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Blaue Zonen sind Regionen auf der Erde, in denen Menschen überdurchschnittlich lange leben. Beispiele sind die griechische Insel Ikaria und Okinawa in Japan. Studien zeigen, dass die Bewohner dieser Zonen gesunde Lebensstile pflegen, die einen Großteil ihrer Langlebigkeit erklären könnten. Dazu gehören soziale Bindungen, traditionelle Ernährungsweisen und körperliche Aktivität, die oft Teil des täglichen Lebens sind.
Die Bedeutung sozialer Kontakte ist in blauen Zonen besonders ausgeprägt, wobei regelmäßige Treffen in Gemeinschaftschefs wie Cafés oder bei Festen stattfinden. Diese Interaktionen fördern nicht nur das psychische Wohlbefinden, sondern ermöglichen auch den Austausch von Lebensweisheiten zwischen den Generationen. Beispielsweise verbringen auf Ikaria Senioren viel Zeit mit Freunden im Café, wo sie über ihr Leben und aktuelle Themen diskutieren. Diese Teilhabe an der Gemeinschaft trägt zu einem glücklicheren und gesünderen Altern bei.
Die Ernährung der Bewohner in blauen Zonen ist oft reich an frischen, lokal produzierten Nahrungsmitteln wie Gemüse und Olivenöl, ergänzt durch moderate Mengen Wein. Auf Ikaria gehören der Anbau und das Ernten von eigenem Essen zu den täglichen Aufgaben, was die körperliche Aktivität fördert. Aktive Arbeiter im Freien tragen ebenfalls zur Gesundheit bei, denn tägliche Aufgaben wie die Pflege von Gärten oder das Melken von Ziegen sind selbstverständlich. Ein vergnüglicher Lebensstil, der Humor und Entspannung inkludiert, unterstützt zudem das allgemeine Wohlbefinden der Einwohner.
"Blaue Zonen" beschreiben Regionen, in denen die Menschen überdurchschnittlich alt werden. Dazu gehören u.a. die griechische Insel Ikaria und die japanische Insel Okinawa. Einige Erfolgsrezepte: Familie, Bewegung, Ernährung, soziales Engagement. Welche weiteren Tipps haben die Hundertjährigen? Von Bernd-Uwe Gutknecht
Credits
Autor dieser Folge: Bernd-Uwe Gutknecht
Regie: Susi Weichselbaumer
Es sprachen: Caroline Ebner, Jerzy May, Peter Veit, Andreas Dirscherl, Christian Schuler, Jenny Güzel, Gabi Hinterstoißer
Technik: Stefan Oberle
Redaktion: Iska Schreglmann
Interviews:
Prof. Dr. Peter Tessarz, Alterswissenschaftler, Radboud-Universität, Nijmegen, Niederlande
Dr. Laura Richardson, Professorin für Bewegungswissenschaften an der University of Michigan, USA
Älteren Menschen auf Ikaría
Anderes Alter, andere Zeit - Warum ändert sich unser Zeitgefühl? HIER
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Sport im Alter - Wie sich Senioren richtig fit halten HIER
Und noch eine besondere Empfehlung der Redaktion:
Lea Ypi - Frei
Hörbuch. Die kleine Lea ist fest überzeugt davon, frei zu sein. So haben ihre Eltern ihr das erklärt. Doch es ist 1990, und auch in Albanien, dem letzten sozialistischen Land in Europa, ändert sich alles. Können die Menschen endlich leben, wie sie wollen? Verblüffend und erhellend erzählt Lea Ypi ihre eigene Geschichte, in der "frei" und "wahr" für fast jeden etwas anderes bedeuten. Es liest Katja Bürkle. HIER
Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.
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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
Erzählerin:
Ein Kafenio (Betonung auf e), wie es viele auf Ikaría (Betonung auf zweitem i) gibt. Die griechische Insel liegt in der Nördlichen Ägäis. Egal, wie klein die Dörfer sind, egal ob an der Küste oder in den Bergen, Café und Kirche sind nicht wegzudenken. An runden Tischen sitzen vor allem ältere Männer, spielen Karten...
ATMO 02 Karten
Erzählerin:
...im Hintergrund läuft rund um die Uhr der Fernseher...
ATMO 03 TV
Erzählerin:
Manchmal organisiert der Wirt Stamatis Foudouli (sprich: Fuduli) auch kleine Musik-Konzerte:
O 01 Musik OV Sprecher 1:
„Es ist sehr wichtig, dass die Einwohner der Dörfer hier Plätze haben, an denen sie zusammenkommen können, wo sie immer Bekannte antreffen. Es ist noch immer sehr üblich auf Ikaría, sich daheim zu besuchen. Aber es ist auch wichtig, dass an einem Ort wie diesem Lokal praktisch immer jemand da ist, den man kennt, mit dem man sich unterhalten kann, auch über Probleme und Sorgen. Wenn wir Live-Musik haben, ist es natürlich voll, denn wir Griechen lieben unsere Musik!“
ATMO 04 greek coffee
Erzählerin:
Zwischendurch setzt der Wirt für seine Gäste griechischen Kaffee auf, den kleinen starken mit Kaffeesatz, Ellinikó. So wie seit Jahrhunderten.
Am runden Tisch, wo etwa zehn grau-und weißhaarige Männer sitzen, wird diskutiert. Über Gott und die Welt und was sonst noch wichtig ist. Sie nennen sich „Das kleine Parlament“:
ATMO 01 Café
O 04 Winter OV Sprecher 1:
„Vor allem in den kühlen Monaten verbringen wir den halben Tag hier. Viele von uns sind 80 oder 90 Jahre alt! Mit 65 bin ich der Jüngste. Wir debattieren über die politische Lage, über die finanzielle Situation, und wir reden auch oft über unsere Frauen! Die sind daheim und sprechen eher über praktische Dinge: was sie gerade im Garten ernten, wie es ihnen gesundheitlich geht und so.“
ATMO 05 frappe
Erzählerin:
Jetzt mixt der Wirt einen Frappé mit Milch. Den starken Ellinikó verträgt er nicht mehr, sagt dieser 83-Jährige:
O 06 Paradies OV Sprecher 2:
„Ich habe mein ganzes Leben als Bauer gearbeitet. Auch heute noch stehe ich früh auf, kümmere mich als Erstes um meine Ziegen. Am Vormittag komme ich runter in dieses Café. Jeden Tag, immer zur selben Zeit. Es ist wichtig, gewisse Routinen im Leben zu haben. Hier einen Kaffee zu trinken, aufs Meer zu schauen und alte Freunde zu sehen, macht mich einfach glücklich. Und natürlich meine fünf Kinder und bisher neun Enkelkinder! Wenn ich auf mein Leben hier zurückblicke, kann ich nur sagen: ich lebe im Paradies!“
MUSIK Perfect rotation 0.48 Min.
Erzählerin:
Solche Orte, an denen Seniorinnen und Senioren auffallend gesund sind und alt werden, gibt es in verschiedenen Regionen der Erde. Der belgische Forscher Michel Poulain kreierte im Jahr 2000 den Begriff „Blue zones“, also „Blaue Zonen“, dafür. Der amerikanische Wissenschafts-Journalist Dan Buettner schrieb 2003 ein Sachbuch darüber. Seitdem untersucht auch die Gerontologie, also die Alterswissenschaft, was es mit der Langlebigkeit in den „Blauen Zonen“ auf sich hat.
O 07 blau:
„Blaue Zonen sind ein paar Gegenden, die sehr lokal begrenzt sind und wo die Menschen überdurchschnittlich alt werden. Und die Frage ist, inwieweit diese blauen Zonen tatsächlich so existieren oder ob es ein statistisches Problem ist, weil häufig liegen die tatsächlich in Gegenden, die ökonomisch nicht gut gestellt sind, also häufig sehr arm, wo vielleicht Geburtenregister nicht so toll geführt sind, wie man es kennt. So dass da zumindest statistisch und epidemiologisch durchaus viele Fragezeichen zu sehen sind, ob es die wirklich so gibt.“
Erzählerin:
Professor Peter Tessarz ist Human-Biologe und Alterswissenschaftler, lehrt und forscht an der Radboud (sprich: Radbaud) Universität im niederländischen Nijmegen (sprich: Neimechen). Er sieht die Lokalisierung blauer Zonen eher kritisch, erkennt aber ähnliche Verhaltensweisen der Bewohner dort. Vor allem die gesellschaftliche Teilhabe der Menschen bis ins hohe Alter, wie eben auf der griechischen Insel Ikaría:
O 08 Ika:
„Das liegt natürlich wahrscheinlich auch zum großen Teil daran, dass es dort noch eine intakte soziale Struktur gibt.“
MUSIK Chassapiko romance 0.54 Min.
O 08 Ika:
„Die Menschen ernähren sich gesund, bis ins hohe Alter bewegen die sich, weil es einfach Teil der Kultur dort ist, die arbeiten noch viel tatsächlich draußen an frischer Luft und all das trägt dazu bei, dass diese Menschen durchaus alt werden.“
Erzählerin:
Erhebungen einer Universität in Athen haben schon im Jahr 2009 ergeben, dass es auf Ikaría relativ gesehen die meisten über 90-Jährigen weltweit gab, jeder dritte Einheimische wurde mindestens 90. Es gab zudem überdurchschnittlich viele Hundertjährige. Die Rate von Herz-Kreislauf-Erkrankungen war im internationalen Vergleich um 50 Prozent niedriger. Und 95 Prozent der über 90-Jährigen wohnten im eigenen Haus und versorgten sich selbst. So wie Nikos Fakaris (Betonung auf zweitem a), 93 Jahre alt und: aktiv!
O 09 Tanz OV Sprecher 3:
„Ich gehe jeden Tag ins Café und treffe dort meine Freunde. Und ich bekomme auch viel Besuch daheim. Mit meiner Frau gehe ich bei jeder Gelegenheit zum Tanzen, Walzer mögen wir am liebsten!“
Erzählerin:
Nikos Fakaris` Frau ist 73. Ihre zwei Söhne leben in Athen. Auf die Frage nach seinem Lebenselixier sagt er:
O 10 glücklich OV Sprecher 3:
„Ich bin glücklich mit meinem Leben, auch wenn ich immer für Zwei gearbeitet habe. Als Bauunternehmer habe ich vielen Menschen Freude bereitet, weil ich ihnen ein schönes Haus gebaut habe. Außerdem habe ich eine wunderbare Familie. Dafür danke ich Gott!“
Erzählerin:
Beim Treppensteigen benutzt er einen Stock, ansonsten ist der 93-Jährige sehr fit, sieht mit seinem vollen Haar und wenigen Falten auch viel jünger aus. Sein Lebenswandel überrascht allerdings: so hat Nikos Fakaris sein ganzes Leben Tabak konsumiert:
O 12 Tsi OV Sprecher 3:
„Ich rauche jetzt nur noch zehn Zigaretten am Tag, weil mir der Doktor das empfohlen hat. Aber ich schneide sie in zwei Hälften, so kann ich mir weiterhin 20 Mal am Tag eine anzünden. Nach dem Aufstehen trinke ich als erstes einen Tsipouro-Schnaps (sprich: Tsipuro, Betonung auf i), dann Kaffee zum Frühstück. Ansonsten essen wir vor allem Salat und Gemüse aus unserem Garten, ab und zu Ziegenfleisch. Na ja, und Rot-Wein trinke ich regelmäßig, so vier bis fünf Gläser am Tag.“
MUSIK Kriti Sirtaki 1.00 Min.
Erzählerin:
Wie geht das? Regelmäßig Nikotin und Alkohol nicht gerade in kleinen Mengen? Wahrscheinlich hat Nikos Fakaris gute Gene.
O 13 genetisch:
„Dann gibt es Studien, die sagen, dass die genetische Veranlagung tatsächlich so zwischen 25 und 30 Prozent liegt, der Rest ist Lebensstil. Wie beweglich ist man auch im Alltag, läuft man die Treppen, sitzt man viel, isst man gesund usw. Und das hat einen deutlich größeren Anteil gegenüber der genetischen Veranlagung.“
Erzählerin:
Für Nikos Fakaris hat das gesund Altern auch damit zu tun, von der Jugend nicht ausgeschlossen zu werden. Auf Ikaría unternehmen die verschiedenen Generationen viel zusammen, ob im Familien-Betrieb, auf Familienfeiern oder einfach innerhalb der Dorf-Gemeinschaft:
O 14 positiv OV Sprecher 3:
„Wir Alten und die Jungen hier sind sehr offen füreinander, hören uns zu! Und wenn ein Junger herumjammert, dann sag ich ihm: meckere nicht über die schlechten Dinge, sondern freu dich über die guten!“
Erzählerin:
Dann nippt er an seinem selbstgekelterten Rotwein, nickt seiner Frau zu und gibt den griechischen Philosophen:
O 15 Wind OV Sprecher 3:
„Auf Ikaria gibt´s keinen Stress! Wir sagen immer: der starke Wind, der hier das ganze Jahr weht, der bläst all unsere Sorgen davon!“
Erzählerin:
Und da treffen sich die Lebensweisheit des alten Mannes und die evidenzbasierte Forschung des Alterswissenschaftlers Peter Tessarz:
O 16 Optimist:
„Das sind auch soziale Bindungen, wie wohl fühle ich mich, bin ich ein Optimist, habe ich viel Familie und Freunde um mich herum, geht´s mir vielleicht auch finanziell gut und als letzter Punkt die Bildung: je höher ich gebildet bin, eine desto höhere Chance habe ich, länger zu leben. All diese Punkte zusammen machen es aus.“
ATMO 06 Meer / MUSIK Hellenistic mystery 0.53 min.
Erzählerin:
Bisher wurden fünf „Blaue Zonen“ der Langlebigkeit identifiziert: eines haben alle gemeinsam: sie liegen direkt am oder in der Nähe des Meeres: die japanische Insel Okinawa, eine Region auf Sardinien, eine Halbinsel in Costa Rica, eine Ortschaft bei Los Angeles und eben Ikaría.
ATMO 07 Kies
Erzählerin:
An diesen Orten geben sich Alterswissenschaftler, Ernährungs-Expertinnen, Genforscher, Anti Aging-Jünger und interessierte Touristinnen und Touristen die Klinke in die Hand:
O 17 Kuwait OV Sprecher 4:
„Wir sind aus Kuwait vom Arabischen Golf. Wir haben in Sozialen Medien einige Filme und Berichte über die Blauen Zonen gefunden. Eine davon ist Ikaría. Da haben wir beschlossen, es einfach auszuprobieren
OV-Sprecher 5
Daheim versuchen wir auch, einen gesunden Lebensstil zu führen, aber im Alltag mit dem ganzen Stress ist das nicht leicht!
ATMO 06 Meer
Erzählerin:
Ahmed und Hamed aus Kuwait sind gerade aus dem Meer gestiegen. In der Therma-Bucht sprudelt aus dem Meeresboden heißes Wasser herauf:
018 hot spring OV Sprecher 4
“Es ist echt erstaunlich, das Wasser aus der Quelle ist richtig heiß und dann vermischt es sich mit dem kalten Wasser des Meeres. Diese Mischung macht ein ganz spezielles Gefühl
OV-Sprecher 5
Und man riecht die Mineralien, eine tolle Erfahrung!
Erzählerin:
Das eisen-und radonhaltige Quellwasser wird in Therma auch für Heilkuren-und bäder verwendet. Einheimische nutzen die heißen Quellen schon lange bei Rheumabeschwerden, Hautkrankheiten oder Atembeschwerden. Seit um die Blauen Zonen ein regelrechter Wissenschafts-Hype entbrannt ist, gehört die Heilquelle auch zum Pflichtprogramm internationaler Forscher. Dr. Laura Richardson ist Professorin für Bewegungswissenschaften an der University of Michigan und mit einer Studien-Gruppe auf Visite in Ikaría. Davor waren sie zur Recherche in der „Blauen Zone“ Sardiniens:
O 19 isolation OV Sprecherin 1:
“Was wir an beiden Orten festgestellt haben: beide Regionen sind relativ isoliert von der Außenwelt, vor allem früher war das so. Gleichzeitig bilden sie innerhalb dieser isolierten Orte aber starke Gemeinschaften, in der Familie, in der Nachbarschaft, den Dorfgemeinden. Und ich glaube, diesen Faktor haben wir lange vernachlässigt: es gibt wohl kein Geheimmittel für ein langes Leben, sondern es sind die zwischenmenschlichen Beziehungen!“
Erzählerin:
Was die amerikanische Wissenschaftlerin überrascht: im Gegensatz zu den USA spielt sportliches Training auf Ikaría so gut wie keine Rolle:
O 20 activities OV Sprecherin 1:
„Die alten Menschen hier machen keinen Sport, es ist schlicht ihr traditioneller Lebensstil, weil sie ihre Arbeit in hügeligem, oft steilem Gelände ausführen. Die Bauern etwa bewegen sich ständig bergauf- und ab, wie ein tägliches Training. Und das ist natürlich eine ganz andere Bewegungsart, als wenn wir ins Fitnessstudio gehen.“
MUSIK Kriti Sirtaki 0.59 Min.
Erzähler:
Tatsächlich erzählen die meisten alten Menschen auf Ikaría, dass sie auch mit 80 oder 90 noch ihren Weinberg oder Olivenhain bearbeiten, mit ihrem Fischerboot rausfahren oder ihren Kindern und Enkeln in deren Läden helfen. Zum Radfahren oder Joggen ist die Insel sowieso zu bergig, Sportstätten gibt es sehr wenige. Trotzdem nimmt Laura Richardson Anregungen für die Langlebigkeit mit nach Hause:
O 21 clock OV Sprecherin 1:
“Wir können die Uhr nicht aufhalten, aber was wir tun können, ist, unseren Körper anzupassen. Zum Beispiel die respiratorische Fitness, die kann man auch mit 60 oder 70 noch aufbauen. Aber man kann auch im Alter noch viel mehr Vitalität erlangen. Auch wenn man übergewichtig ist und die Knie weh tun, kann man sich bewegen, gesund ernähren, sich mit netten Leuten umgeben. Und diese mehrdimensionalen Maßnahmen helfen uns, gesünder zu leben.“
Erzählerin:
Tatsächlich hat die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie veröffentlicht,
dass sich der Wechsel zu einem gesunden Lebenswandel auch im Alter noch lohnen kann: wer etwa mit 60 Jahren seine Ernährung auf die sogenannte Mittelmeerkost umstellt, kann acht Lebensjahre gewinnen. Mit 60 das Rauchen aufzugeben, kann vier weitere Jahre bringen. Und körperliche Betätigung kann dafür sorgen, dass man nicht nur älter, sondern auch robuster alt wird. Alterswissenschaftler Tessarz:
O 22 super:
„Und das sollte dann im besten Fall dazu führen, dass die Spanne, in der wir krank sind und leiden, besonders kurz ist. Das sieht man zum Beispiel bei den Supercentenarians, die deutlich über 100 werden, dass die ganz lang ganz fit sind und dann nur im letzten Teil, nur wenige Wochen oder Monate, erkranken und leiden und dann sterben. Und im Endeffekt ist das auch der Ansatz, den wir versuchen, auf die größere
Bevölkerung auszudehnen.“
Erzählerin:
Damit zählt Peter Tessarz zu den sogenannten Healthspanners, die ganz anders als die Immortalists, also die Unsterblichkeits-Visionäre, denken und forschen:
O 23 healthspanner:
„Die Immortalists arbeiten darauf hin, dass wir vielleicht sogar ewig leben und dort gibt es auch so Ideen, dass man sich einfrieren lässt bis zu einem Zeitpunkt, wo man vielleicht länger leben kann. Und die Healthspanners, bei denen ist es eher so, dass wir eher daran arbeiten, die Spanne zu steigern, in denen wir gesund sind.“
MUSIK Perfect rotation 1.07 Min,
Erzählerin:
Bei den Empfehlungen für einen gesunden Lebensstil sind sich die meisten Experten einig: regelmäßige körperliche Betätigung, gesellschaftliche Teilnahme, bewusste Ernährung, ausreichend Schlaf, möglichst wenig Stress. Die häufigsten Todesursachen sind die Folgen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall, Stoffwechselstörungen wie Diabetes 2, Krebs sowie neurodegenerative Krankheiten wie Alzheimer oder Demenz. Forschungen legen nahe, dass die Ursachen für die meisten dieser Erkrankungen schon Jahre vor dem Auftreten entstehen, zum Teil bereits in der Kindheit. Auch genbedingte bzw. vererbte Krankheiten sind bei Alterswissenschaftlern wie Peter Tessarz besonders im Fokus. Hauptverantwortlich für die Verschlechterung des Gesundheitszustands im Alter sind die sogenannten seneszenten Zellen. Unsere DNA, die unsere individuelle Erbinformation enthält, liegt in einer kettenartigen Form vor:
O 24 telo:
„Das Problem ist, dass wir am Ende dieser Kette ein Stück DNA haben, das bei jeder Zellteilung kürzer wird. Dann gibt es da eine kritische Grenze, dass sie sich nicht mehr teilen können. Und wenn sich Zellen nicht mehr teilen können, dann können sie sich in sogenannte seneszente Zellen verwandeln, und was wir wissen, dass sich diese seneszenten Zellen im Alter anreichern.“
Erzählerin:
Diese schädlichen Zellen werden vom Immunsystem bekämpft. Wird dieses Abwehrsystem überfordert, können sich chronische Entzündungen im Gewebe bilden, die letztlich zum Tod führen können.
O 25 tötet:
„Es gibt mittlerweile ein paar klinische Studien auch am Menschen, da müssen wir noch warten, ob was rauskommt. In Tierversuchen kann man sehen, dass - wenn man seneszente Zellen tötet – es einen sehr positiven Einfluss auf die Lebensspanne hat.“
Erzählerin:
Was eine signifikante Verlängerung der menschlichen Lebenszeit für unsere Gesellschaften und für die Ressourcen der Erde bedeuten würde, ist letztlich auch eine politische sowie philosophische Frage.
ATMO 07 Fest 1
Erzählerin:
Zunächst bleibt uns nur, die Feste zu feiern, wie sie fallen! Und das tun die Menschen auf der griechischen Insel Ikaría zur Genüge. Im Bergdorf Oxé (Betonung auf e) findet gerade ein Panigiri (sprich: Pannigiri) statt. Ein Panigiri ist eigentlich ein Fest für den Heiligen der Gemeindekirche - oder Kapelle. Aber auch wer nicht gläubig ist, ist herzlich willkommen. Ein Panigiri dient einem guten Zweck: Gemeindemitglieder kochen für viele Menschen, der Erlös kommt Bedürftigen zugute oder wird zur Renovierung von kirchlichen Einrichtungen verwendet. Vor allem ist ein Panigiri aber ein gern gesehener Anlass zum Feiern:
O 26 Pani 2 OV Sprecher 6:
„Zum einen trifft sich die Gemeinde regelmäßig, um sich auszutauschen, wichtige Sachen zu besprechen. Andererseits sammeln wir Geld, zum Beispiel um das Dach unserer Kirche zu reparieren. Vom Staat kriegen wir dafür nichts.
Erzählerin:
Eleftherios Elefteriou (sprich: Ellefterios Ellefteriu, Betonung jeweils auf drittem e) ist 87. Seine Frau Archontula (sprich: Archontula, Betonung auf o) ist 78. Angesprochen auf die Langlebigkeit auf Ikaría sagt sie.
O 27 Pani 1e OV Sprecherin 2:
„Früher haben alle auf der Insel so gelebt wie wir Alten heute. Ganz einfach, sehr billig, sehr natürlich. Zum Beispiel unser Tee: ich kaufe nie Tee, sondern sammle Kräuter: Salbei, Minze, Thymian, Lorbeer, und damit brühen wir Tee auf.“
O 28 Pani 1b OV Sprecher 6:
“Jeden Tag bin ich bei meinen Ziegen. Melke sie, schau nach, ob sie gesund sind. Wir müssen nicht überlegen, was wir essen, das nimmt uns der Garten ab. Viel Gemüse, ab und zu etwas Ziegenfleisch. Ich persönlich trinke keinen Wein und rauche auch nicht. Ich bin also ganz brav!“
O 29 Pani 1a OV Sprecherin 2:
„Wir reden gar nicht über gesundes Essen, für uns ist das ganz normal. Wir essen halt das, was unser Garten gerade hergibt. Das ist kein Hexenwerk!“
Erzählerin:
Aber zuviel Süßes isst du! Sagt die 78-Jährige zu ihrem 87-Jährigen Mann. - Ja, weil du zu gute Sachen bäckst, antwortet er charmant.
O 30 Pani 1d
(ohne OV stehen lassen)
ATMO 08 Fest 2
Erzählerin:
Auf dem Tisch des 86-Jährigen George (sprich: Chorche) Poulos (sprich Pulos), seiner 75-Jährigen Frau Toula (sprich: Tula) und einiger Freunde stehen Baklava, Ziegenkäse, Honig, Wein, Brot, Oliven, mit Fetakäse gefüllte Teigtaschen, alles aus eigenem Anbau bzw. selbst gebacken.
O 31 Stress OV Sprecherin 3:
„Ein gutes Leben, das bedeutet für uns hier: nicht zu viel vom Leben erwarten, denn das verursacht Stress!
Erzählerin:
Einer der weißhaarigen Männer verabschiedet sich, er muss heim Ziegen melken! „So ein Stress“! Antwortet ein anderer: „Was soll ich da sagen? Ich habe Stress, denn ich habe 12 Ziegen!“
ATMO 11 Lachen
Erzählerin:
Humor gehört ganz sicher auch zu den Eigenschaften, die die Alten von Ikaría so gesund alt werden lassen.
ATMO 12 Fest 3
Erzählerin:
Auf dem Panigiri ist auch Voula Glarou (sprich: Wula Glaru, Betonung jeweils auf u): sie ist geboren auf der Insel, ging nach der Schule nach Athen, entschied sich dort aber gegen eine Karriere als Kinesiologin und kam nach einigen Jahren zurück. Sie kennt beide Welten: die moderne eilige der Großstadt und die ruhige beschauliche des Eilands. Und sie hat etwas Interessantes bezüglich der Besuche bei den Hundertjährigen beobachtet:
O 33 bad eye OV Sprecherin 4:
“Es ist einige Male passiert, dass alte Leute, kurz nachdem sie von Reportern über das Thema langes Leben interviewt worden waren, plötzlich gestorben sind! Deshalb weigern sich manche jetzt, mit Reportern zu sprechen. Es ist ein Aberglaube, klar, aber so sind sie halt. Viele glauben ja auch an den „bösen Blick“!
MUSIK Hellenistic mystery 0.54 Min.
O 34 work OV Sprecherin 4:
„Auf manche Besucher wirkt die Insel touristen-unfreundlich. Wie die Menschen auf Ikaria wirklich ticken, lernt man nur, wenn man sich auf uns einlässt, Zeit mit uns verbringt, mit uns spricht. Eine gute Idee ist es, mit uns zu arbeiten. Denn unser Alltag besteht vor allem aus Arbeit, wobei wir beim Arbeiten viel lachen, singen, wir nehmen uns auf den Arm. Wir arbeiten und haben gleichzeitig Spaß zusammen!“
Erzählerin:
Vielleicht ist das das Elixier fürs lange Leben. Eigentlich eine gute Erkenntnis, meint der Alterswissenschaftler Peter Tessarz, denn somit haben wir es größtenteils selbst in der Hand, was wir aus unserer Lebenszeit machen: eigentlich ist die Blaue Zone eine Einstellung und eine Charakterfrage:
O 35 Pille:
„Und leider gibt es tatsächlich noch nicht die magische Pille, die das alles übernimmt, so dass wir weiterhin einfach unser Leben leben und das herauszögern. Auf der anderen Seite ist es natürlich sehr positiv, weil wir alle etwas dafür tun können.“
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