Russlands Frühjahrsoffensive (Tag 1154 mit Markus Reisner)
Apr 22, 2025
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Markus Reisner, Militärhistoriker und Oberst des österreichischen Bundesheeres, beleuchtet die anhaltende militärische Auseinandersetzung in der Ukraine. Trotz einer angekündigten Waffenruhe zeigen die Konfliktparteien wenig Bereitschaft zur Einhaltung. Reisner argumentiert, dass Russland die Initiative zurückgewinnt, auch wenn die Offensive nur langsam vorankommt. Zudem wird ein möglicher Vermittlungsvorschlag der USA thematisiert, der eine problematische Anerkennung der Krim-Annexion durch Russland miteinbezieht. Die Sicherheitslage und der Skandal um militärische Geheimnisse werden ebenfalls diskutiert.
Putins angekündigte Waffenruhe während Ostern hat sich als strategische Finte herausgestellt, wodurch die Glaubwürdigkeit Russlands stark leidet.
Russland hat seine militärische Initiative wiedererlangt und stellt eine erhebliche Bedrohung für die ukrainischen Streitkräfte dar.
Die unklare Unterstützung der USA für die Ukraine könnte deren Verteidigungsstrategie ernsthaft beeinträchtigen und neue geopolitische Herausforderungen schaffen.
Deep dives
Militärische Herausforderungen der Ukraine
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die Situation für ukrainische Truppen zunehmend erschwert. Trotz des anhaltenden Konflikts und der hohen Verluste hat Russland die Kontrolle über strategisch wichtige Gebiete in der Ukraine nicht verloren und erlangt weiter militärische Initiative. Die Ukraine steht unter starkem Druck, da ihre Verbündeten, insbesondere die USA, ihre Unterstützung zu überdenken beginnen. Dies führt zur kritischen Frage, wie lange die Ukraine diesen Krieg ohne ausreichende externe Unterstützung aufrechterhalten kann.
Putins Strategie der Waffenruhe
Putin hat kürzlich eine 30-stündige Feuerpause angeboten, die jedoch schnell als strategische Finte entlarvt wurde. Während der erklärten Ruhezeiten hat es weiterhin Angriffe auf ukrainische Positionen gegeben, was die Glaubwürdigkeit Russlands in den Friedensverhandlungen stark untergräbt. Diese Taktik zielt darauf ab, den Eindruck von Friedenswillen zu erwecken, während gleichzeitig der Druck auf die ukrainischen Streitkräfte aufrechterhalten wird. Für die Ukraine wird es zunehmend schwieriger, eine klare diplomatische Linie zu verfolgen, während sich Russland weiterhin aggressiv verhält.
Stressing Ukraine Needs Enhanced Support
Die ukrainischen Streitkräfte benötigen dringend mehr Unterstützung in Form von hochmodernen Waffensystemen, um ihre Verteidigungspositionen zu stärken. Der Zugang zu fortschrittlicher Luftverteidigung und weiteren militärischen Ressourcen ist entscheidend, um die anhaltenden russischen Angriffe abzuwehren und die eigene militärische Industrie am Laufen zu halten. Diese Abhängigkeit von westlicher Unterstützung bleibt eine zentrale Herausforderung, insbesondere angesichts der Unsicherheiten in der US-amerikanischen Außenpolitik. Solange die Ukraine nicht über die nötige Schlagkraft verfügt, um die Initiative zurückzugewinnen, wird die Situation zum Nachteil der Ukraine weiter eskalieren.
Langfristige Militärplanung und Verlust von Verbündeten
Die sich verändernde geopolitische Landschaft und die unklare Unterstützung durch die USA haben die Ukraine in eine prekäre Lage gebracht. Die Möglichkeit, dass die USA ihre Hilfe einstellen oder reduzieren, verstärkt die Unsicherheit in der Ukraine und untergräbt deren Verteidigungsstrategie. Dies könnte zu einem weiteren Verlust potenzieller Verbündeter führen und die Ukraine in ihrer Fähigkeit einschränken, effektiv gegen russische Aggressionen vorzugehen. Die Verhandlungen müssen auf einer stabilen Grundlage beruhen, die auf gemeinsamen Zielen der Unterstützer basiert.
Russland hat seine militärische Produktion erheblich gesteigert und ist in der Lage, mehrere Millionen Artilleriegranaten und Panzer jährlich zu produzieren. Diese Fähigkeit, die militärische Kapazität in einem fortdauernden Konflikt schnell zu erhöhen, stellt eine ernsthafte Herausforderung für die Ukraine und ihre Verbündeten dar. In Anbetracht der Tatsache, dass Europa in dieser Hinsicht noch hinterherhinkt, besteht die Gefahr, dass Russland die Oberhand gewinnt. Die Situation erfordert schnelles Handeln und eine strategische Neubewertung der Verteidigungsanstrengungen Europas, um den eigenen militärischen Anforderungen gerecht zu werden.
Die von Wladimir Putin angekündigte 30-stündige Waffenruhe über Ostern hat nicht gehalten. Beide Kriegsparteien beschuldigen sich gegenseitig, dagegen verstoßen zu haben. „Putin habe versucht, eine Finte zu legen, indem er scheinbar die Hand gereicht hat“, vermutet Markus Reisner im Podcast „Streitkräfte und Strategien“. Host Kai Küstner befragt den Militärhistoriker und Oberst des Österreichischen Bundesheeres auch zur Entwicklung an der Front, wo Russland nach Einschätzung des Experten wieder die Initiative übernimmt, obwohl Putins Truppen nur im „Schneckentempo“ vorankämen. Die russische Armee sei auch im vierten Kriegsjahr nicht zusammengebrochen. „Es geht nicht darum, wie lange Russland diesen Krieg führen kann, sondern die Frage ist: Wie lange kann die Ukraine durchhalten?“, so Reisner.
Co-Host Stefan Niemann berichtet über erste Anzeichen für direkte Gespräche zwischen der Ukraine und Russland und einen Vermittlungsvorschlag der USA. Offenbar erwägt die Trump-Regierung, die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland anzuerkennen und der Ukraine die Aufnahme in die NATO zu verweigern. Weitere Themen: der US-Militäreinsatz gegen die vom Iran unterstützte Huthi-Miliz im Jemen und der neue Skandal um die Weitergabe von Militärgeheimnissen in einem zweiten, privaten Signal-Chat durch Verteidigungsminister Pete Hegseth.
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