#8 Ricarda Lang über ihren Rücktritt, Humor und alte Männer
Jan 30, 2025
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Ricarda Lang, die ehemalige Parteivorsitzende der Grünen, spricht offen über ihren Rücktritt und die speziellen Herausforderungen für junge Frauen in der Politik. Sie beschreibt den Druck, den Erwartungen der Gesellschaft nicht zu entsprechen, und die Diskrepanz zwischen Authentizität und dem Druck, wie ‚alte Männer‘ zu handeln. Lang reflektiert auch, wie wichtig Humor und persönliche Hobbys nach der Politik für ihr Wohlbefinden sind. Trotz negativer Erfahrungen glaubt sie weiter an die Möglichkeiten sozialer Medien und denkt über ihre politische Zukunft nach.
Ricarda Langs Rücktritt als Grünen-Chefin war eine bewusste Entscheidung, um der Partei eine Neuausrichtung zu ermöglichen.
Die Herausforderungen junger Frauen in der Politik spiegeln sich in den Erwartungen wider, traditionell männliche Rollen zu übernehmen und gleichzeitig authentisch zu bleiben.
Humor in der Politik ist für Lang ein essentielles Mittel, um Menschlichkeit zu zeigen und eine ansprechbare politische Debatte zu fördern.
Deep dives
Rücktritt und dessen Gewicht
Der Rücktritt von Ricarda Lang als Parteivorsitzende der Grünen stellte für sie eine der schwersten Entscheidungen dar. Der Druck, der aus vorherigen Wahlniederlagen resultierte, ließ sie über den Erfolg der Partei reflektieren und ob sie in der Lage sei, die Verantwortung weiterhin zu tragen. In einem Prozess, der sich über mehrere Tage erstreckte, sammelte sich ihr Unbehagen über die stagnierende Entwicklung der Partei, bis sie schließlich beschloss, dass ein Rücktritt notwendig war, um der Partei die Möglichkeit zu geben, sich neu zu formieren. Diese Entscheidung zeigte nicht nur ihre Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, sondern auch ihr Verständnis für die Notwendigkeit von Veränderungen in der Parteiführung und -strategie.
Wahrnehmung junger Frauen in der Politik
Lang erlebte die Herausforderung, als junge Frau in der Spitzenpolitik wahrgenommen zu werden, als besonders intensiv. Obwohl sie in einigen politischen Kreisen nicht anders behandelt wurde, spürte sie in der Öffentlichkeit, dass man ihr oft vorgefertigte Schemata zuschrieb, die nicht ihrer authentischen Identität entsprachen. Diese Erfahrung führte zu einer erdrückenden Erwartungshaltung, in der sie sich zwischen den Rollen einer ernsthaften Politikerin und der Authentizität, die sie als Mensch verspürte, hin und her gerissen fühlte. Diese Diskrepanz beleuchtet die Schwierigkeiten, denen junge Frauen gegenüberstehen, die versuchen, in einer von Männern dominierten politischen Arena Gehör zu finden.
Einfluss der sozialen Medien
Lang erlebte während ihrer Zeit als Parteivorsitzende verstärkt Hass und Hetze in sozialen Medien, was zu einem emotionalen Rückzug führte. Trotz ihrer Bemühungen, Menschlichkeit und Humor in ihre politischen Beiträge zu integrieren, führte die aggressive Online-Kultur oft zu einer Abschottung, die wichtige Rückmeldungen und legitime Kritik gefährdete. Der Umgang mit diesen Angriffen wurde für sie zu einer Gratwanderung zwischen Selbstschutz und dem Wunsch, offen für konstruktive Auseinandersetzungen zu sein. Diese Erfahrung verdeutlicht die Herausforderungen, die mit der Sichtbarkeit als Politikerin in der Öffentlichkeit verbunden sind, besonders in einer Zeit, in der digitale Kommunikation dominiert.
Humor und Authentizität in der Politik
Lang betont die Wichtigkeit von Humor in der Politik, als Mittel, um auch in schwierigen Situationen eine menschliche Verbindung aufrechtzuerhalten. Sie erkannte, dass der Druck, stets ernsthaft zu wirken, oft die Möglichkeit einschränkte, authentisch und menschlich zu sein. Die Balance zwischen der Würde des Amtes und dem Selbst nicht zu ernst zu nehmen, sieht sie als essenziell, um effektive und ansprechbare Politik zu betreiben. Lang will durch ihren Humor und ihre authentische Stimme eine Erneuerung der politischen Debatte anstoßen und damit ein Zeichen setzen gegen die oft drögen konservativen Kommunikationsstile.
Zukunftspläne und Veränderungen
Nach ihrem Rücktritt hat Lang ihre Perspektive auf die Politik und ihr persönliches Leben neu ausgerichtet. Sie plant, ihre Stimme und Präsenz weiter in sozialen Medien zu nutzen, um eine Brücke zwischen Bürgerinnen und Bürgern sowie der Politik zu bauen. Zudem möchte sie mehr Raum für persönliche Entwicklung schaffen, inklusive Hobbys wie Pilates und Reiten, während sie gleichzeitig weiterhin politisch aktiv bleibt. Diese Pläne deuten auf eine umfassendere Sichtweise darauf hin, wie Politik und persönliches Wohlbefinden miteinander verbunden werden können, und auf den Wunsch, echte, nachhaltige Verbindungen zu ihren Wählerinnen und Wähler zu schaffen.
Seit sie nicht mehr Grünen-Chefin ist, kann Ricarda Lang offen reden – über ihre Ängste beim Rücktritt und über die besonderen Spielregeln für junge Frauen in der Politik.
Es sind Spielregeln, bei denen junge Frauen nur verlieren können – weil sie nicht zu erfüllen sind: „Wir sollen eigentlich sein wie alte Männer“, sagt die 31-Jährige. „Aber gleichzeitig sollen wir bitte auch authentisch und individuell und wir selbst sein.“ Nach ihrem Rücktritt sei ihr klar geworden, dass man die Spielregeln ändern müsse, „wenn man ein bestehendes Spiel eigentlich gar nicht gewinnen kann“.
Im Gespräch mit Julia Emmrich und Jochen Gaugele erzählt Lang, was es für sie bedeutet hat, dauernd in der Öffentlichkeit zu stehen, wie Robert Habeck auf ihren Rücktritt reagiert hat - und warum sie trotz massiver Hassattacken weiter an die Sozialen Medien glaubt. Und dann ist da noch ein alter Traum – den sie sich jetzt vielleicht erfüllen kann.
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