“Ein Glaubwürdigkeitsdesaster”: Über die Regierungsbildung in Österreich
Jan 11, 2025
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Peter Filzmaier, Politikwissenschaftler und einer der besten Politik-Erklärer Österreichs, analysiert die aktuelle politische Krise in Österreich. Er diskutiert die beeindruckende Wende der ÖVP, die nach gescheiterten Koalitionsgesprächen mit der FPÖ ein Glaubwürdigkeitsdesaster erlebt. Filzmaier beleuchtet die Auswirkungen dieser Entwicklungen auf das Vertrauen in die Politik und die Herausforderungen für die ÖVP. Zudem werden die Bedeutung der Medien und die Relevanz von Wählerwahrnehmungen thematisiert.
Die FPÖ steht kurz davor, die Kanzlerschaft zu übernehmen, was eine drastische Veränderung in der österreichischen politischen Landschaft darstellt.
Die Koalition zwischen FPÖ und ÖVP fokussiert sich auf die Budgetsanierung, wobei massive Differenzen in den Sparansätzen und deren Umsetzung sichtbar werden.
Deep dives
Die politische Lage in Österreich
In Österreich steht die FPÖ kurz davor, möglicherweise den Bundeskanzler zu stellen, nachdem die Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP zustande gekommen sind. Dies markiert eine wesentliche Veränderung in der politischen Landschaft, da die FPÖ nun als Kanzlerpartei auftritt und nicht länger nur als Juniorpartner fungiert. Diese Situation hat Protestdemonstrationen ausgelöst, die Erinnerungen an frühere Zeiten aufleben lassen, in denen die FPÖ bereits Teil der Regierung war und ähnliche Bedenken geäußert wurden. Teilnehmer der Demos befürchten, dass sich die politischen Inhalte und die Richtung der Regierung zum Nachteil vieler Bürger verändern könnten, insbesondere angesichts der geschickten Rhetorik und der Strategiewechsel der ÖVP.
Koalitionsverhandlungen und Budgetfragen
Die Koalitionsgespräche zwischen der FPÖ und der ÖVP konzentrieren sich insbesondere auf die Budgetsanierung, da Österreich mit hohen Schulden konfrontiert ist. Beide Parteien scheinen eine Einigung zu finden, die auf Einsparungen abzielt, jedoch gibt es deutliche Unterschiede in den Ansätzen der Parteien. Während die FPÖ die ÖVP für die bestehende Budgetmisere verantwortlich macht, bleibt unklar, wo konkret gespart werden soll. Es wird betont, dass die Umsetzung von Sparmaßnahmen in der Verwaltung häufig scheitert, und konkrete Pläne fehlen bislang, obwohl der Druck besteht, bis zu einem bevorstehenden Finanzministerrat in Brüssel Ergebnisse zu präsentieren.
Wählerstimmung und das Aufkommen der FPÖ
Die FPÖ konnte bei der letzten Wahl erfolgreich das Vertrauen der Wähler gewinnen, was teilweise auf eine kritische Stimmung gegenüber der etablierten Politik zurückzuführen ist. Viele Bürger wählen die FPÖ nicht unbedingt aufgrund ihrer politischen Ansichten, sondern aus einem Gefühl der Unzufriedenheit und dem Wunsch nach Veränderung. Insbesondere die unzureichende Krisenbewältigung während der Corona-Pandemie und der anhaltenden wirtschaftlichen Probleme scheinen einen großen Einfluss auf das Wählerverhalten gehabt zu haben. Auch wenn Herbert Kickl nicht das Hauptmotiv der Wähler war, unterstützt die Forderung nach einer strengeren Einwanderungspolitik und sicherheitsorientierten Maßnahmen die Popularität der Partei.
Seit vergangener Woche ist in Österreich ziemlich was los – mal wieder, könnte man sagen. Oder ist die aktuelle Regierungsbildungskrise doch eine größere Zäsur als andere politische Vorfälle der jüngsten Vergangenheit in Wien?
Denn die in Teilen rechtsextreme FPÖ könnte bald erstmals den Bundeskanzler stellen. Denn zunächst gab es zwar wochenlange Koalitionsgespräche anderer Parteien, um die stimmenstärkste FPÖ aus der Regierung raus zu halten. Doch als die gescheitert sind, hat die konservative ÖVP eine rhetorische und strategische 180-Grad-Wende hingelegt.
„Es ist natürlich nicht nur ein Glaubwürdigkeitsproblem, sondern geradezu ein Glaubwürdigkeitsdesaster“, sagt der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier, der bekannteste und einer der besten Politik-Erklärer Österreichs. „Insbesondere für die ÖVP, aber auch für das Image der Politik generell.“