Haben die Grünen ihre Chance vertan? Mit Ricarda Lang (Grüne)
Oct 26, 2024
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Ricarda Lang, ehemalige Bundesvorsitzende der Grünen, spricht über die Herausforderungen, mit denen ihre Partei konfrontiert ist. Sie reflektiert ihren Rücktritt und die Verantwortung, die damit verbunden ist. Interessant sind die Themen der politischen Kommunikation und die Wichtigkeit von Authentizität, besonders in Krisenzeiten. Lang beleuchtet auch, wie die Grünen den Klimaschutz vorantreiben und gleichzeitig das Vertrauen der Wähler zurückgewinnen könnten. Ihre Einsichten über Selbstzweifel und die Notwendigkeit neuer Ansätze bieten spannende Perspektiven auf die Zukunft der Grünen.
Ricarda Lang sieht ihren Rücktritt als notwendige Konsequenz aus der Verantwortung und den Herausforderungen, die mit ihrer Rolle verbunden sind.
Die Grünen stehen vor der Dringlichkeit, neue Strategien zu entwickeln, um das Vertrauen der Wähler zurückzugewinnen und ihre politische Relevanz zu sichern.
Lang betont die Bedeutung einer ehrlichen und authentischen Kommunikation zwischen politischen Akteuren und Bürgern, um das Vertrauen in die Demokratie zu stärken.
Deep dives
Rücktritt und Reflexion
Die Entscheidung, als Vorsitzende der Grünen zurückzutreten, wurde von Ricarda Lang als richtig empfunden. Trotz mühsamer Momente, wie dem anfänglichen Treffen mit den Mitarbeitern, was emotional belastend war, fühlte sie sich letztlich befreit. Lang erlebte eine Zeit der Reflexion, in der sie über die Macht und Verantwortung nachdachte, die mit ihrem Amt verbunden waren. Dabei erkannte sie, dass die Auswirkungen ihres Rücktritts erst nach dem Parteitag vollständig spürbar sein würden.
Macht und Gestaltungsmöglichkeiten
Lang diskutierte das Konzept von Macht, das für sie nicht als Selbstzweck verstanden werden sollte, sondern als Möglichkeit zur Gestaltung. Macht bedeutet für sie, Einfluss zu nehmen und Veränderungen in der Gesellschaft herbeizuführen, anstatt einfach in einer Position zu verweilen. Sie reflektierte darüber, wie die Grünen diese Gestaltungsmöglichkeiten in ihrer politischen Arbeit genutzt haben und ob sie den Wählern gerecht wurden. Dabei stellte sie fest, dass die Wahrnehmung von Ohnmacht in der politischen Landschaft geschürt wird und dass es wichtig ist, aktiv dagegen zu arbeiten.
Wahlergebnisse und Krisensymptome
Die Landtagswahl in Brandenburg fungierte als Wendepunkt für die Grünen, die einen dramatischen Rückgang der Wählerstimmen erlebten und aus dem Parlament ausschieden. Lang benannte mehrere Momente, die zu ihrem Rücktritt führten, und erkannte eine tiefere Krise im demokratischen Parteiensystem. Sie äußerte, dass die politischen Parteien nicht in der Lage sind, eine langfristige Strategie gegen aufkommende populistische Bewegungen zu entwickeln. Dies führte zu einem Vertrauensverlust bei den Wählern, was die Dringlichkeit ihrer Entscheidung verstärkte.
Kommunikationsprobleme
Lang reflektierte über die Art und Weise, wie sie während der Wahlabende und nach einer Niederlage kommunizierte. Sie erkannte, dass sie oft in die Rolle eines Sprechroboters fiel und authentische, ehrliche Antworten vermied, um niemanden zu verärgern. Diese Einschätzung führte sie zu der Überlegung, dass ein Mangel an ehrlicher Kommunikation zwischen Politikern und Bürgern erhebliche Folgen für das Vertrauen der Wähler hat. Lang stellte in Frage, ob eine simplifizierte, gefällige Sprache noch der Realität der Menschen in ihrem Land entspricht.
Mangelnde Deutungshoheit
Lang beleuchtete die Schwierigkeiten, die Grünen als politische Kraft in der öffentlichen Wahrnehmung zu positionieren. Sie bemerkte, dass die Partei zu oft von externen Kräften definiert wurde, was zu einer Wahrnehmung von Ohnmacht führte. Die Reaktion auf zunehmend populistische Angriffe erforderte eine eigene, mutige Stimme, um die narrative Kontrolle nicht zu verlieren. Neben der Notwendigkeit, wertschätzende politische Programme zu entwickeln, sah Lang auch eine Verantwortung der Grünen darin, die Bestandteile eines angemessenen, gesellschaftspolitischen Diskurses zu repräsentieren.
Zukunft der Grünen
Lang äußerte, dass die Grünen in Zukunft notwendigerweise neue Strategien entwickeln müssen, um ihre Wählerschaft zurückzugewinnen und sich als verlässliche politische Kraft zu positionieren. Sie beschrieb die zentrale Rolle der sozialen Gerechtigkeit in den nächsten Wahlkämpfen und betonte die Wichtigkeit, diese Frage zu adressieren. Lang machte klar, dass die Einsicht, dass die Partei an einem Wendepunkt steht, zentral für die künftige Ausrichtung ist. Der zurückgewonnene Zugang zu Wählerstimmen hängt davon ab, wie gut die Grünen das Vertrauen der Bürger zurückgewinnen können.
Die Grünen galten nach der letzten Bundestagswahl als Hoffnungsträger. Ihr erklärtes Ziel: Deutschland klimafreundlicher machen. Doch nach fast drei Jahren in der Ampel-Regierung haben sie erheblich an Unterstützung eingebüßt. Bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg sowie bei der Europawahl fuhren die Grünen enttäuschende Ergebnisse ein. Haben die Grünen in der Bundesregierung ihre Chance auf Mitgestaltung und Klimaschutz vertan?
In der politischen Debatte seien die Grünen zu einem “bequemen Sündenbock” geworden, so formuliert es Ricarda Lang. Lang ist Bundesvorsitzende der Grünen, hat aber im September ihren Rücktritt angekündigt und mit ihr diskutiert Anne Will in dieser Folge. Lang erzählt sie von den Schlüsselmomenten, die sie zum Rücktritt bewegt haben, und spricht auch über ihre eigenen Versäumnisse. Sie habe zu viel Zeit damit verbracht, sich gegen Vorurteile zu wehren und sei schließlich vielleicht zu wenig authentisch gewesen. Ob die Grünen dennoch etwas bewirken konnten und was die Partei laut Ricarda Lang in Zukunft besser machen kann, erfahrt ihr in dieser Folge.
Das Interview wurde am Dienstag, 22. Oktober 2024, um 10:30 Uhr aufgezeichnet.
IMPRESSUM:
Redaktion: Gina Enslin, Marie Steffens
Executive Producerin: Marie Schiller
Producer: Lukas Hambach, Patrick Zahn
Sounddesign: Hannes Husten
Vermarktung: Mit Vergnügen GmbH
Eine Produktion der Will Media GmbH
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