Vom Zauberberg zum Great Reset, Teil 2: Die Davoser Schatzalp, das Mekka der Schwindsüchtigen und die Tuberkulose als Glamourfaktor für Graubünden
Dec 24, 2024
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Christoph Mörgli, ein Medizinhistoriker und Autor bei der Weltwoche, bringt faszinierende Einblicke in die Geschichte der Tuberkulose in Davos. Er diskutiert die Verbindung zwischen Thomas Manns 'Der Zauberberg' und der kulturellen Bedeutung von Tuberkulose als Glamourfaktor im 19. Jahrhundert. Zudem beleuchtet er den Einfluss dieser Krankheit auf das Schönheitsideal und die gesellschaftliche Dekadenz der damaligen Zeit. Mörgli analysiert auch die literarische Verarbeitung der Tuberkulose und vermisst bedeutende Romane über die Corona-Pandemie.
Davos wurde im 19. Jahrhundert zum Mekka für Tuberkulosepatienten, wo spezielle Klimakuren als prestigeträchtig galten, trotz fraglicher Wirksamkeit.
Die kulturelle Wahrnehmung von Tuberkulose in Literatur und Kunst des 19. Jahrhunderts schuf ein idealisiertes Bild der Krankheit als Symbol des Verfalls.
Deep dives
Die Bedeutung von Davos in der Tuberkulose-Epoche
Davos entwickelte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem wichtigen Zentrum für Tuberkulosepatienten, aufgrund seines speziellen Klimas und der Behandlungen, die dort angeboten wurden. Die Stadt war bekannt für ihre strengen Liegekur-Kuren, bei denen die Patienten oft mehrere Stunden täglich im Bett verbrachten, um ihren Gesundheitszustand zu verbessern. Diese Praktiken erlangten ein gewisses Prestige, insbesondere unter finanzstarken Europäern, die sich die Aufenthalte in Davos leisten konnten. Die Kuren waren so populär, dass Davos als das 'Mekka der Schwindsüchtigen' bezeichnet wurde und die Stadt Werbung für ihre Heilkraft machte, trotz der fraglichen Wirksamkeit der Behandlungen zu jener Zeit.
Kulturelle Perspektiven auf Tuberkulose
Die Tuberkulose hatte nicht nur medizinische, sondern auch kulturelle Auswirkungen, da sie in der Literatur und Kunst des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts eine bedeutende Rolle spielte. Autoren wie Thomas Mann und Alexandre Dumas beschrieben das, was als morbide Schönheit wahrgenommen wurde, und schufen damit ein faszinierendes, fast romantisches Bild der Krankheit. Diese Darstellung führte zu einem idealisierten Verständnis von Krankheit, das weit über die körperlichen Leiden hinausging und soziale und psychologische Dimensionen umfasste. Künstler und Schriftsteller nahmen die Krankheit als Metapher für den Verfall der alten Ordnung und die Herausforderungen der modernen Welt auf.
Der Einfluss historischer und sozialer Faktoren auf Tuberkulose
Die Verbreitung von Tuberkulose wurde im 19. Jahrhundert durch eine Kombination von sozialen und hygienischen Bedingungen begünstigt, die insbesondere ärmere Bevölkerungsschichten betrafen. Robert Koch entdeckte 1882 den Erreger, was zu einem besseren Verständnis der Krankheit führte, jedoch waren effektive Behandlungsmöglichkeiten noch lange nicht verfügbar. Während einige Kuren in Davos als schmeichelhaft galten, war die Realität, dass viele Patienten weiterhin litten und die Kuren oft lediglich ein lukratives Geschäftsmodell für die Gesundheitsindustrie darstellten. Der Rückgang der Tuberkulose fiel mit dem Aufkommen neuer Behandlungsmethoden nach dem Zweiten Weltkrieg zusammen, aber auch heute gibt es in bestimmten Regionen der Welt wieder zunehmende Fälle.