

#9 Erkenntnistheoretischer Führerschein | Sind Abweichungen immer „Störungen“?
Fritz Simon, ein erfahrener Psychiater und Systemtheoretiker, spricht darüber, wie gesellschaftliche Erwartungen Abweichungen definieren. Er erklärt, dass Störungen oft soziale Zuschreibungen sind und dass die Bewertung von Verhalten stark vom Kontext abhängt. Simon plädiert für klare Definitionen von Krankheit und beleuchtet die Rolle von Beobachtung in der Psychiatrie. Außerdem diskutiert er, wie systemisches Denken und praktische Maßnahmen helfen können, anstatt auf Schockbehandlungen zurückzugreifen. Ein faszinierender Einblick in Psychiatrie und soziale Interaktionen!
42:02
Abweichung Entsteht Durch Erwartungskonflikt
- Abweichungen fallen erst auf, wenn sie Erwartungen verletzen.
- Bestätigte Erwartungen bleiben meist unbemerkt und werden selten hinterfragt.
Störung Als Soziale Zuschreibung
- "Gestört" ist primär eine soziale Zuschreibung, keine objektive Tatsache.
- Diese Zuschreibung ändert sich historisch und kulturell, wie das Beispiel Homosexualität zeigt.
Krankheit Nur Bei Körperlicher Objektivierbarkeit
- Nenne nur als Krankheit, was körperlich erklärbar und objektivierbar ist.
- Trenne möglichst klar körperliche Befunde von sozialen Bewertungen, empfiehlt Fritz Simon.
Get the Snipd Podcast app to discover more snips from this episode
Get the app 1 chevron_right 2 chevron_right 3 chevron_right 4 chevron_right 5 chevron_right 6 chevron_right 7 chevron_right 8 chevron_right 9 chevron_right 10 chevron_right 11 chevron_right 12 chevron_right 13 chevron_right 14 chevron_right 15 chevron_right 16 chevron_right 17 chevron_right 18 chevron_right 19 chevron_right 20 chevron_right 21 chevron_right 22 chevron_right
Intro
00:00 • 28sec
Abweichungen fallen auf, wenn Erwartungen verletzt werden
00:28 • 2min
Erklärung und Bewertung bestimmen, ob etwas als Störung gilt
02:12 • 1min
Hochbegabung und soziale Zuschreibung
03:18 • 40sec
Störung als soziale Definition
03:58 • 1min
Krankheit: körperlich erklärbar oder sozial verhandelt
05:00 • 5min
Beobachten und Objektivieren in der Psychiatrie
10:04 • 2min
Vom Machtträger zur systemischen Beobachtung
12:16 • 3min
Organisationale Spielregeln beeinflussen psychiatrisches Geschehen
15:25 • 2min
Praktische Maßnahmen statt Schockbehandlungen
17:17 • 2min
Kann man Psychosen verstehen? Jaspers' Unterscheidung
19:42 • 2min
Mit Systemarbeit Psychosen indirekt bearbeiten
22:07 • 2min
Erklärungen als Beruhigungsfunktion (Pacifier)
23:42 • 3min
Beschreiben von Interaktionsmustern statt innerpsychischem Verstehen
26:33 • 1min
Korrelationen, Regeln und pragmatische Erklärungen
27:40 • 48sec
Wann braucht man tiefere Erklärungen?
28:29 • 3min
Begrenztheit menschlicher Beobachtung und KI-Phänomene
31:02 • 2min
Desorganisation des Denkens als Forschungsobjekt
32:37 • 3min
Plus- und Minussymptome als nützliches Unterscheidungsraster
35:48 • 2min
Lösungsorientierung: Wie kommt man aus Problemen heraus?
38:14 • 2min
Strategische Nutzung von Hypothesen statt Wahrheitssuche
40:37 • 35sec
Outro
41:12 • 39sec

#
Lösungen. Zur Theorie und Praxis menschlichen Wandels.


Paul Watzlawick

Richard Fisch

John H. Weakland
In 'Lösungen' präsentiert Paul Watzlawick eine Sammlung von Essays, die sich mit der Natur menschlicher Probleme und den paradoxen Wegen zu ihrer Lösung auseinandersetzen.
Das Buch untersucht, wie Probleme oft durch Lösungsversuche aufrechterhalten werden und wie Veränderungen durch das Erkennen und Unterbrechen dieser Muster erreicht werden können.
Watzlawick betont die Bedeutung des systemischen Denkens und der Kommunikation bei der Bewältigung von Herausforderungen.
Er argumentiert, dass das Verständnis der Struktur eines Problems der Schlüssel zu seiner Lösung ist.
Durch Fallbeispiele und theoretische Überlegungen zeigt er, wie scheinbar unlösbare Situationen durch kreative und unkonventionelle Ansätze transformiert werden können.
#
Der Baum der Erkenntnis. Die biologischen Wurzeln des menschlichen Erkennens
Die biologischen Wurzeln des menschlichen Erkennens


Francisco Varela


Humberto R. Maturana
In 'Der Baum der Erkenntnis' präsentieren Humberto Maturana und Francisco Varela ihre Theorie der Autopoiesis, die besagt, dass lebende Systeme sich selbst erschaffen und erhalten.
Das Buch untersucht, wie Erkenntnis und Wahrnehmung untrennbar mit der Struktur und Organisation des erkennenden Systems verbunden sind.
Maturana und Varela argumentieren, dass die Welt, wie wir sie wahrnehmen, nicht unabhängig von uns existiert, sondern durch unsere biologische Struktur und unsere Interaktionen mit der Umwelt konstruiert wird.
Sie betonen die Bedeutung der Zirkularität und der Selbstorganisation in lebenden Systemen und bieten eine radikal neue Perspektive auf das Verständnis von Leben, Kognition und Erkenntnis.
#
Metalogues. Gespräche über Kommunikation, Macht und Erkenntnis
Gespräche über Kommunikation, Macht und Erkenntnis

Gregory Bateson
'Metalogues' ist eine Sammlung von fiktiven Dialogen zwischen Gregory Bateson und seiner Tochter Mary Catherine, in denen komplexe Themen wie Kommunikation, Macht, Lernen und Erkenntnis auf spielerische Weise erkundet werden.
Bateson verwendet die Form des Metalogs, eines Gesprächs über ein Gespräch, um die Mehrdeutigkeit und die Paradoxien der menschlichen Kommunikation zu veranschaulichen.
Die Dialoge regen zum Nachdenken über die Natur von Mustern, Beziehungen und Systemen an und fordern den Leser heraus, konventionelle Denkweisen zu hinterfragen.
'Metalogues' ist ein anregendes und inspirierendes Werk, das die Leser dazu ermutigt, die Welt mit neuen Augen zu sehen.
#
Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners. Gespräche für Skeptiker
Gespräche für Skeptiker


Heinz von Foerster
#6357
• Mentioned in 5 episodes
Formen
Zur Kopplung von Psyche, Organismus und sozialen Systemen


Fritz B. Simon

#
Allgemeine Psychopathologie
Ein Leitfaden für Studierende, Ärzte und Psychologen


Karl Jaspers
Published in 1913, 'Allgemeine Psychopathologie' is Karl Jaspers' seminal work aimed at bringing order to the chaos of abnormal psychic phenomena through systematic description, definition, and classification.
The book is a foundational text in psychiatry, emphasizing a phenomenological approach to understanding and assessing abnormal human subjectivity.
It remains influential in current psychiatric debates and continues to be a stimulus for further research and discussion in the field.
In Folge 9 widmen sich Fritz Simon und Andreas Kollar den Themen Abweichung, Erwartung und Störung, also wichtigen Fragen eines erkenntnistheoretischen Führerscheins. Vom Wetter über Hochbegabung bis zur Psychiatrie erkunden sie, wie Erklärungen, Bewertungen und soziale Kontexte bestimmen, was als „gestört“ oder „normal“ gilt, und warum Beobachten manchmal wichtiger ist als Verstehen.
Inhalte der Episode
• Wetter & Erwartung
Abweichungen werden erst auffällig, wenn sie Erwartungen verletzen. Wer das Wetter beobachtet, lernt über Beobachter.
• Störung als soziale Zuschreibung
„Gestört“ ist, wer andere stört
• Bewerten & Erklären
Ob Verhalten positiv oder negativ bewertet wird, hängt vom sozialen Kontext ab; dieselbe Abweichung kann Bewunderung oder Pathologisierung auslösen.
• Krankheit, Körper & Psyche
Was ist eine Krankheit? Fritz Simon plädiert für klare Begriffe: Krank ist, was körperlich erklärbar ist – alles andere ist sozial verhandelt.
• Psychiatrie & Systemtheorie
Wie Fritz über Watzlawick zum systemischen Denken fand: Von der „Machtrolle“ des Psychiaters zur Beobachtung von Interaktionsmustern.
• Verstehen vs. Erklären
Mit Karl Jaspers’ Unterscheidung: Psychosen sind dort, wo Verstehen endet
• Pacifier & Just-So-Stories
Maturana und Bateson über Erklärungen als Beruhigungsgeschichten: Warum sie nützlich, aber trügerisch sind.
• Erklärung oder Funktion?
Menschen brauchen keine Wahrheit, sondern Orientierung. Eine gute Erklärung beendet das Fragen – bis sie nicht mehr funktioniert.
• Plus- und Minusabweichungen
Psychiatrische Kategorien als Alltagsmetaphern: Wer „mehr“ oder „weniger“ tut, als erwartet wird, erzeugt Aufmerksamkeit.
• Lösungsorientierung
Nicht fragen, wie man hineingeraten ist, sondern wie man wieder herauskommt. Handeln statt Ursachenforschung.
Takeaways
• Störungen sind Bewertungen, keine Tatsachen.
• Erklärungen beenden Fragen, bis sie nicht mehr funktionieren.
• Verstehen hat Grenzen, Beobachten nicht.
• Systemisches Denken heißt: den Kontext mitdenken.
• Die Definition von Normalität ist ein soziales Projekt.
Markante Zitate
• „Nicht jeder, der sich schlecht benimmt, ist hochbegabt.“
• „Psychosen sind dort, wo Verstehen endet.“
• „Man braucht Erklärungen nur, wenn etwas nicht funktioniert.“
• „Gestört ist, wer andere stört.“
• „Nicht jeder Konflikt ist eine Störung. Oft ist das Vermeiden der Störung die eigentliche Störung.“
• „Erklärungen sind wie Schnuller. Sie beruhigen, aber sie nähren nicht.“
• „Ich habe Watzlawick gelesen. Und plötzlich hatte ich ein Modell für das, was in der Psychiatrie wirklich passiert.“
• „Normalität ist kein Zustand, sondern ein Aushandlungsprozess.“
Literatur / Erwähnte Bezugspunkte
Simon, Fritz B. (2025): Formen. Zur Kopplung von Psyche, Organismus und sozialen Systemen. Heidelberg: Carl-Auer Verlag.
Watzlawick, Paul (1974): Lösungen. Zur Theorie und Praxis menschlichen Wandels. Bern: Huber.
Jaspers, Karl (1913/1946): Allgemeine Psychopathologie. Ein Leitfaden für Studierende, Ärzte und Psychologen. Berlin: Springer.
Maturana, Humberto R. & Varela, Francisco J. (1987): Der Baum der Erkenntnis. Die biologischen Wurzeln des menschlichen Erkennens. Bern: Scherz Verlag.
Bateson, Gregory (1983): Metalogues. Gespräche über Kommunikation, Macht und Erkenntnis. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
von Foerster, Heinz (1993): Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners. Gespräche für Skeptiker. Heidelberg: Carl-Auer Verlag.