Best of: Wahlmänner & das US-Wahlsystem, erklärt – von Reinhard Heinisch
Nov 1, 2024
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Reinhard Heinisch, Politikwissenschaftler an der Universität Salzburg mit langjähriger Erfahrung in den USA, erklärt, warum das amerikanische Wahlsystem so kompliziert ist. Er beleuchtet die Rolle der Wahlmänner und die historische Entwicklung des Electoral College. Auch die zunehmende Polarisierung in der US-Politik wird thematisiert, sowie die Herausforderungen beim Wählen, einschließlich Identifikationsnachweisen. Schließlich wird der Reformbedarf des politischen Systems diskutiert, besonders im Kontext der Trump-Präsidentschaft.
Das US-Wahlsystem, das auf einem Mehrheitswahlrecht basiert, führt dazu, dass kleinere Parteien bei Wahlen unterrepräsentiert sind.
Die starke Politisierung in den USA zeigt sich in der Dominanz von zwei großen Parteien und der abnehmenden Möglichkeit zur Kompromissfindung.
Deep dives
Das Wahlsystem der USA: Einfachheit und Komplexität
Das US-Wahlsystem basiert auf einem Mehrheitswahlrecht, was bedeutet, dass der Kandidat, der in einem Wahlbezirk die meisten Stimmen erhält, den Wahlsieg davonträgt. Dieses System führt dazu, dass alle Wahlmännerstimmen eines Bundesstaates an den Gewinner der Volksabstimmung gehen, was die Möglichkeit von Koalitionen ausschließt. Während dies die Entscheidungsfindung in der Regierung erleichtert, hat es auch den Nachteil, dass kleinere Parteien tendenziell bei Wahlen unterrepräsentiert sind. Ein Beispiel ist Florida, wo selbst 10 Prozent der Stimmen für eine dritte Partei bedeutungslos sind, da sie keine Wahlmännerstimmen erhalten.
Präsidentenwahl und das Electoral College
Um Präsident der USA zu werden, benötigt ein Kandidat mindestens 270 Stimmen im Electoral College, das die Stimmen der Bundesstaaten gewichtet. Aufgrund der unterschiedlichen Bevölkerungszahlen hat Kalifornien beispielsweise mehr Stimmen als Pennsylvania. Das Electoral College ist eine zentrale Einrichtung, die bestimmte Staaten in ihrem Gewicht im Wahlprozess unterscheidet und dafür sorgt, dass Präsidenten die Interessen der großen Staaten stärker berücksichtigen. Die historische Entscheidung, ein Mehrheitswahlrecht auf Bundesstaatenebene zu etablieren, führte dazu, dass einige Bundesstaaten ihre Stimmen nicht aufteilen, was die Macht der Stimmen noch weiter bündelt.
Wahlkampf und seine Taktiken
Im amerikanischen Wahlsystem konzentrieren sich die Wahlkämpfe oft auf einige Schlüsselstaaten, die als Swing States gelten, anstatt die gesamte Wählerschaft in einem Bundesstaat anzusprechen. Dies führt dazu, dass Kandidaten ihre Ressourcen strategisch in diesen umkämpften Gebieten einsetzen, um die Wähler zu mobilisieren, die die Wahl entscheiden können. Ein praktisches Beispiel ist, dass in einem stabilen roten oder blauen Bundesstaat, wie Vorarlberg für die ÖVP oder Wien für die SPÖ, keine Wahlkampfaktivitäten stattfinden, weil das Ergebnis bereits klar ist. Dadurch werden einige Wählergruppen in weniger umkämpften Bundesstaaten ignoriert.
Polarisierung und Wahlsystem
Die US-amerikanische politische Landschaft ist stark polarisiert, was sich auch in der Parteistruktur zeigt, in der es faktisch nur zwei große Parteien gibt. Diese Polarität hat über die Jahre zugenommen und führt dazu, dass viele Amerikaner eine tiefgreifende Abneigung gegenüber der jeweils anderen Partei haben. Studien zeigen, dass sich die Möglichkeiten zur Kompromissfindung in der Politik verringert haben, was zu einer generellen Unzufriedenheit mit dem demokratischen Prozess führen kann. Diese Entwicklung hat zur Folge, dass potenzielle Reformen im System notwendig erscheinen, um die Demokratie zu stärken und die Teilhabe aller Bürger zu fördern.
Warum haben die USA eigentlich so ein komisches Wahlsystem? Reinhard Heinisch sorgt dafür, dass uns die Wahl nächste Woche nicht verwirrt. Die Folge ist 2020 zum ersten Mal ausgespielt worden.
Reinhard Heinisch ist Politikwissenschafter an der Universität Salzburg. Zuvor war er 30 Jahre in den USA, hat dort studiert und als Professor an der University of Pittsburgh geforscht und unterrichtet.
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