"Das will ich gar nicht wissen!" - Das Phänomen der bewussten Ignoranz
Dec 15, 2024
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Ralph Hertwig, Psychologe am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, erklärt das Konzept der bewussten Ignoranz. Warum ignorieren wir absichtlich belastende Informationen, wie z.B. Untreue oder Erbkrankheiten? Hertwig beleuchtet, wie emotionale Bindungen und persönliche Werte unser Wissen beeinflussen. Zudem diskutiert er die Kunst des kritischen Ignorierens in einer informationsüberfluteten Welt und zeigt auf, wie Alter und Persönlichkeit unsere Fähigkeit zur Emotionsregulation prägen. Ein faszinierender Einblick in die Psychologie des Nichtwissens!
Bewusste Ignoranz entsteht oft aus dem Bedürfnis, emotionale Verletzungen zu vermeiden, wie bei der Untreue eines Partners.
Strategisches Ignorieren hilft Menschen, sich vor moralischen Konflikten zu schützen, beispielsweise bei genetischen Tests für ungeborene Kinder.
Deep dives
Die Entscheidung für Nichtwissen
Viele Menschen ziehen es vor, bestimmte Informationen nicht zu wissen, wie etwa die Untreue eines Partners in der Vergangenheit. Studien zeigen, dass etwa 60 Prozent der Männer nicht wissen möchten, ob ihre Partner untreu waren, was darauf hindeutet, dass sie die potenziellen negativen emotionalen Folgen abwägen. Diese Entscheidung ist häufig ein Versuch, die Beziehung zu schützen und unangenehme Emotionen zu vermeiden, die mit solchen Informationen einhergehen könnten. Weitere Beispiele, wie Nobelpreisträger Günter Grass, der seine Stasi-Akte nicht einsehen wollte, verdeutlichen, dass diese Entscheidung oft aus einem tiefen Verständnis für die Emotionalität der Situation resultiert.
Das Konzept des gewollten Nichtwissens
Das gewollte Nichtwissen steht im Widerspruch zur weit verbreiteten Annahme, dass Menschen von Natur aus neugierig sind. Tatsächlich sind viele Menschen bereit, Informationen zu ignorieren, die potenziell schädlich oder emotional belastend sein könnten. Diese Tendenz hebt hervor, dass es nicht genügt, Wissen einfach zu verdrängen, da es mit Emotionen verbunden ist, die nicht einfach abgeschaltet werden können. Ein Beispiel hierfür ist die Ambivalenz von Vätern bezüglich der Vaterschaft, wo die Entscheidung gegen einen DNA-Test oft auch emotionale Bindungen und die familiäre Dynamik berücksichtigt.
Emotionale Regulierung und Spannung erleben
Emotionsregulation spielt eine zentrale Rolle bei der Entscheidung, ob man Wissen erlangen möchte oder nicht. Viele Menschen sind nicht bereit, zu erfahren, wann sie sterben werden, da dies negative Emotionen hervorrufen und das Leben erheblich beeinflussen könnte. Zudem gibt es eine Vorliebe für Spannung in verschiedenen Kontexten – sei es beim Schauen von Filmen oder beim Verfolgen von Sportereignissen, wo das Unwissen oft als das Schönste erachtet wird. Dieses Bedürfnis nach emotionalen Höhen und Tiefen führt dazu, dass das Nichtwissen in bestimmten Situationen sogar als positiv erlebt wird.
Strategisches Ignorieren und moralische Dilemmata
Strategisches Ignorieren beeinträchtigt auch moralische Überlegungen in unserem Leben. Menschen vermeiden es bewusst, bestimmte Informationen zu erlangen, um sich selbst vor kognitiven Dissonanzen zu schützen, wie im Fall von Eltern, die keine genetischen Tests für mögliche Krankheiten bei ihrem ungeborenen Kind durchführen möchten. Diese bewusste Entscheidung spiegelt den Wunsch wider, nicht in moralische Konflikte verwickelt zu werden. Außerdem gibt es institutionelle Gründe für gewolltes Nichtwissen, wie beispielsweise Blind Auditions in Orchestern, die Vorurteile reduzieren und fairere Entscheidungen ermöglichen.
Möchtet Ihr wissen, ob Ihr an einer Erbkrankheit leiden? Euer Partner Euch betrogen hat? Oder gar den Tag, wann Ihr sterben werdet? "Nein" lautet die Antwort meist. Die Psychologie spricht hier von "bewusster Ignoranz". Was steckt genau dahinter? Und wie funktioniert dem gegenüber "Kritisches Ignorieren"? | Nadine Zeller im Gespräch mit dem Psychologen Ralph Hertwig (SWR 2024) || Hörtipp: Gefühle in den Griff kriegen – Wie das gelingen kann | https://www.ardaudiothek.de/episode/das-wissen/gefuehle-in-den-griff-kriegen-wie-das-gelingen-kann/swr-kultur/13790799/ || Bei Fragen und Anregungen schreibt uns: daswissen@swr.de | Folgt uns auf Mastodon: https://ard.social/@DasWissen
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