien Chinas, in den Schlüsselbranchen technologisch führend zu werden, was die Konkurrenz für deutsche Exporte erhöht. Als Folge sehen sich deutsche Unternehmen nicht nur einem schwindenden Absatz in China gegenüber, sondern auch einem verschärften Wettbewerb auf anderen internationalen Märkten.
Energiepreise und staatliche Rahmenbedingungen
Die hohen und unberechenbaren Energiepreise stellen einen weiteren kritischen Faktor für die deutsche Industrie dar. Insbesondere nach der russischen Invasion in die Ukraine sind die Energiepreise stark angestiegen, wodurch viele Unternehmen vor der Herausforderung stehen, ihre Kosten langfristig zu planen. Die Unsicherheiten über künftige Energiepreise bremsen Investitionsentscheidungen, was zu einer stagnierenden Wirtschaftslage beiträgt. Zudem wurde die Möglichkeit, durch gezielte politische Maßnahmen wie eine Anpassung der Schuldenbremse oder eine stabilere Energiepreispolitik gegenzusteuern, oft nicht ausreichend genutzt, was zusätzliche Risiken für die wirtschaftliche Stabilität mit sich bringt.
Für große deutsche Industriekonzerne sind es schwierige Zeiten. Die Inflation ist hoch, die Produktionskosten genauso. Viele Arbeitnehmer in der Automobil- und Stahlindustrie sowie dem Maschinenbau werden wohl ihre Jobs verlieren, wie aktuell bei Bosch, VW oder Thyssenkrupp. Und womöglich ist es damit noch nicht vorbei. Denn die Kaufzurückhaltung der Verbraucher aufgrund der hohen Inflation bleibt, China ist immer weniger auf deutsche Exporte angewiesen und unter dem designierten US-Präsidenten Donald Trump wird die Lage auch nicht sicherer.
Der Ökonom Sebastian Dullien sieht allerdings nicht die Gefahr einer tiefen Rezession. Für den Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung handelt es sich um eine Phase der Stagnation. Deshalb plädiert er für eine gezielte Industriepolitik. Auch eine Reform der Schuldenbremse könnte mehr Spielraum für wachstumsfördernde Maßnahmen schaffen. Insgesamt sieht Dullien Handlungsbedarf für eine künftige Bundesregierung, um die Deindustrialisierung Deutschlands zu verhindern.