Nicolas Richter, Leiter des Berliner Parlamentsbüros der SZ, und Henrike Roßbach, stellvertretende Leiterin des gleichen Büros, diskutieren die spektakulären Gründe für das Scheitern der Ampelkoalition. Sie beleuchten die internen Konflikte, insbesondere zwischen dem Kanzler und dem Finanzminister, und die umstrittenen strategischen Überlegungen der FDP. Zudem werfen sie einen Blick auf den Einfluss der Haushaltsdebatten und das berüchtigte 'D-Day'-Dokument. Ein spannender Rückblick auf die politischen Turbulenzen in Deutschland!
Das Bundesverfassungsgericht erklärte das Nachtragshaushaltsgesetz 2021 für nichtig, was die Ampelregierung in eine politische Krise stürzte.
Interne Differenzen und unilateral gestaltete Veranstaltungen zwischen den Koalitionspartnern führten zu einem Vertrauensverlust und letztlich zum Bruch der Ampelregierung.
Deep dives
Der Regierungsschock und der Haushaltsnotstand
Am 15. November 2023 erklärte das Bundesverfassungsgericht das Nachtragshaushaltsgesetz 2021 für nichtig, was die Ampelregierung in eine prekäre Lage brachte. Dies war eine direkte Folge der abweichenden Auslegung der Schuldenbremse, die die Regierung genutzt hatte, um Mittel für den Klima- und Transformationsfonds zu transferieren. Das Gerichtsurteil führte dazu, dass die Regierung ohne gültigen Haushalt dastand, was die Grundlage ihrer politischen Handlungen stark gefährdete. In der Folge konnten die im Vorfeld eingerichteten Haushaltskonstrukte nicht länger Bestand haben, was letztlich die Schwierigkeiten der Ampelregierung im Jahr 2024 einleitete und sich als eine entscheidende Wendung herausstellte.
Der Kampf um den Haushaltsentwurf
Im Juli 2024 präsentierten die Spitzen der Ampelregierung, Kanzler Scholz und Minister Lindner, einen neuen Haushaltsentwurf, wobei oft die wirtschaftlichen Herausforderungen in den Vordergrund rückten. Angesichts einer sich verschlechternden Wirtschaftslage und steigender Negativprognosen konnte die Regierung nur durch eine große Wachstumsinitiative ihrer Handlungsfähigkeit demonstrieren. Trotz eines Pakets von 49 Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft stellte sich bald heraus, dass die internen Differenzen und unterschiedlichen Interessen der Koalitionspartner die Umsetzung erschwerten. Die wiederholte Ankündigung von Initiativen war zwar ein Versuch, das Vertrauen in die Ampelregierung zu stärken, jedoch kam das Paket letztlich zu spät, um eine grundlegende Wende herbeizuführen.
Zwei parallele Wirtschaftsgipfel
Am 29. Oktober 2024 fanden zeitgleich zwei Wirtschaftsgipfel statt, einer von Scholz und der andere von Lindner, was die innerkoalitionären Spannungen verdeutlichte. Scholz lud Industriefunktionäre ein, ohne die anderen Koalitionspartner einzubeziehen, was als Affront gegenüber Lindner und Habeck gewertet wurde. Diese unilateral gestalteten Veranstaltungen führten zu weiteren Konflikten und untergruben den Eindruck einer geschlossenen Regierungsfront in der Öffentlichkeit. Der zunehmende öffentliche Streit und die Unfähigkeit, an einem Strang zu ziehen, zeigten die tiefen Gräben innerhalb der Ampelkoalition und kündigten die bevorstehenden Probleme an.
Der Ampel-Ausschluss und die Folgen
Am 6. November 2024 kam es zum endgültigen Bruch der Ampelregierung, als Scholz Lindner überraschend entließ und damit das Ende der Koalition besiegelte. In der hitzigen Sitzung verlangte Scholz, die Schuldenbremse auszusetzen, was Lindner als Missachtung seines Amtsverschwiegenheit empfand und ablehnte. Dieser Konflikt war das Resultat gestiegener persönlicher Spannungen und politischer Differenzen zwischen den Spitzen von SPD und FDP, die zuvor eine konstruktive Zusammenarbeit pflegten. Der öffentliche Streit und die Vorwürfe füreinander trugen zur Erosion des Vertrauens zwischen den beiden Ministern bei, was letztlich dazu führte, dass die Koalition nicht mehr funktionsfähig war.
Am 6. November 2024 stellt sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor die Kameras und entlässt Finanzminister Christian Lindner (FDP): Der Moment markiert das Ende der Ampelkoalition. Was als “Fortschrittskoalition” begonnen hatte, endete in persönlichen Vorwürfen. Die Regierungskoalition, die nie für geräuschloses Regieren bekannt war, geht mit einem sehr lauten Knall zu Ende.
In diesem Jahresrückblick sprechen Nicolas Richter, Leiter des Berliner Parlamentsbüros der SZ, und seine Stellvertreterin Henrike Roßbach, über die Momente, die zum Ampel-Bruch geführt haben. Und sie geben einen Einblick, wie sie zu dem politischen Skandal des Jahres recherchiert haben: dem “D-Day”-Papier der FDP.