Laura Kampf, bekannte YouTuberin im DIY-Bereich, und Technikhistoriker Kurt Möser diskutieren die Geschichte des Selbermachens von der Lebensreformbewegung bis zur Ökobewegung. Themen umfassen DIY als Ausdruck von Ästhetik und politischen Einstellungen, Geschlechterklischees im Selbermachen, DIY als politische Gegenkultur, die Entwicklung vom Überlebensnotwendigen zum Luxushobby, und die Zukunft des Selbermachens durch Technologie wie 3D-Druck.
Selbermachen war einst Notwendigkeit, heute Freizeitbeschäftigung mit politischem Statement.
DIY bringt Produktionsstolz und Zufriedenheit durch Kreativität mit sich.
Selbermachen war integraler Bestandteil des täglichen Lebens, steigert Sozialprestige bis heute.
Deep dives
Die Entstehung des Selbermachens
Das Selbermachen bzw. DIY hat im Laufe der Geschichte verschiedene Phasen durchlaufen. Die erste Phase begann in der Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Industrialisierung. Die Arts and Crafts-Bewegung kritisierte die Ästhetik und Qualität der Massenware. Die Lebensreform-Bewegung setzte sich für eine Rückbesinnung auf Handarbeit und Natürlichkeit ein.
Die Bedeutung des Selbermachens nach dem Zweiten Weltkrieg
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Selbstmachen in Deutschland zur Notwendigkeit. Menschen improvisierten und nutzten alte Materialien für neue Zwecke. In der DDR wurde Selbstbauen zum Aufbau des Sozialismus erklärt. In Westdeutschland entstand der Heimwerker-Boom durch Baumärkte.
Die DIY-Bewegung in den 1970er Jahren
In den 1970er Jahren entwickelte sich das Selbermachen zu einem politischen Statement. Das ökologische Umdenken und die Ablehnung von Konsum prägten diese Zeit. DIY wurde zum Ausdruck gegen Kommerzialisierung und Umweltverschmutzung. Jugendliche Subkulturen griffen das Selbermachen als Akt des Protestes auf.
Selbermachen als Produktionsstolz
Selbermachen bringt einen Produktionsstolz mit sich. Egal ob es darum geht, Kleidung zu reparieren oder Regale anzubringen, die Selbstgemachte lösen einen Gefühl der Zufriedenheit aus. Dieser Stolz treibt dazu an, immer neue Projekte anzugehen und weiterhin kreativ zu sein, wodurch eine positive Abwärtsspirale entstehen kann.
Die Entwicklung des Selbermachens im Laufe der Geschichte
Früher war das Selbermachen keine Freizeitbeschäftigung, sondern eine Notwendigkeit. In vergangenen Jahrhunderten produzierten Menschen fast alles selbst, von Kleidung über Schuhe bis hin zu Werkzeugen. Die Fähigkeiten wurden informell durch Beobachtung und Imitation erworben, sowohl durch formelle als auch informelle Vermittlung. Das Selbermachen war integraler Bestandteil des täglichen Lebens und trägt bis heute dazu bei, dass Menschen ihr Sozialprestige steigern können.
Mit YouTuberin Laura Kampf und Technikhistoriker Kurt Möser
Die meiste Zeit der Geschichte war das eigenständige Herstellen vieler Alltagsgegenstände die Norm. Dann kam die industrielle Revolution. Und als es nicht mehr lebensnotwendig war, wurden Selbermachen und DIY zu einer Freizeitbeschäftigung, mit der wir etwas über uns selbst, unser ästhetisches Empfinden, sogar unsere politischen Einstellungen aussagen - von der Lebensreformbewegung des 19. Jahrhunderts bis zum Punk und zur Ökobewegung seit den 1970er Jahren.
Über die Vergangenheit und Gegenwart von Selbermachen und Do-it-yourself sprechen wir mit der YouTuberin Laura Kampf und dem Technikhistoriker Kurt Möser. Und fragen uns auch, ob wir in Zukunft noch sehr viel mehr "selbermachen" werden: Zum Beispiel mit dem 3D-Drucker im eigenen Wohnzimmer oder im Fablab um die Ecke.
Sven Reichardt und Detlef Siegfried (Hrsg.): Das alternative Milieu. Antibürgerlicher Lebensstil und linke Politik in der Bundesrepublik Deutschland und Europa 1968 - 1983, Göttingen 2010.
Reichardt, Sven: Authentizität und Gemeinschaft. Linksalternatives Leben in den siebziger und frühen achtziger Jahren, Berlin 2014.
Sarah Czerney, Lena Eckert und Silke Martin (Hrsg.): DIY, Subkulturen und Feminismen, Hamburg 2021.
Julia Gül Erdogan: Avantgarde der Computernutzung. Hackerkulturen der Bundesrepublik und der DDR, Göttingen 2021.