Wolfgang Petritsch, Außenpolitikexperte und ehemaliger Kreisky-Sekretär, diskutiert mit Erhard Stackl, Journalist und Herausgeber von Jüdisches Echo, die komplizierte Beziehung zwischen Österreich und Israel. Sie erörtern Kreiskys Einfluss auf die Nahostpolitik und Netanjahus Unterstützung für Orbán trotz seiner antisemitschen Politik. Zudem wird die vielschichtige Diskussion über Antizionismus und Antisemitismus sowie die Herausforderungen der Besatzung für die israelische Gesellschaft beleuchtet. Beide Gäste analysieren die geopolitischen Dynamiken und die Rolle Österreichs im Konflikt.
Bruno Kreiskys Nahostpolitik hat die palästinensische Frage in Europa hervorgehoben, aber aufgrund ihrer Einseitigkeit auch Spannungen verursacht.
Die Differenzierung zwischen Antizionismus und Antisemitismus wird als entscheidend erachtet, um legitime Kritik an Israel nicht zu verhindern.
Deep dives
Die komplexe Beziehung zwischen Österreich und Israel
Die Beziehung zwischen Österreich und Israel wird als komplex und oft konfliktgeladen beschrieben, insbesondere während der Zeit von Bruno Kreisky. Kreisky war einer der ersten europäischen Spitzenpolitiker, der auf die palästinensische Frage aufmerksam machte und betonte, dass es im Nahen Osten nicht nur Israel, sondern auch ein Volk ohne Staat gibt, was in Israel und in westlichen Staaten auf Widerstand stieß. Dieser Ansatz führte zu Spannungen, da viele in der jüdischen Gemeinschaft Deutschlands und die israelische Regierung seine Sichtweise als einseitig und wenig verständnisvoll empfanden. Die Kritik an Kreiskys Haltung wird unter dem Aspekt betrachtet, dass er versuchte, die komplexe Realität des Konflikts zu vermitteln, was jedoch vielfach nicht verstanden oder akzeptiert wurde.
Antizionismus versus Antisemitismus
Es wird diskutiert, dass die Unterscheidung zwischen Antizionismus und Antisemitismus oft missverstanden wird, was für die aktuelle politische Diskussion von Bedeutung ist. Kritiker des Zionismus neigen dazu, rassistische und antisemitische Stereotype zu verwenden, um gegen Israel zu argumentieren, was die Gefahr birgt, legitime Kritik an Israel als antisemitisch zu stigmatisieren. Diese Verwirrung wird durch politische Rhetorik verstärkt, die versucht, Antizionismus als Deckmantel für Antisemitismus zu verwenden, was jedoch die ernsthaften Probleme des Antisemitismus verharmlost. Die Teilnehmer betonen die Notwendigkeit, zwischen politischen Meinungen und rassistischen Äußerungen klar zu unterscheiden, um eine produktive Diskussion über Israel und seine Politik zu ermöglichen.
Die Veränderung der geopolitischen Landschaft
Die geopolitische Landschaft im Nahen Osten hat sich in den letzten Jahren erheblich verändert, da neueAllianzen und diplomatische Beziehungen zwischen Israel und arabischen Staaten entstanden sind. Dies könnte die Perspektive auf den israelisch-palästinensischen Konflikt beeinflussen und neue Herausforderungen für die Palästinenser mit sich bringen, die oft als Verlierer in diesen Entwicklungen wahrgenommen werden. Während die Idee einer Zwei-Staaten-Lösung nach wie vor diskutiert wird, gibt es Bedenken, dass die Realität vor Ort von neuen Siedlungsaktivitäten und einer intensiven Besatzung geprägt ist, die einen fairen Kompromiss erschwert. Experten warnen davor, dass die geopolitischen Veränderungen, insbesondere die Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und einigen Golfstaaten, die palästinensischen Ansprüche weiter marginalisieren könnten.
Die Beziehung zwischen den beiden Ländern ist seit jeher kompliziert. Was bleibt von Bruno Kreiskys Nahostpolitik und seiner Befürwortung eines Palästinenserstaates? Warum unterstützt der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu den ungarischen Premier Viktor Orbán, obwohl dieser mit Antisemitismus Politik macht? Und wie ist der Staatsbesuch von Alexander Van der Bellen einzuordnen?
Zu hören: der Außenpolitikexperte und ehemalige Kreisky-Sekretär Wolfgang Petritsch, der Nahostexperte John Bunzl, die Journalisten Marta Halpert (Jüdisches Stadtmagazin Wina) und Erhard Stackl (Jüdisches Echo)