008 - "Objektivität" von Lorraine Daston und Peter Galison
Oct 24, 2019
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In dieser Folge sprechen Lorraine Daston, eine herausragende Wissenschaftshistorikerin, und Peter Galison, ein angesehener Wissenschaftshistoriker, über die Evolution des Begriffs der Objektivität in der Wissenschaft. Sie zeigen, wie sich die Wahrnehmung von Naturwahrheit im Laufe der Jahrhunderte verändert hat und beleuchten die Rolle klassischer Naturforscher. Zudem diskutieren sie die Herausforderungen der Bildreproduktion in der Wissenschaft und die Bedeutung eines geschulten Urteils bei der Interpretation von Bildern. Ein faszinierender Einblick in die komplexe Beziehung zwischen Wissenschaft und Wahrnehmung!
Die Evolution des Begriffs der Objektivität zeigt, wie historische und soziale Kontexte das Verständnis wissenschaftlicher Wahrheiten prägen.
Technologische Entwicklungen wie die Fotografie beeinflussen die wissenschaftliche Abbildung und fordern eine neue Sicht auf objektive Darstellungen und deren Interpretation.
Deep dives
Die Bedeutung von Objektivität in der Wissenschaft
Das Buch untersucht die Entwicklung des Begriffs der Objektivität von der frühen modernen Wissenschaft bis ins 20. Jahrhundert. Die Autoren, Lorraine Daston und Peter Galison, zeigen auf, wie sich das Verständnis von Objektivität im Laufe der Zeit verändert hat und was als objektiv galt, war stark von sozialen und historischen Kontexten geprägt. Sie illustrieren dies anhand der Evolution wissenschaftlicher Atlanten, die als Werkzeuge zur objektiven Abbildung der Welt dienten. Diese Entwicklung spiegelt auch die objektivierenden Tendenzen in der Wissenschaft wider, die sich im Spannungsfeld von menschlicher Wahrnehmung und technischer Repräsentation bewegen mussten.
Phasen der Objektivität
Die Autoren gliedern das Konzept der Objektivität in verschiedene Phasen, darunter die der Naturwahrheit, mechanischen Objektivität und geschulten Urteils. Die Naturwahrheit betrachtet die Abbildung der Welt als die typische Darstellung von Arten und Spezies, während die mechanische Objektivität sich auf Fotografien stützt, die menschliche Interpretation minimieren. Diese Abkehr von individuellen Interpretationen hin zu einer objektiveren Darstellung markiert einen Wendepunkt in der Wissenschaft, da Forscher zunehmend als neutrale Beobachter agieren. In der Phase des geschulten Urteils wird auch die Rolle des Betrachters und dessen Vorwissen bedeutend, was zu einer komplexeren Auffassung von Wissenschaft führt.
Die Rolle der Technik in der Wissenschaft
Ein zentrales Thema ist die wechselhafte Beziehung zwischen Technik und Objektivität. Die Entwicklung von neuen Technologien, wie der Fotografie, führte zu einer Transformation der wissenschaftlichen Abbildungsmöglichkeiten, die es erlaubte, die Welt ohne subjektive Sichtweisen darzustellen. Diese Technologisierung der Wissenschaft führte jedoch auch zu einer Entfremdung, da der Naturforscher bei der mechanischen Objektivität weitgehend in den Hintergrund trat. Trotz objektiver Darstellungen bleibt die Frage, inwiefern solche Techniken die Realität wirklich abbilden können, ein stetiges Thema in der wissenschaftlichen Diskussion.
Die Komplexität der Abbildung und Interpretation
Die Autoren betonen, dass Objektivität nicht allein von der Darstellung abhängt, sondern auch von der Fähigkeit des Betrachters, diese Bilder zu interpretieren. Im Kontext von MRT- und CT-Bildern wird deutlich, dass ohne entsprechendes Wissen und Erfahrung viele Informationen verborgen bleiben. Das geschulte Urteil wird als entscheidend betrachtet, da es den Betrachtern ermöglicht, aus komplexen und abstrakten Darstellungen Sinn herauszulesen. Damit wird die wissenschaftliche Praxis als ein sozialer und interpretativer Prozess verstanden, der weit über die bloße Abbildung hinausgeht.
Nach der Natur und der Gesellschaft geht es in Episode 8 mal wieder ein wenig in die Vergangenheit und die Geschichte der Wissenschaft.
Wissenschaft hat den Anspruch, „objektiv“ zu sein. Was das heißt ist aber alles andere als eindeutig und hat sich auch historisch immer wieder gewandelt. Mit diesem Wandel befassen sich Lorraine Daston und Peter Galison in ihrem Buch „Objektivität“.
Sie zeichnen dabei am Beispiel wissenschaftlicher Atlanten den Weg nach von der „typischen Naturwahrheit“ der klassischen Naturforscher über die „mechanische Objektivität“ der Photographie bis zum „geschulten Urteil“ der modell- und daten-basierten Visualisierungen.