Sophie In’t Veld, eine niederländische EU-Abgeordnete der D66, und Stephan Schulmeister, ein österreichischer Ökonom, diskutieren die gegenwärtigen Herausforderungen der EU. Sie beleuchten die Haltung der 'geizigen Vier' gegen den Wiederaufbaufonds und die damit verbundenen finanziellen Kontroversen. Dabei wird die Notwendigkeit betont, in Gemeinwohl und Infrastruktur zu investieren, um langfristige Probleme wie Klimawandel und soziale Ungleichheit zu bewältigen. Zudem wird die politische Dynamik in Österreich und die wachsende Skepsis gegenüber der EU thematisiert.
Die 'sparsame Vier' fordern Kredite statt Zuschüsse, was die bestehende Sparpolitik reflektiert und die Perspektive auf öffentliche Güter betrifft.
Die Unterschiede in den Ansätzen der Mitgliedstaaten zur wirtschaftlichen Erholung könnten nationalistische Strömungen verstärken, gleichzeitig aber auch den europäischen Zusammenhalt fördern.
Deep dives
EU-Wiederaufbaufonds und seine Bedeutung
Die Europäische Union hat einen Wiederaufbaufonds in Höhe von 750 Milliarden Euro vorgeschlagen, um den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie entgegenzuwirken. Deutschland und Frankreich unterstützen die Idee, Schulden aufzunehmen, um finanzielle Zuschüsse – nicht nur Kredite – an die Mitgliedstaaten zu ermöglichen. Dies wird als bedeutender Fortschritt in der EU angesehen, da die finanzielle Verantwortung nicht gemeinsam getragen wird, sondern sich auf die Beiträge jedes einzelnen Landes stützt. Diese Neuausrichtung könnte eine langfristige Strategie für ein sozialeres und ökologischeres Europa schaffen, was darauf hindeutet, dass die gegenwärtige Krise weitreichendere Schwächen im System offenbart hat, die angegangen werden müssen.
Widerspruch der sparsamen Vier
Österreich, Dänemark, Schweden und die Niederlande, gemeinsam als die 'sparsame Vier' bezeichnet, plädieren für ein Modell, das nur Kredite anstelle von Zuschüssen umfasst. Diese Position beruht auf einer alten Sparpolitik, die darauf besteht, dass Defizite und Schulden grundsätzlich vermieden werden sollten. Ökonomen argumentieren jedoch, dass diese Sichtweise insbesondere in Bezug auf öffentliche Güter nicht nachhaltig ist, da diese oft keine Profitabilität bieten. Historische Beispiele zeigen, dass nach Krisen wie dem Zweiten Weltkrieg das Sparen eine schwerwiegende Bremswirkung auf den Wiederaufbau hatte, was die Notwendigkeit unterstreicht, auch mit Schulden in die Verbesserung öffentlicher Güter zu investieren.
Politische Dynamik und Herausforderungen in der EU
Die politischen Spannungen innerhalb der EU nehmen zu, insbesondere wegen der unterschiedlichen Ansätze der Mitgliedstaaten bezüglich der wirtschaftlichen Erholung. Es besteht die Möglichkeit, dass die Krise nationalistische Strömungen verstärkt, während gleichzeitig das Bewusstsein für die Notwendigkeit eines stärkeren Zusammenhalts wächst. Politiker wie Sebastian Kurz versuchen, sich populären Strömungen anzupassen, während gleichzeitig die Verantwortung für die gemeinsamen Herausforderungen nicht aus den Augen verloren werden sollte. Der gesamte Prozess des Wiederaufbaus könnte somit nicht nur entscheidend für die wirtschaftliche Erholung sein, sondern auch eine Gelegenheit darstellen, die europäische Integration zu vertiefen.
Vier Geizige gegen Merkel und Macron. Warum der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz und der niederländische Premierminister Mark Rutte zu jenen gehören, die gegen den EU-Wiederaufbaufonds von 750 Milliarden agitieren. Zu hören: die niederländische EU-Abgeordnete Sophie In’t Veld (D66) und der österreichische Ökonom Stephan Schulmeister.
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