DR. HENNING BECK über künstliche Intelligenz vs. Mensch und wie man richtig lernt.
Jun 28, 2021
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Henning Beck, Neurowissenschaftler, Biochemiker und Autor, teilt spannende Einsichten über das Lernen und die Rolle der Intelligenz. Er betont den Unterschied zwischen Lern- und Verständnisprozessen sowie die Vorteile von gedruckten Büchern im Lernprozess. Henning spricht über die Bedeutung von Kreativität, die Akzeptanz von Imperfektion und wie negative Glaubenssätze das Lernen beeinflussen können. Zudem beleuchtet er die Herausforderungen und Chancen der Automatisierung sowie die Notwendigkeit eines offenen Austauschs in einer polarisierten Gesellschaft.
Lernen ist ein Anpassungsprozess, der über das bloße Auswendiglernen hinausgeht und neuronale Verknüpfungen verändert.
Kreativität und Intelligenz sind unterschiedliche Konzepte, wobei Kreativität schwerer messbar ist und Raum für persönliches Experimentieren erfordert.
Fragen spielen eine zentrale Rolle im Lernprozess und fördern ein tieferes Verständnis sowie kreatives Denken.
Die Digitalisierung beeinflusst soziale Interaktionen und das Lernen, was einen gesunden Abstand zu digitalen Medien erfordert.
Algorithmen und soziale Medien können die Wahrnehmung der Welt und die gesellschaftliche Teilhabe negativ beeinflussen, indem sie Echokammern schaffen.
Deep dives
Die Funktionsweise des Gehirns und Lernen
Das Gehirn ist ein komplexes Organ, dessen Funktionsweisen und Lernprozesse eingehend untersucht werden. Lernen besteht nicht nur aus dem einfachen Speichern von Informationen, sondern ist ein Anpassungsprozess, bei dem sich neuronale Verknüpfungen verändern, um effizienter auf Informationen reagieren zu können. Wichtig ist dabei das Verstehen, das über das bloße Auswendiglernen hinausgeht und es ermöglicht, Wissen in verschiedenen Kontexten anzuwenden. Ein Beispiel hierfür ist das Verständnis eines Begriffs wie 'Selfie', der durch verschiedene Anschauungen schnell verinnerlicht und auf unterschiedliche kontextuelle Situationen ausgedehnt werden kann.
Die Rolle von Informationen im digitalen Zeitalter
Die explosionsartige Zunahme an Informationen durch digitale Medien erfordert eine kritische Auseinandersetzung mit der Qualität und Vertraulichkeit dieser Informationen. Es gibt eine schmale Grenze zwischen hilfreichen Informationen und Desinformationen, die falsche Meinungen verstärken kann. Besonders gefährlich ist Halbwissen, welches zu falschen Überzeugungen führt und in unserer heutigen Informationsgesellschaft weit verbreitet ist. Dadurch entstehen oftmals Meinungen oder Botschaften, die auf inkorrekten oder unvollständigen Informationsgrundlagen basieren.
Die Gefahren von Komplexität und Überinformation
In einer Zeit, in der Menschen ständig von Informationen umgeben sind, können sie Schwierigkeiten haben, zwischen relevanten und irrelevanten Informationen zu unterscheiden. Dies kann zu Überlastung und Stress führen, während die digitale Welt uns gleichzeitig das Gefühl gibt, immer präsent und erreichbar sein zu müssen. Die Herausforderungen, diese Informationsflut effektiv zu bewältigen, führen oft zu einer oberflächlichen Verarbeitung von Inhalten und hindern kreative Denkprozesse. Daher ist es entscheidend, Räume für Reflexion und Verdauung von Informationen zu schaffen, um das Verständnis und die Kreativität zu fördern.
Kreativität versus Intelligenz
Kreativität und Intelligenz sind zwei unterschiedliche, wenn auch miteinander verbundene Facetten des Denkens. Während Intelligenz häufig in IQ-Tests gemessen wird und eine Neigung zur Problemlösung abbildet, ist Kreativität weniger greifbar und lässt sich nicht so leicht quantifizieren. Interessanterweise zeigen Studien, dass in den letzten Jahrzehnten der IQ gestiegen ist, während die Fähigkeit, kreativ zu denken, abgenommen hat. Umso wichtiger ist es, einen Raum zu schaffen, in dem persönliches Experimentieren und das Ausprobieren neuer Ideen gefördert werden, um kreatives Denken zu stärken.
Die Wechselwirkungen zwischen Gene und Umwelt
Der Einfluss von genetischen Faktoren und Umwelt auf das Lernen und die Entwicklung von Fähigkeiten ist signifikant. In der Schule spielt der Lehrer eine entscheidende Rolle dabei, wie die Schüler ihre Neugier und Lernfreude entwickeln. Gute Lehrer fördern Fragen, was zu einem tieferen Verständnis von Lerninhalten führt. In entwickelten Ländern ist der Zusammenhang zwischen Genetik und Umwelt besonders wichtig, da eine gesunde Ernährung und das richtige Lernumfeld die intellektuelle Kapazität positiv beeinflussen können.
Die Bedeutung von Fragen im Lernprozess
Fragen spielen eine zentrale Rolle im Lernprozess und im kreativen Denken. Gute Fragen führen zu tieferem Verständnis und ermutigen dazu, über die eigenen Grenzen hinaus zu denken. In der Bildung sollte die Förderung der Fragestellung weiterhin im Vordergrund stehen, da sie eine Grundlage für exploratives Lernen schafft. Indem man eine Frage stellt, erforscht man neue Ideen und Ansätze, was für die individuelle und gesellschaftliche Entwicklung unerlässlich ist.
Challenges in der digitalen Interaktion
Die zunehmende Digitalisierung verändert unsere sozialen Interaktionen und das Lernen. Menschen neigen dazu, in ihrem Denken und Handeln bequemer zu werden, während sie zugleich den Umgang mit neuen Technologien lernen müssen. Die Herausforderung besteht darin, einen gesunden Abstand zu digitalen Medien zu finden, um nicht die Menschlichkeit und den zwischenmenschlichen Kontakt zu verlieren. Gerade die Face-to-Face-Interaktion bleibt unerlässlich, um Verbindungen zu vertiefen und kreatives Denken zu ermöglichen.
Zukunft der Arbeit: Ausbildung und ethische Dilemmata
Die Zukunft der Arbeit steht vor gravierenden Veränderungen durch Automatisierung und Künstliche Intelligenz. Viele einfache Jobs werden von Maschinen übernommen, was eine Neubewertung der fortgebildeten Arbeitnehmer erfordert. Berufsfelder werden komplexer und erfordern weiterhin menschliche Fähigkeiten, wie Empathie und kreative Problemlösung. Dies kann zu ethischen Dilemmata führen, insbesondere hinsichtlich der Verantwortlichkeit von Unternehmen, inwiefern sie auf moderne Ausbildung setzen, um Arbeitnehmer für die Herausforderungen der Zukunft zu rüsten.
Der Einfluss von Algorithmen auf unsere Wahrnehmung
Algorithmen haben einen bedeutenden Einfluss darauf, welche Informationen wir konsumieren und wie wir die Welt wahrnehmen. Sie garantieren, dass wir Inhalte sehen, die auf unseren bisherigen Präferenzen basieren, was unser Denken und unsere Entscheidungen beeinflussen kann. Die Kombination von sozialen Medien und Algorithmen kann die Bildung von Echokammern verstärken, wo nur bereits bestätigte Ansichten zugelassen werden. Dies kann langfristig gefährlich sein, da es die gesellschaftliche Teilhabe und den Austausch von Ideen einschränken kann.
Mein heutiger Gast ist Henning Beck. Er ist Neurowissenschaftler, Biochemiker und Autor. In seinen Büchern behandelt er Themen rund um die verschiedenen Funktionen des Gehirns, wie es funktioniert und vor allem wie man am effektivsten lernt. Wie gravierend der Unterschied zwischen dem Lernprozess und dem Verständnissprozess liegt, macht Henning sehr deutlich. Ich rede mit ihm über die Auswirkungen dieses Unterschieds in Verbindung mit unserem Schulsystem, welche Rolle Intelligenz beim Lernen spielt und was Intelligenz in der Biologie bedeutet. Er gibt uns außerdem Tipps, wie man die eigene Kreativität steigern kann, dass das Lernen mit Büchern erfolgreicher ist, als zum Beispiel mit E-Books und wie wichtig es ist, auch Ineffizienz mal zuzulassen.