Tina Soliman, eine preisgekrönte Journalistin und Dokumentarfilmerin, teilt ihre tiefgreifenden Einblicke in die komplexen Themen von ererbten Traumata und Verlust. Sie erklärt, wie familiäre Geschichten das psychische Wohlbefinden beeinflussen können und erläutert die emotionale Reise eines Mannes, der seine Kindheitserinnerungen in Ruanda konfrontiert. Außerdem diskutiert sie die Herausforderungen, die digitale Medien im Umgang mit Kontaktabbrüchen mit sich bringen, und beleuchtet die Bedeutung des Erzählens solcher Erfahrungen.
Tina Soliman thematisiert, wie ererbte Traumata über Generationen hinweg wirken und die emotionale Verarbeitung für Nachfahren erschweren können.
Die Rolle von Journalisten wie Soliman besteht darin, schmerzhafte Geschichten mutig zu erzählen und das Bewusstsein für gesellschaftliche Themen zu schärfen.
Deep dives
Eingehen auf ererbte Traumata
Es werden ererbte Traumata in den Fokus genommen, die von Generation zu Generation weitergegeben werden können, ähnlich wie genetische Veranlagungen zu Krankheiten. Der Zusammenhang zwischen biologischen Veränderungen und den emotionalen Narben, die von den Vorfahren verursacht wurden, zeigt sich deutlich, wenn nachfolgende Generationen die Auswirkungen erleben, ohne die Ursprünge ihrer Leiden zu kennen. Diese epigenetischen Effekte ermöglichen es, dass die Nachkommen nicht nur die Erlebnisse, sondern auch das Schweigen und die unausgesprochenen Ängste ihrer Vorgänger mittragen. Ein konkretes Beispiel ist ein 35-jähriger Mann, dessen Vater als Tutsi in Ruanda und dessen Großvater als Nazi involviert war, wodurch er mit den Traumata beider Seiten lebt und spürt.
Schwierigkeiten beim Umgang mit Schweigen
Das Schweigen der Vorfahren wirkt sich negativ auf die Nachkommen aus, da es ihnen schwerfällt, die erlebten Traumata zu verstehen oder zu verarbeiten. Neurologische Studien belegen, dass das Gespräch über solche Traumata oft nicht möglich ist, was zu einer inneren Zerrissenheit führt, da das Gehirn nicht auf eine Weise reagieren kann, die mit einem bewussten Sprechen über das Thema zu tun hat. In den Gesprächen wird deutlich, dass es oft keine Erklärungen für die inneren Schmerzen gibt, die die Nachkommen spüren, wodurch der Umgang mit diesen emotionalen Lasten besonders herausfordernd wird. Das Besondere in diesem Fall ist die Melancholie und Trauer, die der Protagonist seit seiner Kindheit empfand, die jedoch erst durch die Reise zu den Wurzeln nach Ruanda in einem anderen Licht verstanden werden kann.
Vererbung von Verhaltensmustern
Die Diskussion über den Umgang mit ererbten Traumata erstreckt sich auch auf die Frage, ob es sinnvoll ist, über sie zu sprechen oder diese zu verdrängen. Der Kontaktabbruchs und familiäre Funkstille können Erbschaften von generationsübergreifenden Traumata darstellen; viele Menschen scheuen sich, über ihre psychologischen Wunden zu sprechen, was zu einem Kreislauf des Schweigens führt. Der Protagonist sucht nach einer Möglichkeit, den Schmerz seiner Vorfahren zu verstehen, um ihn nicht an die nächste Generation weiterzugeben. Oft bleibt das Bloßstellen von Missständen, wie dem Völkermord in Ruanda, für die Nachfahren ein stummer Schrei, hinter dem viel Leiden verborgen bleibt.
Der Weg der Journalistin
Die Autorin Tina Solimann beschreibt ihren Werdegang zur Journalistin, der frühzeitig mit Praktika bei großen Publikationen begann und sie schließlich zu Fernsehsendungen führte. Ihre Leidenschaft für das Erzählen und das Verarbeiten von schwierigen Themen erkennen viele in ihrer Arbeit, darunter zahlreiche Beiträge für 37 Grad. Dabei wird mutig angesprochen, wie der Berufsweg durch die Herausforderungen, gesellschaftliche Themen anzusprechen, geformt wurde und welche Verantwortung dabei getragen wird, die Geschichten der Betroffenen zu erzählen. Solimann hebt auch hervor, dass die Themen, die sie behandelt, oft von Schmerz und Trauer gekennzeichnet sind, was ihr Publikum fordert aber auch bewegt.
Tina Soliman ist mehrfach ausgezeichnete Journalistin, Dokumentarfilmerin und Fernsehproduzentin. Seit mehr als 30 Jahren realisiert sie Dokumentationen für ZDF und ARD, darunter für "37 Grad" und "Die Story im Ersten". Ihre Geschichten und Porträts beginnen meistens dort, wo es wehtut. Es geht um Tod und um das Verschwinden, einem Phänomen, dem sie in mittlerweile drei Büchern nachgegangen ist, vom Kontaktabbruch in der Familie bis zum Ghosten beim Daten.
Mit Wolfgang spricht sie darüber, was genau in unserer Gesellschaft passiert, die immer schlechter in Verbindung treten kann, aber auch, wie es nach einem menschlichen Verlust weitergehen kann. Und es geht um das Thema ihres aktuellen Projekts: ererbte Traumata und Menschen, die sich aufmachen, den Schmerz ihrer Vorfahren zu heilen.