Im Fokus stehen die unterschiedlichen Emanzipationswege der Frauen in Ost- und Westdeutschland. Während Frauen in der DDR gleichberechtigt arbeiteten, blieben sie oft für die Care-Arbeit verantwortlich. Es wird diskutiert, wie soziale und wirtschaftliche Notlagen die Gleichstellung beeinflussten. Zudem werden staatliche Ideale der Geschlechtergleichheit kritisch hinterfragt, und die ambivalente Entwicklung der Sexualmoral in den 1980er Jahren wird beleuchtet. Die komplexen Beziehungen zwischen Sexualität und Wirtschaft bieten eine spannende Perspektive.
Die DDR ermöglichte durch wirtschaftliche Not eine raschere Emanzipation der Frauen, während patriarchale Strukturen weiterhin bestehen blieben.
Soziale Absicherung und öffentliche Betreuungseinrichtungen förderten die Erwerbsintegration von Frauen im Sozialismus, was jedoch nicht ihre individuelle Selbstverwirklichung unterstützte.
Deep dives
Frauenemanzipation im Sozialismus
Die Analyse zeigt, dass Frauen im Sozialismus, insbesondere in der DDR, oft wirkungsvollere Rechte und mehr soziale Integration erfuhren als in kapitalistischen Gesellschaften. Ein wichtiges Beispiel sind die Erwerbsquoten: In der DDR stieg die Erwerbsquote der Frauen von 49 Prozent im Jahr 1950 auf über 90 Prozent bis 1981, was auf die Notwendigkeit des Wirtschaftssystems zurückzuführen war. Trotzdem blieben männliche Privilegien und traditionelle Geschlechterrollen stark verwurzelt, was eine doppelte Belastung für die Frauen darstellte, die sowohl im Berufsleben als auch zu Hause für die Care-Arbeit verantwortlich waren. Die Politik zielte mehr darauf ab, Frauen als Arbeitskräfte im Kollektiv zu integrieren, anstatt ihre individuelle Selbstverwirklichung zu fördern.
Kapitale Rolle der sozialen Absicherung
Ein zentrales Thema ist die Art und Weise, wie soziale Absicherung und öffentliche Einrichtungen der Frauenarbeit im Sozialismus zugutekamen. Im Gegensatz zu kapitalistischen Systemen, wo Frauen oft durch gesellschaftliche Erwartungen und fehlende Kinderbetreuung benachteiligt werden, wurden in der DDR frühzeitig Betreuungsangebote wie Kinderkrippen und Kindergärten eröffnet. Diese Maßnahmen dienten nicht nur der ökonomischen Notwendigkeit, sondern auch der Ideologie des Staatssozialismus, welcher Familien und Frauen gleichzeitig Unterstützung bot und die Abhängigkeit vom Mann reduziert wurde. In Westdeutschland bleibt der Zugang zur Kinderbetreuung bis heute eine Herausforderung, die Frauen oft in traditionellen Rollen hält.
Sexuelle Gleichheit und gesellschaftliche Moral
Die Untersuchung zeigt, dass der Sozialismus in vielen Aspekten zu einer weniger rigiden Sexualmoral führte, was Frauen zugutekam. Während junge Menschen im Osten als tendenziell erfüllter in ihrer Sexualität wahrgenommen wurden, war dies im Westen oft mit ökonomischen Abhängigkeiten verknüpft. In Bezug auf Staatsunterstützung und gesetzliche Regelungen für Abtreibungen hatte die DDR eine zeitweilig liberale Gesetzgebung, die jedoch stark von der politischen Sinnhaftigkeit abhing. Diese wachsenden Freiräume mussten im Vergleich zu den weiterhin bestehenden patriarchalen Strukturen betrachtet werden, die eine vollständige Gleichstellung der Geschlechter verhinderten.
Kritik an der Gleichstellung im Realsozialismus
Trotz der Fortschritte in der Gleichstellung zeigen sich im Realsozialismus signifikante Ambivalenzen. Während formal Gleichheit hervorgehoben wurde, blieben Frauen in vielen hochrangigen politischen und wirtschaftlichen Positionen unterrepräsentiert. Die zugrunde liegenden patriarchalen Strukturen konnten auch durch staatssozialistische Ideale nicht vollständig überwunden werden, was nach dem Zusammenbruch des Sozialismus zu einer Wiederherstellung traditioneller Geschlechterrollen führte. Das soziale System des Sozialismus stärkte zwar die gesellschaftliche Rolle der Frauen, gleichzeitig blieb die Frage ihrer individuellen Freiheit und Selbstverwirklichung zunehmend unzureichend behandelt.
Wohlstand für Alle
Das geteilte Deutschland brachte eine Ungleichzeitigkeit auch bei der Emanzipation der Frau mit sich: Während in der BRD in den 1950er-Jahren das Alleinernährer-Modell verfochten wurde und damit die Frau in die häusliche Sphäre gedrängt wurde und der Mann draußen das Geld verdiente, vollzog sich in der DDR schon aufgrund von wirtschaftlicher Not die Emanzipation wesentlich rascher.
Jede Hand wurde für den Aufbau einer einigermaßen funktionierenden Volkswirtschaft gebracht. Ein konservatives Modell hätte die DDR noch weiter zurückgeworfen. Frauen in Ost-Deutschland nahmen am Erwerbsleben folglich oft gleichberechtigt zu den Männern teil, jedoch gab es auch weiterhin patriarchale Strukturen, was sich vor allem daran zeigte, dass die Care-Arbeit trotz voller Berufstätigkeit an den Frauen hängen blieb. Allerdings gab es trotz der repressiven Struktur des Staates in Sachen Frauenrechte früh erstaunliche Liberalisierungen.
Darüber sprechen Ole Nymoen und Wolfgang M. Schmitt in der neuen Folge von „Wohlstand für Alle“!
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Literatur:
Natalja Baranskaja: Woche um Woche. Frauen in der Sowjetunion, Luchterhand.
Jessica Bock: Der Schwangerschaftsabbruch in der DDR. Eine kritische Auseinandersetzung mit den Fakten”, online verfügbar unter: https://www.bpb.de/themen/deutschlandarchiv/542838/der-schwangerschaftsabbruch-in-der-ddr/.
Sabine Böttcher/Ronald Gebauer: “Kitas und Kindererziehung in Ost und West”, online verfügbar unter: https://www.bpb.de/themen/deutsche-einheit/lange-wege-der-deutschen-einheit/47313/kitas-und-kindererziehung-in-ost-und-west/.
Kristen R. Ghodsee: Warum Frauen im Sozialismus besseren Sex haben, Suhrkamp.
Stefan Wolle: Aufbruch nach Utopia, Ch. Links Verlag.
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