Eckart Conze, Professor für Geschichte, und Stephan Malinowski, Historiker und Autor, tauchen tief in die Rolle des Adels im Nationalsozialismus ein. Sie diskutieren, wie der Adel trotz der Abschaffung des Adelsstands 1919 politisch einflussreich blieb und Hitlers Aufstieg unterstützte. Auch die Blut-und-Boden-Ideologie sowie die ambivalente Haltung der Hohenzollern gegenüber dem NS-Regime kommen zur Sprache. Schließlich beleuchten sie die Nachwirkungen der aristokratischen Privilegien in der modernen Gesellschaft.
Trotz der formalen Abschaffung des Adels 1919 behielten viele Adelige ihren politischen Einfluss und kämpften gegen die Weimarer Demokratie.
Die Unterstützung des Adels für die nationalsozialistische Bewegung zeigt, wie historische Machtstrukturen in politischen Umbrüchen bestehen bleiben können.
Deep dives
Der Sturz des Kaisers Wilhelm II.
Wilhelm II. dankte 1918 ab, als das Kaiserreich inmitten von Arbeiter- und Soldatenaufständen zusammenbrach. Der Kaiser floh ins niederländische Exil, wo er mit der Realität der Revolution konfrontiert wurde. Die Abdankung war der endgültige Bruch mit der Monarchie, und die Weimarer Republik setzte eine neue demokratische Ordnung in Kraft. Obwohl der Adel zu diesem Zeitpunkt formal seine Macht verlor, blieben viele seiner privilegierten Positionen und Einflussmöglichkeiten erhalten.
Das Verhältnis von Adel und Demokratie
Die Revolutionskräfte der sozialdemokratischen und liberalen Bewegungen strebten danach, den Adel in den Demokratisierungsprozess einzubeziehen, statt ihn vollständig zu entmachten. Dies führte dazu, dass der Adel weiterhin eine bedeutende soziale und politische Rolle spielen konnte, die oft gegen die neue republikanische Ordnung gerichtet war. Der sanfte Umgang mit dem Adel in der Weimarer Republik begründete eine interessante Dynamik, in der viele Adelige nicht nur überlebt, sondern sich schließlich als Gegner der Demokratie positionierten. Politische Kompromisse halfen zwar, den Adel zu integrieren, schufen jedoch auch Spannungen, die sich in späteren politischen Konfrontationen zeigten.
Die Verbindung zwischen Adel und Nationalsozialismus
Der Adel fand sowohl Gemeinsamkeiten als auch Konflikte mit dem Nationalsozialismus, der eine ablehnende Haltung gegenüber der Demokratie pflegte. Einige Adelige unterstützten die NSDAP, was sich in öffentlichkeitswirksamen Aufrufen des ehemaligen Kronprinzen Wilhelm zeigte, der Hitler und die nationalsozialistische Bewegung willkommen hieß. Die NS-Propaganda inszenierte den Schulterschluss zwischen alter Ordnung und neuen Machthabern und nutzte adelige Traditionen zur Legitimation ihrer Herrschaft. Diese Verbindungen zeigen, wie historisch gewachsene Machtstrukturen auch in politischen Umbrüchen überdauern können.
Der Adel nach 1945 und seine heutige Rolle
Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Adel in Ostdeutschland stark betroffen durch Enteignungen, während er in Westdeutschland oft in gesellschaftliche Eliten integriert blieb. Der Unterschied in der Behandlung der Adelsfamilien führte zu unterschiedlichen Wahrnehmungen und Funktionen in der Gesellschaft der beiden deutschen Staaten. Die Diskussion über Rückerstattungen und Entschädigungen nach der Wiedervereinigung zeigt, dass der historische Adel auch nach der formalen Abschaffung weiterhin Einfluss ausübt. Obwohl der Adel heute keine politische Macht mehr hat, bleibt seine soziale Wahrnehmung in der Gesellschaft und der nostalgische Blick auf die vergangene Zeit präsent.
1919 wurde der Adelsstand in Deutschland abgeschafft. Trotzdem blieben Adelige politisch einflussreich: Viele bekämpften die Demokratie und verhalfen Hitler zur Macht. Über die Rolle des Adels im Nationalsozialismus wird bis heute gestritten.
Das erwartet Euch in dieser Folge:
(00:02) Abdankung des deutschen Kaisers Wilhelm II. (01:55) Der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann ruft 1918 die Republik aus (06:58) Glimpfliches Schicksal des deutschen Adels nach der Revolution (09:23) Artikel 109 der Weimarer Verfassung schafft den Adelsstand ab (12:37) Der Adel als universalgeschichtliches Phänomen (17:30) Zerstörung der Weimarer Demokratie – mithilfe des Adels (20:53) Der „Tag von Potsdam“ am 21. März 1933 (27:55) Blut und Boden-Ideologie (33:50) Widerstand gegen das NS-Regime im Adel (35:20) „Getrennte Zertrümmerung“ des Adels in DDR und Bundesrepublik (37:07) Debatten über Entschädigung und Rückerstattungen
Unsere Experten in dieser Folge:
Eckart Conze ist Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Marburg. Die Geschichte des Adels und der Eliten ist eines seiner Forschungsthemen.
Stephan Malinowski lehrt und forscht als Historiker an der Universität von Edinburgh in Schottland. Sein Fachgebiet ist der deutsche Adel im Nationalsozialismus. 2021 erschien von ihm: „Die Hohenzollern und die Nazis. Geschichte einer Kollaboration“ (Propyläen).
Die Macherinnen und Macher dieser Folge: Host: Jörg Biesler Autorin: Magdalena Pulz Regie und Produktion: Robert Hauspurg Redaktion: Monika Dittrich
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