Martin Rüther, ein Historiker, der zur Kinderlandverschickung im Zweiten Weltkrieg forscht, teilt spannende Einblicke in die dunkle Geschichte der KLV. Er erklärt, wie Kinder aus ihren Familien gerissen wurden, um im Sinne des Nationalsozialismus umerzogen zu werden. Dabei beleuchtet er die strengen Lagerbedingungen und den Einfluss der Hitlerjugend auf den Alltag der Kinder. Auch die emotionalen Folgen, wie Heimweh und Angst, werden thematisiert. Rüther zeichnet ein eindringliches Bild der Ambivalenz zwischen Kameradschaft und Kontrolle.
14:45
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insights INSIGHT
KLV Als Schutzmaßnahme Und Ordnungsinstrument
Die erweiterte Kinderlandverschickung begann im Oktober 1940 unter Leitung der Reichsorganisationen.
Sie wurde offiziell als Schutzmaßnahme präsentiert, verband aber Evakuierung mit breiter organisatorischer Kontrolle.
question_answer ANECDOTE
Annette Schwalms Lange Reise
Die zwölfjährige Annette Schwalm notierte im Tagebuch Vorbereitung und eine 37-stündige Reise nach Julowist.
Sie beschreibt Kälte im Waggon, aber trotzdem, dass die Kinder unterwegs Spaß hatten.
insights INSIGHT
Staatliche Organisation Und Propaganda
NS-Organisationen wie HJ, NSV und der NS-Lehrerbund übernahmen die Durchführung und Struktur der KLV.
Öffentlich klang der Aufruf wie ein Ferienprogramm, tatsächlich ging es auch um ideologische Einflussnahme.
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Am 5.10.1940 beginnt die Erweiterte Kinderlandverschickung im Zweiten Weltkrieg. Sie bringt Kinder in Sicherheit - und in die NS-Wehrerziehung.
In diesem Zeitzeichen erzählt Jana Magdanz:
warum man während des Zweiten Weltkriegs von "erweiterter" Kinderlandverschickung spricht,
wo die Kinder untergebracht werden und wie ihr Tagesablauf aussieht,
wie Erwachsene heute auf ihre Zeit im KLV-Lager zurückblicken,
von Heimweh, zensierten Briefen und schlechten Nachrichten von zu Hause.
Im Zweiten Weltkrieg werden rund zwei Millionen Kinder in Gastfamilien, Jugendherbergen oder Lagern weit weg von der Heimat untergebracht. Diese "Erweiterte Kinderlandverschickung", wie es offiziell heißt, soll in erster Linie dem Schutz der Kinder vor den Bomben dienen. Das eigentliche Ziel ist jedoch ein anderes: Der Nachwuchs soll - ungestört von Elternhaus oder Kirche - im Sinne des Nationalsozialismus umerzogen werden.
Oberaufsicht über die Lager haben jeweils ein Lehrer und ein Mitglied der Hitlerjugend oder des Bundes Deutscher Mädel. Besuche oder eine Rückholung ist verboten. In der Regel bleiben die Kinder zwischen sechs und neun Monaten.
Die Kinderlandverschickung ist kostenlos - und zumindest formal freiwillig. Allerdings wird auf die Eltern zunehmend moralischer Druck ausgeübt, sich "nicht am Tode" des eigenen Kindes schuldig zu machen. Trotzdem ist die Verschickung für die meisten Eltern keine Option. Sie bringen ihre Kinder lieber zu Verwandten aufs Land - um sie nicht nur vor den Bomben, sondern auch vor dem NS-Regime zu schützen.
Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
Martin Rüther, Historiker (ehemals NS-Dokumentationszentrum Köln)
Gerhard Kock: Der Führer sorgt für unsere Kinder. Die erweiterte Kinderlandverschickung im Zweiten Weltkrieg. Paderborn/München/Wien/Zürich 1997
Gerhard E. Sollbach: Flucht vor den Bomben. Kinderlandverschickung aus dem östlichen Ruhrgebiet im 2. Weltkrieg. Hagen 2002
Sigrid Bremer: Muckefuck und Kameradschaft - Mädchenzeit im Dritten Reich. Frankfurt am Main 1989
Eduard Füller: Kriegsheimat. Die Kinderlandverschickung aus dem nördlichen Westfalen im Zweiten Weltkrieg. Münster 2010
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