Aladin El-Mafaalani ist ein deutscher Soziologe, der sich intensiv mit Rassismus, Diskriminierung und sozialer Ungerechtigkeit auseinandersetzt. In einem spannenden Gespräch beleuchtet er die historischen Wurzeln des Rassismus und dessen Funktionen in der Gesellschaft. Er diskutiert, wie Bildungssysteme Vorurteile perpetuieren und welche Herausforderungen Lehrkräfte im Umgang mit Rassismus haben. Zudem thematisiert er Veränderungen in der Wahrnehmung von Migranten und die komplexen Auswirkungen von Diskriminierung auf Kinder und Jugendliche.
Rassismus erfüllt in verschiedenen gesellschaftlichen Kontexten spezifische Funktionen und kann als Instrument zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts gesehen werden.
Die historische Entstehung rassistischer Ideologien zeigt, dass diese häufig aus nationalen Identitätsbedürfnissen und nicht aus biologischen Überlegungen resultieren.
Vorurteile über Rassismus sind oft tief verwurzelt und werden durch gesellschaftliche Diskurse genährt, was eine kritische Auseinandersetzung notwendig macht.
Deep dives
Der Nutzen von Rassismus
Rassismus wird als ein komplexes Phänomen betrachtet, das in unterschiedlichen gesellschaftlichen Kontexten eine spezifische Funktion erfüllt. Der Autor betont, dass Rassismus nicht nur als ein negatives Konstrukt, sondern auch als ein Mittel zur Förderung von gesellschaftlichem Zusammenhalt interpretiert werden kann. Dies ist besonders in historisch rassistischen Gesellschaften relevant, wo die Definition von In- und Out-Groups stark vom Rassismus geprägt ist. Diese Perspektive eröffnet neue Einsichten in die Manipulation gesellschaftlicher Identitäten durch rassistische Ideologien.
Die Entstehung rassistischer Ideologien
Die Entstehung rassistischer Ideologien wird umfassend durch die historische Entwicklung in Ländern wie Spanien nach der Reconquista betrachtet. Hierbei wurde Rassismus als ein Instrument zur Nationenbildung instrumentalisiert, um Zugehörigkeit zu definieren und Machtverhältnisse zu legitimieren. Der Autor argumentiert, dass rassistische Narrative, die zur Ausbeutung von Menschen führten, oft eher aus Bedarfen der nationalen Identität entstanden sind als aus biologischen Überlegungen. Diese Ideologien schöpfen ihre Macht aus ihrer tiefen Verwurzelung in der Gesellschaft und der Geschichte.
Kulturelle vs. biologische Rassismus
Ein zentraler Punkt in der Diskussion ist die Unterscheidung zwischen kulturellem und biologischem Rassismus, die jedoch nicht so klar ist, wie oft angenommen wird. Der Autor stellt fest, dass beide Formen des Rassismus in vielen Fällen miteinander verwoben sind und ähnliche funktionale Ergebnisse hervorrufen. Die Definition des 'Anderen' und die Kategorisierung von Menschen basieren sowohl auf phänotypischen Merkmalen als auch auf kulturellen Identitäten. Diese Verknüpfung verstärkt die Abwertung und Ausgrenzung von Menschen, da sie oft nicht in der gleichen Weise als Individuen wahrgenommen werden.
Die Macht der Vorurteile
Die Diskussion über Rassismus wird erheblich durch die Existenz von Vorurteilen geformt, die in den Köpfen der Menschen verankert sind. Der Autor erläutert, dass viele der Vorurteile in der Gesellschaft nicht aus individueller Erfahrung stammen, sondern durch historische Diskurse und gesellschaftliche Systematiken genährt werden. Die Vorurteile wirken nicht nur in der Gesellschaft, sondern sie führen auch zu einer Selbstbestätigung, da soziale Realitäten oft den rassistischen Vorurteilen entsprechen und diese somit legitimieren. Dies schafft eine gefährliche Schleife, die eine tiefere Auseinandersetzung mit der Materie erforderlich macht.
Populismus und Diskriminierung
Die Verbindung zwischen Populismus und der gesellschaftlichen Diskriminierung wird als bedeutendes Problem identifiziert, das sowohl wirtschaftliche als auch soziale Dimensionen hat. Der Autor beschreibt, dass sowohl benachteiligte Gruppen als auch privilegierte Menschen, die sich von der Diskussion über Rassismus überfordert fühlen, häufig zu populistischen Ideologien greifen. Diese Dynamik führt dazu, dass Menschen, die sich mit den komplexen Diskursen über Rassismus konfrontiert sehen, oft frustriert und defensiv reagieren. Um diese Probleme zu bewältigen, ist eine offene und ausgedehnte Debatte notwendig, die sich mit den verschiedenen Facetten von Rassismus und Diskriminierung auseinandersetzt.
Der deutsche Soziologe Aladin El-Mafaalani erklärt, woher Rassismus historisch kommt, wem er dient und was antirassistischer Widerstand bedenken sollte. Das Buch "Das Integrationsparadox" war vor Jahren ein Bestseller. Sein neues Buch stellt der Autor in einem Gespräch mit Robert Misik vor. Eine Veranstaltung der Buch Wien und des Bruno Kreisky Forums vom 12.11.2021
An- und Abmoderation spricht Raimund Löw.
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