Abtreibungsrecht in der Verfassung - ist Frankreich ein Vorbild für Deutschland?
Mar 8, 2024
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Christiane Kaess, Deutschlandradio-Korrespondentin in Frankreich und Expertin für die französische Politik, spricht über die neue Verankerung des Abtreibungsrechts in der französischen Verfassung. Sie erläutert die gesellschaftlichen Reaktionen und Herausforderungen für Frauen in Frankreich und vergleicht die gesetzliche Lage mit Deutschland und Polen. Zudem wird das Hilfsnetzwerk für polnische Frauen, die nach Deutschland reisen, thematisiert, sowie die emotionalen Aspekte und die Unterstützung durch Organisationen wie Tante Barbara.
Frankreich hat das Abtreibungsrecht in seiner Verfassung verankert, was als Zeichen für die Stärkung der Frauenrechte gilt.
Die NGO Tante Barbara unterstützt polnische Frauen beim Zugang zu Abtreibungen in Deutschland, aufgrund restriktiver Gesetze in Polen.
Deep dives
Verfassungsänderung zum Schutz des Abtreibungsrechts in Frankreich
Frankreich hat kürzlich eine Verfassungsänderung verabschiedet, die das Recht auf Abtreibung als garantierte Freiheit festschreibt. Dieser Schritt wird von einer überwältigenden Mehrheit im Parlament unterstützt, was eine bemerkenswerte gesellschaftliche Zustimmung signalisiert. Der französische Präsident Macron hatte bereits zuvor versprochen, dieses Recht in die Verfassung aufzunehmen, um ein klares Zeichen für Frauenrechte zu setzen. Diese Entscheidung wird international aufmerksam verfolgt und ist als Reaktion auf restriktivere Abtreibungsgesetze in anderen Ländern, wie den USA und Polen, zu verstehen.
Historische Entwicklung und gesellschaftlicher Konsens in Frankreich
Die Legalisierung von Abtreibungen in Frankreich hat eine lange Geschichte, die bis 1975 zurückreicht, als Frauen in der Vergangenheit oft in Gefahr waren, bei unsachgemäß durchgeführten Abtreibungen zu sterben. Wichtige gesellschaftliche Momente, wie ein Manifest von 300 Frauen, das öffentliche Bekenntnisse zu Abtreibungen enthielt, haben geholfen, das Bewusstsein für dieses Thema zu schärfen. Der gesellschaftliche Konsens über die Frage der Abtreibung ist mittlerweile so stark, dass selbst konservative Kräfte im Parlament die Verfassungsänderung unterstützen. Dies zeigt sich auch in der Zustimmung zu einer moderateren Formulierung, die die Freiheit zur Abtreibung statt deren Recht betont.
Herausforderungen und Unterschiede im Abtreibungsrecht in Europa
In Europa variiert das Abtreibungsrecht erheblich, wobei einige Länder wie Polen extrem restriktive Gesetze haben, die viele Frauen dazu zwingen, ins Ausland zu reisen, um einen Abbruch durchführen zu können. Die NGO Tante Barbara unterstützt Schwangere aus Polen, indem sie ihnen die Möglichkeit bietet, sowohl medizinisch als auch logistisch Hilfe zu erhalten. In Frankreich bleibt auch nach der Verfassungsänderung der Zugang zu Abtreibungen bis zur 14. Schwangerschaftswoche bestehen, wobei viele Frauen trotzdem Schwierigkeiten haben, weil zahlreiche Einrichtungen geschlossen wurden. Diese Unterschiede verdeutlichen die Notwendigkeit einer gesellschaftlichen und politischen Diskussion über das Abtreibungsrecht in Deutschland, wo Reformen im Sinne einer Liberalisierung angestrebt werden.
Ein Grundrecht auf Abtreibung? Das ist jetzt in der französischen Verfassung verankert. An Gegenbeispielen mangelt es nicht. Aktivistinnen der polnisch-deutschen NGO Ciocia Basia arbeiten daran, dass sich das ändert.
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Ihr hört in dieser "Eine Stunde Liebe":
00:00:00 - Begrüßung
00:01:20 - Der französische Justizminister zur Regelung in Frankreich
00:02:08 - Abtreibung als Grundrecht in Frankreich, Deutschlandradio-Korrespondentin Christiane Kaess
00:14:31 - Umfrage: Abtreibungsrecht ins Grundgesetz?
00:16:08 - NGO-Netzwerk hilft Polinnen beim Abbruch in Deutschland